Arbeitsbedingungen im Messebau

Pro & Contra: Arbeitssicherheit & Messebau – nicht kompatibel?

Dass auf Messebaustellen nicht alles rund läuft, belegen die immer wieder hitzig geführten Diskussionen zwischen Veranstaltungstechnikern, Messebauern, Agenturen und Sicherheitsexperten. Arbeitssicherheitsvorschriften werden nicht eingehalten, bei ausländischen Aufbaufirmen wird oft mit zweierlei Maß gemessen, Kontrollen fehlen ganz oder sind unzureichend. Traurige Realität oder übertriebenes Gejammer? Falco Zanini und Stephan Haida stehen sich im Pro & Contra gegenüber!

Arbeit-Arbeitssicherheit-Handwerker(Bild: Pixabay)

Wer schon einmal während des Aufbaus einer Messe einen Blick in eine Messehalle geworfen hat, weiß, wovon die Rede ist: Diverse Technikdienstleister und Messebauer arbeiten im Akkord, um die Anforderungen der Kunden zu erfüllen und in immer kürzeren Aufbauzeiten – denn Zeit ist ja bekanntlich Geld – die Messestände so perfekt herzurichten, wie sie der gemeine Messebesucher dann am Eröffnungsmorgen vorfindet. Was am Ende glänzt, hat davor so manche Schweißperlen gekostet, und auch nicht immer wurden und werden alle Arbeitssicherheitsvorschriften so eingehalten, wie es sein sollte. Fehlende Sicherheitskleidung, unpassendes Arbeitsequipment, zu wenige und verdreckte Toiletten – vielen, die im Messeaufbau involviert sind, fallen hier sicher Beispiele ein.

Anzeige

>> Lesen Sie hier die Ergebnisse unserer Umfrage zu den Arbeitsbedingungen im Messebau. <<

Sicher, viele der großen Platzhirsche unter den Veranstaltungstechnikdienstleistern und Messebauern sorgen dafür, dass ihre Mitarbeiter nicht zu Schaden kommen. Doch etliche kleinere Unternehmen sehen sich dem Kosten- und Zeitdruck nicht gewachsen und so werden des Öfteren Augen zugedrückt, was etwa die Einhaltung von maximalen Arbeitszeiten betrifft. Verärgert wirft mancher auch den Blick auf den benachbarten Messestand, auf dem die ausländische Aufbaufirma völlig an bestehenden Vorschriften vorbeiarbeitet. Fehlt hier eine Kontrollinstanz? Müsste hier die Messegesellschaft „Messebaupolizei“ spielen, oder belässt sie es bei der Kontrolle der Einhaltung der eigenen Hallenbauvorschriften? Müssten Gewerbeaufsicht oder das Amt für Arbeitsschutz nicht zugegen sein und den wilden Auswüchsen Einhalt gebieten? Oder sollte nicht die Selbstverpflichtung jedes Arbeitgebers, sei er Technikdienstleister, Messebauer, Agentur oder Endkunde, ausreichen, das Wohl der eigenen Mitarbeiter über monetäre Belange zu stellen? Hier geht es am Ende auch um Haftungsfragen: Ein Auftraggeber muss nicht alles wissen, er muss sich aber kundig machen. Sonst sind die schönsten Compliance-Vorgaben nur leere Floskeln.

Die Arbeitsbedingungen im Messebau wecken große Emotionen, wie auch der Kommentar von Falco Zanini in EVENT PARTNER 6.18 und die Erwiderung durch Stephan Haida in einem offenen Brief auf Seiten des FAMAB gezeigt haben. Grundsätzlich sei man einer Meinung: Mit Leib und Leben der Arbeiter auf den Messebaustellen dürfe nicht gespielt werden! Doch die Ursachen sehen sie jeweils woanders: Falco Zanini, Fachkraft für Arbeitssicherheit und Meister für Veranstaltungstechnik, und Stephan Haida, Geschäftsführer des Messebauunternehmens Artlife und Mitglied des FAMAB-Vorstands, diskutieren Ursachen und Lösungen!

Pro: Die FAMAB-Mitgliedschaft als Qualitätssiegel – und doch sind Kontrollinstanzen gefragt

Stephan Haida
Stephan Haida (Bild: Artlife GmbH )

Stephan Haida, Geschäftsführer Artlife GmbH und FAMAB-Vorstand

Der FAMAB hat eine klare Meinung zum Thema Arbeitsbedingungen: Die Mitgliedschaft in unserem Verband ist ein Qualitätssiegel und gerade bei Mitgliedsunternehmen des FAMAB muss man sich selbstverständlich darauf verlassen können, dass die Sicherheitsstandards und gängigen Vorschriften eingehalten werden.

Im FAMAB arbeiten wir gerade daran, die Kriterien zur Aufnahme in den Verband sogar nochmals zu verschärfen, um damit im Markt klar zu signalisieren, dass die Zugehörigkeit zum FAMAB ein Pfund ist, mit dem man wuchern kann. Für Kunden und auch Messegesellschaften soll klar erkennbar sein: Wenn ich mit einem Unternehmen des FAMAB arbeite, brauche ich mir um die Einhaltung der gängigen Vorschriften keine Gedanken machen! Das kann vorausgesetzt werden.

Dies soll für potenzielle Mitglieder die Attraktivität der Verbandszugehörigkeit steigern und Kunden bei der Auswahl eines FAMAB-Unternehmens Sicherheit geben. Wenn unsere Mitgliedsunternehmen dann auf den Messeplätzen noch Vorteile hinsichtlich Kontrollen o.ä. hätten, wäre das für beide Seiten von Vorteil. Die Kontrollinstanzen können sich auf die Unternehmen konzentrieren, die nicht die Einhaltung der Regeln garantieren, und unsere Unternehmen können sich auf die Arbeit konzentrieren, was wiederum Auswirkungen auf die Preisgestaltung hat, weil der bürokratische Aufwand sinkt.

Unser Ziel ist es, dass die FAMAB-Kriterien zur Selbstverpflichtung künftig eine Grundvoraussetzung für Anfragen der Konzerne und auch der großen Mittelständler sind. Genauso wie einige Unternehmen bereits den Nachweis von Nachhaltigkeitszertifikaten als Voraussetzung für Anfragen fordern. Das nur am Rande.

Was aber treibt Unternehmen, dazu die Bestimmungen zu umgehen? Ich kann Kollegen verstehen, die zum wiederholten Male gegen einen günstigeren Wettbewerber einen Auftrag verloren haben und dann mit ansehen müssen, dass eben dieser Wettbewerber sich dann aber nicht an Recht und Ordnung hält. Wenn ich dann als Unternehmer sehe, dass diese Kollegen trotzdem jedes Mal ungeschoren davonkommen, kann ich durchaus nachvollziehen, dass man sich irgendwann die Frage stellt, warum man es nicht genauso macht? Noch dazu, wenn es irgendwann um die blanke Existenz geht.

Selbstverpflichtung ist das eine, aber nur durch Kontrollen und vor allem Konsequenzen für die schwarzen Schafe werden wir das Problem in den Griff bekommen. Und hier sind natürlich diejenigen gefragt, die diese Bestimmungen erlassen. Also die Messegesellschaften und die zuständigen Behörden.

Der FAMAB geht nach Möglichkeit jedem Hinweis nach, der die Nichteinhaltung von Vorschriften durch seine Mitglieder betrifft, allerdings kann der FAMAB schon aufgrund seiner Personalstruktur keine Kontrollinstanz sein.

Keine zwei Meinungen gibt es allerdings beim Thema Sicherheit. Hier darf nie und unter keinen Umständen auf Kosten der Mitarbeiter gespart werden. Allerdings sind hier auch die Kunden in der Verantwortung. Wer sich immer nur für den günstigsten Anbieter entscheidet, unterstützt – bewusst oder unbewusst – diese Problematik.

Ein Schritt in die richtige Richtung könnte sein, sich bereits im Rahmen der Präsentation vom Anbieter über die geplanten Sicherheitsmaßnahmen informieren zu lassen. Wenn dann vor Ort auch noch deren Einhaltung geprüft würde, wären wir einen großen Schritt weiter.

Contra: Nach der Messe ist vor der Messe – die eigene Verantwortung leben

Falco Zanini
Falco Zanini

Falco Zanini, Fachkraft für Arbeitssicherheit, Meister für Veranstaltungstechnik und EVENT-PARTNER-Autor

Mit meiner Erwiderung zum Pro & Contra habe ich mir bewusst Zeit bis nach einer Messe gelassen, die ich für den Veranstalter als Koordinator Arbeitsschutz betreut hatte. Im Ergebnis konnte ich meine Anmerkungen aus dem Ursprungsartikel bestätigt sehen (Kommentar „Messebau, wir müssen sprechen“ aus EVENT PARTNER 6.18, Anmerkung der Redaktion). Dabei fiel mir erneut die Diskrepanz zwischen Eigenwahrnehmung der Branche und der Wirklichkeit auf. Anwesend waren Agenturen und Messebauer aus Deutschland und Europa in wechselnden Besetzungen. Die erste komplette Rückmeldung auf meine Formulare bekam ich von einer polnischen Messebaufirma, die alles sauber und ordentlich ausgefüllt hatten und die sich vor Ort auch an alles (bis auf Kleinkram) gehalten haben. Auffallend auch die höhere Dichte von Rollgerüsten bei den ausländischen Messebauern gegenüber den heimischen Kollegen. Lebendige Diskussionen und Ignoranz habe ich dann hauptsächlich bei deutschen Messebauern und Agenturen erlebt. Darunter befanden sich auch durchaus bekannte Firmen.

Woran liegt es? Ist es Desinteresse an sozialer Sicherheit, immerhin die dritte Säule der heiligen Kuh Nachhaltigkeit? Oder Überschätzung der eigenen Rolle? Obgleich der gestiegenen Zahl an Rollgerüsten und Arbeitsbühnen gegenüber Leitern gibt es immer noch Nachholbedarf bei sicherem Arbeiten, Sicherheitsschuhen, Helmen (ja, die braucht man bei reichlich Anstoßgefahr) und Warnwesten trotz massivem Fahrzeug- und Maschinenverkehr rund um den Stand. Ganz besonders fehlt es oft auch an Verantwortungsbewusstsein von Agentur- und Messebau-Bauleitern, die eigenen Leute zu sicherem Arbeiten anzuhalten und den Kollegen wieder zum Auto zurückzuschicken, wo der seine Sicherheitsschuhe „vergessen“ hatte.

Ist der Schlüssel also, darauf zu warten, dass die Messegesellschaften (endlich mal, könnte ich sagen) an das Tor einen Persönliche-Schutzausrüstungs-Kontrolleur setzen und einen scharfen Kontroletti in den Gängen patrouillieren lassen? Sicher nicht, denn vor vielen Jahren wollte die deutsche Wirtschaft weniger harte Regeln und mehr Eigenverantwortung. Nun haben wir im Arbeitsschutzgesetz und den DGUV-Regelwerken genau das festgeschrieben. Mit allen Möglichkeiten der Flexibilisierung und der Zusammenarbeit mit den Gremien der BG Bau für Branchenregeln. Das sollte (endlich) genutzt und Arbeitsschutz proaktiv und vorbildlich gelebt werden. Dazu gehören alle Beteiligten an einen Tisch – Messebau, Agenturen und Messebetreiber.

[9053]

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Vielen Dank für diesen Beitrag zum Thema Messebau. Ich suche einen passenden Messebauer. Ich finde auch, dass bei dem Thema Sicherheit nie gespart werden sollte. [Hinweis der Redaktion: URL entfernt]

    Auf diesen Kommentar antworten

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.