Geprüft und für gut befunden?

Sinn und Unsinn von Nachhaltigkeitszertifizierungen

Zertifikate, Siegel, Labels – in jedem Bereich kann man sich heute mit irgendetwas auszeichnen lassen, um der Welt zu zeigen, dass das, was man produziert, etwas taugt. Ebenso schaffen sich viele Unternehmen einfach eigene Labels, die dem Kunden eine besondere Bestätigung oder Eigenschaft vorgaukeln sollen. Gerade im autoritätsverliebten Deutschland kommen Prüfsiegel und Qualitätsbescheinigungen durch vermeintliche Experten super an – auf irgendetwas muss man doch vertrauen können, oder? Leider sorgt die Masse an derartigen Auszeichnungen eher für Verwirrung als für Klarheit. Das gilt auch für den Veranstaltungsbereich.

 approved(Bild: Pixabay.com)

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Sie kommen in allen Farben und Formen daher und das meistens mit kryptischen, großbuchstabigen Abkürzungen wie EMAS, FSC, EHI, TÜV, AMA, QMS, BSI, BDIH, ISO, DIN, PEFC und MSC – wer jetzt schon abgedriftet ist und innerlich „MFG“ von den Fantastischen Vier summt, trifft genau den Kern des Problems: Man steigt nicht durch. In jedem Lebensbereich und jeder Branche existieren mittlerweile so viele bunte Labels und Gütesiegel, dass zumindest der unerfahrene Kunde kaum noch unterscheiden kann, was wirklich Qualität verheißt und was nur Werbung ist.

Normierung und Qualitätssicherung

Dabei sind Zertifizierungen grundsätzlich natürlich durchaus sinnvoll. Der Begriff setzt sich aus den lateinischen Wörtern „certe“ für „bestimmt, sicher“ und „facere“ für „machen“ oder „schaffen“ zusammen. Die Zertifizierung dient also dazu, etwas zu bestimmen oder sicherer zu machen. Dafür werden von den Zertifizierungsstellen bestimmte Anforderungen und Standards festgelegt, die die Bewerber für die Erteilung der Zertifizierung erfüllen müssen. Je höher diese Standards sind, desto geringer ist die Anzahl der vergebenen Zertifikate und desto größer ist folglich deren Glaubwürdigkeit. Weil die Kunden sich aber verständlicherweise nicht die Mühe machen, jedes Siegel oder Zertifikat auf seine Kriterien hin zu überprüfen, nutzen zahlreiche Anbieter den Effekt der scheinbaren Autorität eines solchen Symbols auf das Unterbewusstsein des Kunden aus. Und weil es seit einiger Zeit für die Gesellschaft immer wichtiger geworden ist, sich um Umweltschutz und Nachhaltigkeit zu bemühen, ist der „Green“-Bereich ein besonders attraktives Feld für solche Praktiken.

Mann vor White Board
Die gesamte Wertschöpfungskette im Blick: Von der Solaranlage auf dem Dach bis zum Catering auf dem Event. (Bild: Pixabay.com)

Verschiedenste Arten von „Green“-Zertifizierungen

Der Markt an Zertifizierungen zum Thema Nachhaltigkeit ist überladen und unübersichtlich. Da gibt es Label für nachhaltige Destinationen, für „grünen“ Tourismus, für Hotels, Cafés, Verkehrsmittel und Caterer. Mal wird nur die Energieeffizienz besiegelt, mal die Verwendung regionaler Produkte oder die besondere Zugänglichkeit für bestimmte Zielgruppen wie Senioren oder Allergiker. Andere haben besondere Managementsysteme implementiert, deren Verwendung sich natürlich ebenfalls von irgendjemandem bescheinigen lässt. Hauptsache, die Außenwirkung stimmt.

Growth Hacking
Regelmäßige Berichte und Selbstverpflichtungen sind Bestandteil vieler Zertifizierungsprozesse. (Bild: Pixabay.com)

Dieser Dschungel an grün-bunten Bildchen mit niedlich bis kryptischen Bezeichnungen hat in erster Linie jedoch einen Effekt, nämlich dass die Label nicht mehr ziehen. Wie jedes Gut, das im Übermaß verfügbar ist, unterliegen auch die Zertifizierungen einer Inflation und verlieren damit ihren Wert. Die Kunden werden von der Auswahl und Ähnlichkeit der Labels so erschlagen, dass sie sie entweder gar nicht mehr wahrnehmen oder einfach gleichgültig akzeptieren.

Vertrauen auf die Klassiker

Genau deshalb lässt sich hier fast nur empfehlen, auf die bekannten Klassiker zu setzen. Sich für seine Leistungen im Bereich Nachhaltigkeit prüfen und zertifizieren zu lassen, ist schließlich grundsätzlich trotz allem kein schlechter Gedanke. Es stellt eine Selbstverpflichtung und Bindung an gewisse Standards dar, die man durch unabhängige Außenstehende kontrollieren und bescheinigen lässt. Hat man den Prozess einer seriösen Zertifizierungsstelle erfolgreich durchlaufen und ihre Anforderungen erfüllt, ist es absolut legitim, sich auch mit der entsprechenden Marke nach außen zu schmücken.

TÜV
Wer sicher gehen will, setzt bei der Zertifizierung auf Klassiker. (Bild: Pixabay.com)

Die großen bekannten Standards wie ISO und TÜV fallen dem Kunden unbewusst noch positiv auf und geben ihm Orientierung und Vertrauen. Solche Labels sind vertraut und beliebt und stehen für langjährige Qualitätsstandards. Daher sollte, wer über eine Zertifizierung für sein Unternehmen nachdenkt, sich zunächst auf diese globalen Zertifizierungen konzentrieren. Sie können einen letztlich vom Konkurrenten abheben und möglicherweise den entscheidenden, kleinen Unterschied machen. Anschließend kann man sich immer noch um ein einzelnes Branchenlabel oder eine Zertifizierung für einen bestimmten Bereich bemühen, auf den die spezielle Zielgruppe möglicherweise Wert legt.


Voraussetzungen für die Zertifizierung

Zur Sicherung und Standardisierung nachhaltiger Prozesse in Unternehmen existieren verschiedene Ansätze und auch in der Eventbranche haben sich bereits verschiedene Labels etabliert:

1.Mehr als nur ein Add-On

Für eine Zertifizierung nach dem ISO 20121 „Event Sustainability Management System“-Standard beispielsweise sind keine konkreten Performancewerte hinsichtlich Einsparung oder CO2-Ausstoß erforderlich, sondern die Implementierung eines speziellen Managementsystems, das an allen Punkten der Wertschöpfungskette einer Veranstaltung ansetzt. Um dem von den Olympischen Spielen 2012 in London inspirierten ISO 20121 Standard zu entsprechen, müssen die unternehmenseigenen Prozesse bestimmte Kriterien erfüllen, die das Thema Nachhaltigkeit beispielsweise bei der Locationwahl, dem Catering, oder der Logistik berücksichtigen. Wichtig ist dabei vor allem, dass nachhaltige Lösungen wirklich ein wesentlicher Bestandteil der Wertschöpfungskette sind und nicht nur ein nettes „Add-on“.

2. Codices und nachhaltige Lösungsansätze

Einen ähnlich ganzheitlichen, aber unkomplizierteren Ansatz verfolgt das brancheneigene Nachhaltigkeitszertifikat „Sustainable Company“ des FAMAB. Die in dem Erhebungsbogen abgefragten Daten, die anschließend vom unabhängigen Dienstleister CO2OL ausgewertet und per Telefoninterview überprüft werden, umfassen unter anderem die Existenz eines Codex und weiterer interner Leitlinien, Kennzahlen zum CO2-Fußabdruck sowie Darstellungen von Projekten und Lösungen zur nachhaltigen Entwicklung in allen Teilen der Wertschöpfungskette des Unternehmens. Wer die Zertifizierung zunächst im kleineren Rahmen erproben will, kann sich stattdessen um das Label „Sustainable Project“ bemühen, das die Daten im Hinblick auf ein einzelnes Format abfragt.

3. Einhaltung gemeinsamer Leitlinien

Eine weitere Alternative ist die Beteiligung am Nachhaltigkeitscodex „fairpflichtet“, der von den Branchenverbänden GCB German Convention Bureau e.V. und EVVC Europäischer Verband der Veranstaltungs-Centren e.V. ins Leben gerufen wurde. Hierbei handelt es sich um eine freiwillige Selbstverpflichtung, die gemeinsamen Leitlinien einzuhalten und alle zwei Jahre einen Fortschrittsbericht über die eigenen Aktivitäten vorzulegen und zu veröffentlichen.


Die Zielgruppe berücksichtigen

Sowohl national als auch international existieren verschiedenste Nachhaltigkeitszertifikate und -labels, die mit unterschiedlich hohen Anforderungen und unterschiedlich starker Selbstbindung verbunden sind. Letztlich muss jedes Unternehmen selbst entscheiden, ob und in welchem Umfang eine Zertifizierung sinnvoll ist – als grobe Tendenz hilft es jedoch, sich an großen bekannten Marken oder renommierten branchenspezifischen Labels zu orientieren. Neben den eigenen Möglichkeiten ist dabei vor allem die Zielgruppe und deren Horizont bei der Entscheidung zu berücksichtigen, um auch die entsprechenden Vorteile für die Außenwirkung aus der erstrebten Zertifizierung zu ziehen.

Labels
Im Dschungel der zahlreichen Labels, verliert das einzelne an Wert. (Bild: Pexels.com)

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