Kann die MICE-Branche nun aufatmen oder nicht? Die Margensteuer bleibt Gesprächsthema Nummer eins. Umsatzsteuerspezialist Hans-Martin Grambeck erklärt, warum Expert:innen vor zu viel Optimismus warnen.
(Bild: Thomas Soellner/Shutterstock)
Wie ein Damoklesschwert schwebt die Margenumsatzsteuer (§ 25 Umsatzsteuergesetz) über der MICE-Branche, die gerade aus der Corona-Pandemie heraus den Weg zurück in die Normalität sucht. Ein positiver Tenor – wie z.B. in dem Artikel „MICE-Dienstleister atmen auf“ – wird in dieser Situation natürlich gerne zur Kenntnis genommen. Manche wird es allerdings überraschen, dass die Steuerexpert:innen in der einschlägigen Fachliteratur eine weitaus kritischere Sicht auf die Dinge haben und vor allzu viel Optimismus warnen, was die Ausnahme der MICE-Branche von der Margensteuer anbelangt.
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Optimistische Sicht: Auch Veranstalter der Reise begünstigt
Dreh- und Angelpunkt der aktuellen Diskussion ist folgender Passus in der im Juni 2021 veröffentlichen Verwaltungsauffassung zur Anwendung der umsatzsteuerlichen Neuregelung (vgl. Abschnitt 25.1 (2), S. 6 Umsatzsteuer-Anwendungserlass):
„Die Einräumung von Eintrittsberechtigungen für Messen, Ausstellungen, Seminare und Kongresse und damit im Zusammenhang erbrachte Beförderungs-, Verpflegungs- und Beherbergungsleistungen, die vom Veranstalter als einheitliche Leistung (vgl. Abschnitt 3.10) angeboten werden, sind keine Reiseleistungen.“
Optimist:innen interpretieren die Regelung dahingehend, dass eine MICE-Agentur als Reise-„Veranstalter“ agiert und keine Reiseleistung im Sinne der Margensteuer erbringt, wenn dem B2B-Kunden die besagten Beförderungs-, Verpflegungs- und Beherbergungsleistungen im Bündel mit Eintrittskarten für die genannten Veranstaltungen (Messen, Ausstellungen, Seminare, Kongresse) angeboten werden. Die Margensteuer wäre dann in der Tat für diverse Angebote vom Tisch.
Pessimistische Sicht: Nur Veranstalter des Events begünstigt
Pessimist:innen hingegen lesen die Passage im Kontext des nahezu zeitgleich neu gefassten Abschnitts 3a.7a (2), S. 2 Umsatzsteuer-Anwendungserlass. Dort heißt es:
„Zu den Eintrittsberechtigungen für Messen, Ausstellungen und Kongresse gehören insbesondere Leistungen, für die der Leistungsempfänger Kongress-, Teilnehmer- oder Seminarentgelte entrichtet, sowie damit im Zusammenhang stehende Nebenleistungen, wie z.B. Beförderungsleistungen, Vermietung von Fahrzeugen oder Unterbringung, wenn diese Leistungen vom Veranstalter der Messe, der Ausstellung oder des Kongresses zusammen mit der Einräumung der Eintrittsberechtigung als einheitliche Leistung (vgl. Abschnitt 3.10) angeboten werden.“
Es fällt auf, dass diese Vorschrift auf den Veranstalter der Veranstaltung (und nicht etwa auf den Veranstalter der Reise) abstellt. Der/die MICE-Unternehmer:in wird diese Veranstalterrolle i.d.R. nicht für sich beanspruchen können, weil er/sie – um exemplarisch auf die Definition bei Wikipedia abzustellen – nicht derjenige/diejenige ist, „der in organisatorischer und finanzieller Hinsicht für das betreffende Ereignis verantwortlich sei, dem also die Vorbereitung und Durchführung obliege und der das unternehmerische Risiko trage“. Pessimist:innen werden erkennen, dass die Regelung zur Rückausnahme von der Margensteuer unter diesen Umständen für das typische MICE-Geschäft nicht greift. Begünstigt wäre lediglich ein Unternehmen wie z.B. die Messe Berlin GmbH, die ihren Besucher:innen nicht nur die Eintrittskarten für eigene Veranstaltungen, sondern daneben Übernachtungs- und Transportleistungen im Bündel anbietet.
Unabhängig davon, ob man sich nun auf die Seite der Optimist:innen oder Pessimist:innen stellt, steht ein weiteres großes Fragezeichen über den Eigenveranstaltungen, die MICE-Agenturen für ihre Auftraggeber organisieren (z.B. firmeninterne Meetings oder Veranstaltungen aus Anlass einer Produktpräsentation). Denn für diese Art von Veranstaltungen gibt es keine Eintrittsberechtigungen im eigentlichen Sinne, welche den Teilnehmenden durch die MICE-Agentur „eingeräumt“ werden könnten.
Zugegebenermaßen ist die Situation sehr misslich. Sofern betroffene Unternehmen die Regelbesteuerung anstelle der Margensteuer anwenden, sollte ihnen das damit verbundene umsatzsteuerliche Risiko bewusst sein. Denn im Worst Case wird das Finanzamt in der Annahme einer Reiseleistung der MICE-Agentur den Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen versagen. Die Verbände bemühen sich, diese und andere Zweifelsfragen rechtzeitig vor dem 1. Januar 2022 im Interesse ihrer Mitglieder mit dem Bundesfinanzministerium zu klären. Die betroffenen Unternehmen sollten sich gegebenenfalls um professionelle Beratung bemühen, um ein späteres böses Erwachen zu vermeiden.
Über den Autor:
Dr. Hans-Martin Grambeck ist geschäftsführender Gesellschafter der auf die Umsatzsteuerberatung spezialisierten Kanzlei nesemann&grambeck in Norderstedt bei Hamburg. Er betreut zahlreiche Mandanten aus der Event- und Reisebranche, kommentiert beim Beck-Verlag u.a. § 25 Umsatzsteuergesetz und unterstützt mit fachlichem Input auch den VDVO.
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