Erkenntnisse aus Wissenschaft & Forschung

MICE-Trends 2024

Welchen Wert haben Events in der heutigen Gesellschaft, in der Konsum immer weniger wichtig ist? Ist Bombast noch in? Und wie authentisch müssen bzw. wie artifiziell dürfen sie sein, denkt man an das Metaverse und den Einsatz Künstlicher Intelligenz zu Personalisierungszwecken? Forschende aus Universität und Lehre geben Einblick in ihre persönlichen MICE-Trends 2024.

Prof. Dr. Susanne Doppler, Professorin für Eventmanagement & Tourismus, Hochschule Fresenius Heidelberg
Prof. Dr. Susanne Doppler, Professorin für Eventmanagement & Tourismus, Hochschule Fresenius Heidelberg (Bild: Privat)

Resonanztourismus & Nischentrend Bleisure Travel

Bleisure-Travel-Angebote haben für eine bestimmte Zielgruppe auf jeden Fall eine Berechtigung. Als Trend würde ich es aber nicht bezeichnen, denn Verbraucher- und marktbezogene Trends bilden sich bei der Mehrzahl der Marktteilnehmenden ab, oft medial verstärkt. Das trifft meiner Einschätzung nach auf Bleisure Travel nicht zu. Ich habe dazu keine Daten erhoben oder ausgewertet, aber meiner Einschätzung nach wird Bleisure Travel mittelfristig einen Nischenmarkt bedienen. Die Arbeitswelt wird nur für bestimmte Berufsfelder, die ortsunabhängig ausgeübt werden können, auch nach der Pandemie hybrid bleiben. In diesen Berufsgruppen können Arbeits- und Lebensort zunehmend miteinander verschmelzen, hier entsteht dann auch ein sicherlich für spezialisierte Anbieter interessanter Nischenmarkt für Bleisure-Travel-Angebote, die die hohen Ansprüche der Zielgruppe an ein ungestörtes und fokussiertes Arbeiten bedienen und mit erholsamen, regional spezifischen Aktivitäten und Erlebnissen vor Ort bereichern. Aber es wird eine Nische bleiben.

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Ein Thema, das ich persönlich sehr interessant und zukunftsweisend finde und welches man mit Bleisure Travel auch sehr gut verbinden kann, ist der Resonanztourismus. Das Zukunftsinstitut hat dazu 2019 eine Studie veröffentlicht und ich beobachte, dass das Tourismus-Marketing, z.B. in den Bundesländern Baden-Württemberg und Bayern, das Thema aufgreift. Jüngere besorgniserregende Berichterstattungen aus Urlaubsdestinationen wie Barcelona oder Mallorca zeigen, dass der Massentourismus an seine Grenzen kommt und für die Bewohner:innen der Destinationen unerträglich wurde. Die Spanier:innen sprechen gar von „Tourismofobia“. Massentourismus wird es zwar auch weiterhin geben, aber die Tourismusindustrie muss sich auch da konsequent an den Werten und Bedürfnissen der Menschen orientieren, die zunehmend nach Verbindung, Zugehörigkeit und Resonanzerfahrungen suchen. In Bachelorarbeiten untersuchen meine Student:innen z.B., welchen Beitrag hier etwa Slow-Events und Food-Events leisten für die zukünftige Entwicklung des Tourismus in einer Region. Aktuell forsche ich mit einer Kollegin zum Thema Minimalismus und Wohlbefinden, auch das wirft interessante Fragen für die Tourismus- und Eventbranche auf, z.B. wie eine zunehmend konsumbewusste und konsumkritische Gesellschaft in Zukunft reisen möchte oder welchen Stellenwert Erlebnisse einnehmen, wenn Besitz und Konsum an Bedeutung verlieren.

Prof. Dr. Susanne Doppler, Professorin für Eventmanagement & Tourismus, Hochschule Fresenius Heidelberg


Univ.-Prof. Dr. Cornelia Zanger, Head of Event Research, Executive Education MBAs & BSc Event/Messe/CRM, Chemnitz University of Technology
Univ.-Prof. Dr. Cornelia Zanger, Head of Event Research, Executive Education MBAs & BSc Event/Messe/CRM, Chemnitz University of Technology (Bild: Privat)

Künstliche Intelligenz

Beim Einsatz von KI in der MICE-Branche stehen wir noch am Anfang, die vielfältigen Möglichkeiten überhaupt zu erkennen und dann zu nutzen. Wir können uns neue Ansätze in der kreativen Arbeit bei der Konzeptentwicklung vorstellen. Aber auch die Bildgestaltung und Visualisierung kann neue Impulse erhalten und für die detaillierte Zielgruppenansprache für Veranstaltungen versprechen KI-basierte Algorithmen einen Qualitätssprung.

Intensiv diskutiert wird natürlich auch die Schaffung von artifiziellen Welten für die Teilnehmenden an Veranstaltungen (wie z.B. Metaverse). Hier bietet sich die Möglichkeit, eine virtuelle 3D-Welt zu schaffen, in der sich Menschen mittels Avataren völlig frei bewegen können – Erlebniswelten, in denen sich die Besucher:innen zwischen virtueller und physischer Realität befinden und in dieser Welt agieren können. KI macht den Besuch damit individuell und das Erleben persönlich.

Barrieren für eine schnelle Durchsetzung dieser neuen Technologien bestehen zurzeit im immens hohen Investitionsaufwand, dem Fehlen von Fachkräften und der noch geringen Akzeptanz bei klassischen Zielgruppen. Eine hohe Akzeptanz versprechen dagegen junge Zielgruppen aus dem Bereich der Gamer, die mit der Technik (VR-Brillen) gut vertraut sind.

Univ.-Prof. Dr. Cornelia Zanger, Head of Event Research, Executive Education MBAs & BSc Event/Messe/CRM, Chemnitz University of Technology


Prof. Stefan Luppold, DHBW (Duale Hochschule Baden-Württemberg) Ravensburg
Prof. Stefan Luppold, DHBW (Duale Hochschule Baden-Württemberg) Ravensburg (Bild: DHBW Ravensburg)

Authentizität

Authentizität wird unsere Branche mehr und mehr bestimmen – nicht als singulärer Trend, sondern als wichtige Dimension aller anderen Strömungen, Entwicklungen oder gar Moden der MICE-Branche. Egal, was wir betrachten: Wer tiefer blickt erkennt, dass die – gewollte oder zwingend notwendige – Echtheit dessen, was wir tun, immer wichtiger wird. Ob Destinationswahl oder Eventkonzept, ob Recruiting-Ansatz oder Personalentwicklung, ob Social-Media-Kampagne oder Corporate Social Responsibility – nur die Wahrhaftigkeit unseres Tuns und dessen Verhältnis zu unseren Versprechen zahlt ein auf den nachhaltigen Erfolg.

Klingt einfach, ist es aber nicht. Greenwashing und Konfettikanonen-Orgien sind meist einfacher zu organisieren als authentisches Handeln. Allerdings müssen wir das ändern, wenn wir Ziele erreichen wollen. Und darum geht es ja im MICE-Business!

Ich betreue jährlich rund 30 wissenschaftliche Arbeiten zu völlig unterschiedlichen Themen – immer mehr spielt dabei das Vermeiden Potemkinscher Dörfer und das Konstruieren ehrlicher Konzepte eine Rolle. Natürlich in der Live-Kommunikation, aber ebenso in anderen betriebswirtschaftlichen Disziplinen. Meine Wahrnehmung spiegelt sich wider im Verhalten unserer dualen Partner: Von den über 200 Unternehmen der Branche sind viele Agenturen oder Service-Dienstleister mit wachsender Erkenntnis ihrer eigenen Rolle, ihrer Kompetenzen und Stärken unterwegs in Richtung mehr Authentizität.

Bestätigt fühle ich mich in der Festlegung auf „Authentizität“ als wichtigen Trend für 2024 auch durch meine Arbeit in Kommissionen und Jurys: Wir alle erkennen doch viel rascher als noch vor Jahren das Künstliche in zwangshybridisierten Events, in pseudo-stylischen Catering-Ideen oder in zum Firmenjubiläum performenden Celebrities.

Verbände wie das GCB tun diese Erkenntnis ebenso kund – wenn es etwa darum geht, wohin Eingeladene überhaupt noch reisen werden: an authentische Orte!

Auch wenn „Authentizität“ schon länger – subkutan – ein Trend ist: In 2024 werden wir das deutlicher als bislang wahrnehmen können. Und verstehen!

Prof. Stefan Luppold, DHBW (Duale Hochschule Baden-Württemberg) Ravensburg


Prof. Dr. Bernd Schabbing, ISM International School of Management, Dortmund
Prof. Dr. Bernd Schabbing, ISM International School of Management, Dortmund (Bild: Privat)

Events heute: besonders, klein, fein

Erst hieß es während und direkt nach der Corona-Pandemie, das Neue Normal wäre hybrid. Mittlerweile wissen wir: Nein, es wird stattdessen kleiner, feiner, bunter, besonderer. Denn in den Experimentierjahren während Corona haben Eventbranche wie Auftraggeber und Kunden gelernt, was funktioniert ­– und was nicht. Das Ergebnis sind viel speziellere Planungen, Zielsetzungen und Umsetzungsvorstellungen – und Ziel- und Umsetzungsvorgaben – der Kunden. Und damit besonderere Events: wenn live, dann in SEL, kleiner, feiner, emotionaler, wirkungsvoller kreiert und inszeniert. Und wenn hybrid, dann „arbeits- und ergebnisbezogen“ ohne das Tamtam. Schließlich haben wir gelernt, dass bei hybrid immer eine Seite das Nachsehen hat – entweder die Live-Teilnehmenden oder die Zugeschalteten.

Ergebnis ist, dass man statt hybrid eben viel öfter gleich digital für alle macht (was auch wesentlich billiger ist) und so zumindest „gleiche Bedingungen für alle“ schafft. Damit bietet sich der Eventbranche noch stärker als bisher die Möglichkeit, maßgeschneiderte und exklusive Events zu kreieren; oder eben auch gut funktionierende, ausgereifte, digitale Angebote und Plattformen zu empfehlen und zu beleben. Vielfältig jedenfalls bleibt es so oder so. Und ohne Events geht es nicht – ob digital, live, oder ab und zu auch noch hybrid 😉

Prof. Dr. Bernd Schabbing, ISM International School of Management, Dortmund

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