Festakt am Brandenburger Tor

30 Jahre Mauerfall – Inszenierung von phase7 performing.arts

Zum 30. Jubiläum des Falls der Berliner Mauer hat phase7 performing.arts für die Kulturprojekte GmbH einen Festakt am Brandenburger Tor inszeniert. Vom Ende der deutschen Teilung wollte man an das Ende heutiger Grenzen und vor allem an die in den Köpfen der Menschen entstandenen Mauern appellieren.

30 Jahre Mauerfall(Bild: Lukas J. Herbers)

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Übersicht

Mauern – vom Früher ins Heute
Künstler, die für etwas einstehen
Kunstinstallation als besonderes Highlight
Nachhaltigeres Feuerwerk
Beteiligte Unternehmen


Ein Fuß im Westen, einer im Osten – als sei nie etwas gewesen vertreibt sich eine Familie die Wartezeit auf die große Show am Brandenburger Tor. Dort wo heute nur noch eine Steinlinie im Boden an den Verlauf der innerdeutschen Grenze erinnert, inszenierte Regisseur Sven Sören Beyer vom Berliner Künstlerkollektiv phase7 performing.arts für die Kulturprojekte Berlin GmbH am 9. November das 30. Jubiläum des Mauerfalls. Vor fünf Jahren war er bereits für die Inszenierung des 25. Jubiläums verantwortlich gewesen.

Regisseur Sven Sören Beyer vom Berliner Künstlerkollektiv phase7
Regisseur Sven Sören Beyer vom Berliner Künstlerkollektiv phase7 (Bild: Lukas J. Herbers)

„Die Kulturprojekte sind an uns herangetreten und wir haben im Juni mit den Planungen angefangen“, erklärt der Regisseur im Gespräch. Während der auf das Jubiläum zulaufenden Woche veranstaltete die Kulturprojekte GmbH bereits über die Stadt verteilte Events, die sich mit der ehemals innerdeutschen Teilung auseinandersetzten. „Wir wollten eigentlich an dieses dezentrale Konzept anknüpfen“, so Beyer. „Aus sicherheitstechnischen Gründen mussten wir die Veranstaltung dann aber letzten Endes ans Brandenburger Tor verlegen.“

Während man beispielsweise am Alexanderplatz nicht problemlos hätte abschätzen können, mit wie vielen Besuchern zu rechnen gewesen wäre und wie man mit den Zuschauerströmen umzugehen gehabt hätte, sei das Prozedere am Brandenburger Tor gelernt. Dank der dort regelmäßig stattfindenden Großevents kenne man sich mit den örtlichen Gegebenheiten und Anforderungen an die Sicherheit aus. Besondere Sicherheitsvorkehrungen mussten durch die Anwesenheit führender Politiker – darunter Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier als Redner, Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble – dennoch in Kauf genommen werden. So seien die Probenzeiten beispielsweise durch den Einsatz von Hundestaffeln im Voraus der Veranstaltung eingeschränkt worden, so Beyer. Der Zugang zum Areal fand für die Öffentlichkeit über vier Eingänge, jeweils seitlich der Doppelbühne über die Ebertstraße sowie an den Kreuzungen Große Querallee und Yitzhak-Rabin-Straße über die Straße des 17. Juni statt. Um die Besucherströme zu steuern, schloss die Polizei zeitweise die seitlichen Zugänge des auf 100.000 Besucher kalkulierten Geländes, vermeldete aber ansonsten keine nennenswerten Vorfälle.

30 Jahre Mauerfall Frank-Walter Steinmeier
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier während seiner Rede zum 30. Mauerfalljubiläum auf der Nordbühne am Brandenburger Tor. (Bild: Lukas J. Herbers)

Mauern – vom Früher ins Heute

„Im Kern ging es uns bei der Konzeption um die Aussage, dass es auch heute, 30 Jahre nach dem Fall der Mauer, immer noch darum geht, vor allem Mauern in den Köpfen abzubauen“, erklärt Beyer seinen Ausgangspunkt. Die logische Konsequenz sei die projizierte Weltkugel auf einer mit Gaze bespannten Halbkugel vor dem Brandenburger Tor gewesen. Die Position der flankierenden Rundbogenbühnen rechts und links des Brandenburger Tors in Richtung Straße des 17. Juni ergebe sich aus den lokalen Gegebenheiten unter Berücksichtigung von Rettungswegen aber auch beispielsweise der nahegelegenen US-Amerikanischen Botschaft und boten zusammen mit der Projektionskugel 80 Meter bespielbare Bühnenbreite. „Zusammen mit den Videowänden rechts und links der Bühnen haben wir dann ein Video-Pentaptychon gebaut.“

Zwischen den links und rechts des Brandenburger Tors platzierten Bühnen wurde ein Projektionsdom errichtet.
Zwischen den links und rechts des Brandenburger Tors platzierten Bühnen wurde ein Projektionsdom errichtet. (Bild: Lukas J. Herbers)

Der Content für dieses Pentaptychon generierte phase7 zu großen Teilen im Voraus selbst. Während die Staatskapelle Berlin unter der Leitung von Daniel Barenboim die 5. Sinfonie von Ludwig van Beethoven spielte, waren beispielsweise historische Aufnahmen aus der Geschichte der Berliner Mauer zu sehen. Hajo Rehm von der zu phase7 gehörenden Berliner Designschmiede studio eigengrau verweist dafür auf die besondere Sorgfaltspflicht, die beim Umgang mit solchem Material gelten muss: „Wir haben hier beispielsweise eng mit Tom Sello, dem Beauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur im Land Berlin, zusammengearbeitet.“ Im Hinblick auf die von u.a. Volker Beck im Nachhinein als unangemessenen Vorwurf gegen Israel kritisierte kurze Präsentation des Schriftzugs „Schluss mit der Besatzung“ auf Hebräisch fühlt sich Regisseur Beyer missverstanden. „Ich habe das natürlich gesehen und mit dem Künstler darüber Rücksprache gehalten. In der Szene wurden die Women in Black gezeigt, die u.a. den Aachener Friedenspreis bekommen haben. Uns ging es in der Zusammenstellung um die Würdigung von friedlichem Protest im Kontext des Mauerfalls als Revolution ohne Waffengewalt.“

30 Jahre Mauerfall Moderatoren: Anna Loos und Jochen Breyer führten durch den Abend.
Anna Loos und Jochen Breyer führten durch den Abend. (Bild: Lukas J. Herbers)

Daran, dass der 9. November in Deutschland nicht nur für das Ende der innerdeutschen Grenze steht, sondern auch für die Novemberprogrome 1938 gegen Juden in Deutschland und Österreich, erinnerte nicht nur Volker Becks Kritik im Nachgang zur Veranstaltung, sondern auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Neben dem Bundespräsidenten eröffneten Berlins regierender Bürgermeister Michael Müller und Marianne Birthler als ehemalige Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik die Veranstaltung mit Redebeiträgen, eingerahmt von Musikbeiträgen von Dirk Michaelis, Trettmann und Die Zöllner sowie dem Moderatorenduo Anna Loos und Jochen Breyer. „Die beiden stellen eine Parität in der Moderation her, zwischen einer Ostgeflüchteten und einem Westler, der eigentlich schon fast zu jung ist, um von dem Thema betroffen zu sein“, erklärt Beyer die Auswahl seiner Moderation.

Mit dem mittigen Projektionsdom und den das Brandenburger Tor säumenden Nord- und Südbühnen standen Trettmann und den übrigen teilnehmenden Künstlern 80 Meter Bühnenbreite zur Verfügung.
Mit dem mittigen Projektionsdom und den das Brandenburger Tor säumenden Nord- und Südbühnen standen Trettmann und den übrigen teilnehmenden Künstlern 80 Meter Bühnenbreite zur Verfügung. (Bild: Lukas J. Herbers)

Künstler, die für etwas einstehen

„Wir haben vor allem nach Künstlern gesucht, die eine Meinung haben. Trettmann zum Beispiel reflektiert mit ‚Grauer Beton‘ zum einen seine Geschichte in der DDR und spannt gleichzeitig mit ‚Stolpersteine‘ einen Bogen von der NS-Zeit zur Gegenwart. Zugezogen Maskulin wiederum vermitteln, dass man am Hedonismus erstickt, wenn man sich nicht den Problemen der Zeit stellt.“ Dass gerade polarisierende Künstler wie das Hip-Hop-Duo, das sich ohne den Mauerfall vermutlich niemals kennengelernt hätte und eigentlich in eine Zeit geboren wurde, in der die Trennung keine Rolle mehr spielen sollte, nicht durchweg gut im Publikum ankommen, sei kalkulierbar gewesen. „Wir haben versucht, dem Kessel Buntes durch unsere Erzählstruktur entgegenzuwirken“, führt der Regisseur weiter aus. „So sind wir vom Mauerfall zu heutigen Herausforderungen wie Flucht und den Folgen des Klimawandels gekommen.“ Die Bandbreite an vertretenen Künstlern sei bei einer Veranstaltung dieser Art natürlich wichtig, aber „man muss aushalten, dass Künstler, die man einlädt, dann auch das tun, wofür sie stehen.“

Die „Laser Harfe“ zusammen mit der SR & Company leitete vom offiziellen Programm in die Aftershow Party mit Westbam und dem DJane Duo aus Kikelomo und S Ruston von der No Shade Clubreihe und des DJ Trainingprogramms für weibliche, trans und nicht-binäre DJs in Berlin über.
Die „Laser Harfe“ zusammen mit der SR & Company leitete vom offiziellen Programm in die Aftershow Party mit Westbam und dem DJane Duo aus Kikelomo und S Ruston von der No Shade Clubreihe und des DJ Trainingprogramms für weibliche, trans und nicht-binäre DJs in Berlin über. (Bild: Lukas J. Herbers)

Erstaunt habe ihn, dass nicht nur während der Proben bereits rund 1.000 Leute vor der Bühne versammelt waren, sondern, dass auch am Showabend das Publikum immer drangeblieben sei. „Die Aufmerksamkeit während des Programms hat sich im Anschluss direkt auf die Party mit Westbam und unserem DJane-Duo aus Kikelomo und S Ruston von der No-Shade-Clubreihe und das DJ-Trainingsprogramm für weibliche, trans und nicht-binäre DJs in Berlin übertragen. Das hat uns sehr gefreut.“

Kunstinstallation als besonderes Highlight

Die hohe Zahl an Zuschauern während den Proben war wohl auch der Kunstinstallation „Visions in Motion“ geschuldet, die bereits in der Woche vor der Veranstaltung über der Straße des 17. Juni schwebte. Auf 150 Metern Länge hatte der US-amerikanische Künstler Patrick Shearn mit seinem Studio Poetic Kinetics 30.000 Wünsche von maximal 140 Zeichen Länge zu einem blauen Teppich verwoben, der in der Mitte auf das Brandenburger Tor zulaufend von einem gelben Streifen getrennt war. Auch während der bereits laufenden Kunstinstallation konnten weitere Wünsche online abgegeben werden, die dann dank Programmierung durch Grosse8 in Echtzeit auf der Domprojektion an der Bühne dargestellt wurden. „Auf den hinteren Teilen der Straße des 17. Juni ist es durch das Kunstwerk leider etwas zu eingeschränkter Sicht gekommen“, musste Sven Sören Beyer feststellen. Nach den statischen Berechnungen habe man aber leider nicht weiter in die Höhe bauen können, da in den entsprechenden Kreuzfundamenten für die seitlichen Stützen der Abspannung bereits bis zu 60 Tonnen Ballast eingeladen waren. Verantwortlich für die Errichtung der Kunstinstallation war Nawrocki Alpin.

Die Kunstinstallation „Visions in Motion“ des US-amerikanischen Künstlers Patrick Shearn bestand aus 30.000 Wünschen die in den Vorwochen gesammelt und dann ab dem 4. November als 150 Meter langer Teppich über der Straße des 17. Juni gespannt wurden.
Die Kunstinstallation „Visions in Motion“ des US-amerikanischen Künstlers Patrick Shearn bestand aus 30.000 Wünschen die in den Vorwochen gesammelt und dann ab dem 4. November als 150 Meter langer Teppich über der Straße des 17. Juni gespannt wurden. (Bild: Lukas J. Herbers)

Nachhaltigeres Feuerwerk

Als besonders geglückt empfand Beyer das Feuerwerk hinter dem Brandenburger Tor als Übergang von der eigentlichen Veranstaltung zur DJ-Party. „Menschen lieben Feuerwerk, da muss man die Balance finden in einer Zeit, in der hunderte Städte überlegen, sowas zugunsten des Umweltschutzes zu verbieten.“ Übliches Prozedere an dieser Stelle sei ein Höhenfeuerwerk vom Tiergarten aus. Man habe es allerdings geschafft, die Behörden von einem Feuerwerk aus T1 und T2, also Indoor-Effekten überzeugen zu können, die in niedriger Höhe direkt hinter dem Brandenburger Tor gezündet werden durften. „Das macht einen enormen Unterscheid, was man da an Verschmutzung freisetzt“, ist sich Beyer sicher. „Und so haben wir das Brandenburger Tor nochmal besser in Szene gesetzt als mit einem Feuerwerk am Himmel, das die meisten Leute nicht einmal richtig hätten sehen können.“ Und wo vor 30 Jahren jeder nur noch raus wollte, hieß es dieses Mal „Wir wollen rein! Wir wollen rein!“ als der Bühnenraum wegen Überfüllung kurzzeitig gesperrt werden musste.

Regisseur Sven Sören Beyer konnte die Behörden statt eines Höhenfeuerwerks über dem Tiergarten von kleinen Effekten hinter dem Brandenburger Tor überzeugen, um ein schlüssigeres Gesamtbild zu erzeugen und die Umwelt zu schonen.
Regisseur Sven Sören Beyer konnte die Behörden statt eines Höhenfeuerwerks über dem Tiergarten von kleinen Effekten hinter dem Brandenburger Tor überzeugen, um ein schlüssigeres Gesamtbild zu erzeugen und die Umwelt zu schonen. (Bild: Lukas J. Herbers)

Beteiligte Unternehmen

  • Regie: phase7, Sven Sören Beyer,
  • Projektleitung: phase7, Liza Wiegand
  • Lichtdesign: Flo Erdmann, Sven Sören Beyer
  • Gesamtproduktion: Kulturprojekte GmbH
  • Bühnenbau: Megaforce Bühnen- und Veranstaltungstechnik GmbH
  • Gerüstbau: Stageco Deutschland GmbH
  • Errichtung der Kunstinstallation: Nawrocki Alpin
  • Planungsbüro und ausschreibungsverantwortlich: IVV
  • Content: phase7, Studio Eigengrau, Assaf Etiel, Till Vanish
  • Tanz: Lydia Klement, SR Company
  • Schauspielregie: Gutav Rueb
  • Kostüme: Pedro Richter
  • Real Time Online Content: Grosse8
  • Licht, Ton, Video: PRG
  • Pyrotechnik: Potsdamer Feuerwerk Vertriebs GmbH

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