Messen & Ausstellungen

Nachhaltigkeit bei Sonderbauten

Früher bzw. bislang war Messebau, insbesondere für Sonderprojekte wie Museen und Ausstellungen, eine „Einmal-Sache“ mit Wegwerfcharakter – die meisten Projekte landeten nach Ablauf ihrer Zeit im (Sonder-)Müll. Wir haben bei Dienstleistern nachgefragt: Inwiefern sehen Sie Chancen oder gar die Notwendigkeit, dass Sonderbauten künftig recycelt oder wiederverwendet werden? Welche Möglichkeiten finden hier bereits Anwendung?

Berlin Global facts and fiction(Bild: Andreas Keller)

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Klaus Zittrich, Geschäftsführer Amecko GmbH

Das Thema Nachhaltigkeit im Messebau ist schon seit Jahrzehnten präsent. Es wird aber, wie in allen Lebensbereichen, immer wichtiger. Trotz der zunehmenden Belastung unseres Lebensraumes ist ein innovativer, kostenattraktiver Markenauftritt oft wichtiger als dessen Nachhaltigkeit – auch wenn es die Einkaufsprozesse vieler Unternehmen eigentlich vorschreiben. Dabei muss dies kein Widerspruch sein.

Klaus Zittrich
Klaus Zittrich (Bild: Amecko Studio Steve)

Amecko entwickelt immer mehr modulare Standkonzepte für vielfältige Wiedereinsätze von langfristig angelegten Markenkonzepten im Raum. Maßgeschneiderte Baukastensysteme benutzen Wände, Böden, Theken, Counter, Möbel usw. so lange, bis sie starke Gebrauchsspuren haben oder Teile davon ein zeitgeistiges Facelift erfahren sollen; denn die vielfache Wiederverwendung ist das Nachhaltigste, was der Messebau zu bieten hat. Der Anspruch unserer Kunden auf innovative, technische Kommunikationsmittel wird durch bedarfsgerechte Individualkonzepte und die Miete von Hightech-Komponenten erfüllt. Auch bei der Wahl der Werkstoffe, die sich schneller verbrauchen, sollte intensiv auf „Green Line Materials“ geachtet werden. Auch durch den Weiterverkauf von ausgemustertem Mobiliar und Sonderbauten wird diesen ein zweites, oder drittes Leben geschenkt. Das Internet bietet dafür viele etablierte Verkaufsplattformen.

Und das ist nur ein Anfang. Die Branche muss viele weitere, innovative Lösungen suchen und finden, um den Messebau umweltfreundlicher zu gestalten. Um die Nachhaltigkeit in unserer Branche fest zu etablieren, braucht es nicht nur Einzelkämpfer, sondern ein stetiges, langfristiges, solidarisches Gemeinschaftsprojekt. Zukünftig müssen Messestandorte, Veranstalter und deren Kunden sowie Ausstatter noch viel enger und vor allen Dingen zusammen an Lösungen arbeiten – und zwar schnellstmöglich aus Überzeugung!


Felix Hansen, Geschäftsführer Simple

Vom Ende her den Prozess neu denken. Das ist unser kreativer Weg im Spannungsfeld von nachhaltigem Bauen, Budget und Brandschutz. Durch den intelligenten Einsatz vorhandener Mittel erschaffen wir immer wieder neue Raumbilder und kommunikative Flächen.

BMEL IGW 2019(Bild: Martin Müller)

Wir haben das in mehr als zehn Jahren mit Messeauftritten auf der Grünen Woche bewiesen: von der Teppichfliese aus Recyclat über die wiederverwendbare Unterkonstruktion aus heimischer Holzproduktion bis zu den Oberflächen, die jedes Mal neu lackiert und beklebt und am Ende ihres mehrmaligen Einsatzes zu Verpackungskisten verarbeitet wurden. Aber nachhaltige Materialien, das Up- und Downcycling zeigen nur eine Facette des Neudenkens. Bei unserem ganzheitlichen Ansatz vermeiden wir Verbundstoffe, nutzen energiesparende Technik und optimieren die Transportwege.

In Zukunft müssen wir uns bei jedem Entwurfsprozess der Frage stellen: Wo ist noch weniger mehr, und wo gelingt es uns, trotz maßgeschneiderter Lösungen die Materialkreisläufe zu schließen? Denn Wegwerfen ist nie nachhaltig.


Stephan Haida, Geschäftsführer Artlife GmbH

Die Krux steckt schon in der Bezeichnung – Sonderbauten sind nun mal Spezialanfertigungen, die für einen bestimmten Kunden für einen bestimmten Anlass konzipiert und gefertigt werden. Diese an anderer Stelle wiederzuverwenden ist also per se schwierig.

Stephan Haida
Stephan Haida (Bild: aha fotomanufaktur)

Auf das Thema Upcycling ist unsere Branche allerdings schon allein aufgrund der aktuellen Materialpreise und -Verfügbarkeiten angewiesen, und ich kenne keinen Kollegen, der nach einem Einsatz noch achtlos mit diesen Ressourcen umgeht.

„Cradle-to-cradle“-Konzepte sind nicht von ungefähr in aller Munde. Auch wenn wir das Prinzip in seiner Grundidee absolut unterstützen, so müssen wir aber doch bei jedem Projekt individuell abwägen, ob wir den durch den Kunden geforderten kreativen Anspruch auch in Verbindung mit unseren Bestrebungen in Sachen Nachhaltigkeit noch erfüllen können.

Meine persönliche Wahrnehmung ist, dass wir als Branche schon deutlich weiter sind als die meisten unserer Kunden. Aber nur gemeinsam mit unseren Kunden können wir wirklich was bewegen. Deshalb: Erst wenn bei unseren Auftraggebern der Wunsch nach nachhaltigen Projekten tatsächlich größer ist als der damit verbundene Aufwand und höhere Kosten, wird echte Nachhaltigkeit zur Realität.


Dirk Bachmann-Kern, CEO und Gründer Studio Bachmannkern

Sonderbauten sind besser als ihr Ruf. Sie können über mehrere Jahre auf der gleichen Messe eingesetzt werden oder mit entsprechender Skalierung auf anderen Messen. Wir arbeiten schon lange so, dass Elemente oder ganze Stände wiederverwendet werden, und beraten unsere Kunden entsprechend.

Recaro Studio Bachmannkern(Bild: Markus Schwalenberg Fotografie)

Für RECARO Aircraft Seating haben wir gerade einen Stand konzipiert und umgesetzt, der mindestens noch vier weitere Male eingesetzt wird. Die perfekte Symbiose von Kundenwunsch und unserem Selbstverständnis. Wesentliche Elemente wie Fassade, Konstruktion und Möbel werden zu 100% wiederverwendet. Damit liegen wir „trotz“ Sonderbau bei einer Wiedernutzungsquote von 75 bis 80%.

Generell sind aber Transporte viel entscheidender als das Material. Unterm Strich macht es dann mehr Sinn, zum Beispiel einen lokalen Messebauer zu nehmen, statt den Stand um die halbe Welt zu verschiffen. Außerdem denken wir besonders bei der Entwicklung von Exponaten und Kommunikationsflächen stark interaktiv und medial, so dass nur der Content neu produziert werden muss, weil die Hardware immer wieder nutzbar ist.

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