Freiheit versus Sicherheit

Pro & Contra: Videoüberwachung bei Großveranstaltungen

Videoüberwachung – für die einen adäquates Mittel, um die Sicherheit von Veranstaltungsteilnehmern zu erhöhen, für die anderen der Inbegriff von Freiheitsberaubung. Einen Mittelweg scheint es für Kritiker und Befürworter oft nicht zu geben. Was spricht für, was gegen die Videoüberwachung bei Großevents? Sicherheitsfachmann Sven Hansen und padeluun, Gründungsmitglied von Digitalcourage e.V., stehen sich in unserem Pro & Contra gegenüber.

Videoüberwachung-Videokamera-Sicherheit(Bild: Pexels)

Wer nichts zu verbergen hat, muss sich vor einer Videoüberwachung doch nicht scheuen. Dieses zynische Argument wird gerne gegen die besorgten Aufrufe von Datenschützern und Freiheitsliebhabern eingebracht. Diese ihrerseits warnen vor dem gläsernen Bürger und stellen in Frage, ob Privatsphäre bereits hinter der eigenen Wohnungstür aufhört. Doch Videoüberwachung im Veranstaltungskontext wird nicht nur für die potenzielle Aufklärung von Straftaten genutzt. Insbesondere bei der Koordinierung und Lagebeurteilung für die Steuerung der Sicherheits- und Rettungskräfte spielen Videokameras eine immer wichtigere Rolle. Befürworter argumentieren sogar, dass Überwachungskameras zur Verbesserung des Sicherheitsgefühls der Besucher beitragen würde. Kritiker hingegen sehen in den Kameras einen Eingriff in die freie Entfaltung der Persönlichkeit.

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Sven Hansen, Geschäftsführer der Event Safety Consult GmbH & Co. KG, und padeluun, Gründungsmitglied von Digitalcourage e.V., ein Verein, der sich u.a. für Informationsfreiheit und Datenschutz einsetzt, diskutieren die Vor- und Nachteile einer Videoüberwachung auf Großevents.

Pro: Gefahren bereits vor der Entstehung vermeiden

sven hansen
Sven Hansen (Bild: Event Safety Consult )

Sven Hansen, Geschäftsführer Event Safety Consult GmbH & Co. KG

Bei der Durchführung von Großveranstaltungen entstehen erhebliche Sicherheitsrisiken. Gerade deshalb ist Videoüberwachung ein immer öfter eingesetztes Instrument der Veranstaltungssicherheit, um Restrisiken effizient zu reduzieren. Die Überwachung mit Kameras verschafft einen besseren Gesamtüberblick zur fundierten Beurteilung von kritischen Passagen oder Besucherdichten. In Echtzeit bietet sie weiterhin entscheidende Vorteile bei der Kontrolle von großen Besuchermengen (Crowd Controlling) und ermöglicht eine kurze Reaktionszeit bei sich anbahnenden kritischen Situationen, z.B. bei zu schnell anwachsenden Besuchermengen oder Störungen im Besucherbereich. Notwendige Gegenmaßnahmen können dadurch so frühzeitig eingeleitet werden, dass mögliche Störungen des Veranstaltungsablaufes unterbunden werden können. Richtig eingesetzt, kann daher die Videoüberwachung dabei helfen, Gefahren bereits vor ihrer Entstehung zu vermeiden und dadurch erheblich zur Sicherheit der Besucher und der Durchführung einer sicheren Veranstaltung beizutragen.

Wie bei kaum einer anderen Sicherheitsmaßnahme stehen sich beim Einsatz einer Videoüberwachung stark gegensätzliche Interessen gegenüber: Einerseits das Sicherheitsinteresse des Veranstalters und andererseits die Persönlichkeitsrechte der Besucher. Diese gilt es deshalb im Einzelfall abzuwägen und jeweils gültige Vorgaben zum Datenschutz sowohl bei der Systemkonfiguration als auch bei der organisatorischen Umsetzung zwingend zu beachten.

Generell gilt aber, dass der Einsatz von Videoüberwachung einer rechtlichen Grundlage bedarf und vom Veranstalter auf das notwendige Maß beschränkt werden sollte. D.h. Nahaufnahmen von Besuchern sollten etwa vermieden und nur im Ernstfall vereinzelt, je nach Systemmöglichkeiten, durchgeführt werden. Das Speichern von Aufnahmen ist für eine Live-Überwachung ebenfalls nicht unbedingt notwendig, kann aber bei erhöhten Risiken wie möglichen Diebstählen oder auch zur Dokumentation von Straftaten oder Schadensfällen herangezogen werden. In jedem Fall ist es Vorschrift, auf eine Videoüberwachung deutlich hinzuweisen, die datenverarbeitende Stelle zu benennen und soweit erforderlich, eine Freigabe durch die verantwortliche Behörde einzuholen. Durch den Einsatz und das Skalieren einer Videoüberwachung an das Gefährdungspotenzial einer Veranstaltung lassen sich Schutzziele und Datenschutzanforderungen in Einklang bringen.

Contra: Gastgebertum statt Videoüberwachung

padeluun | Foto: Mario Sixtus | Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE

padeluun, Gründungsvorstand Digitalcourage e. V., hat in belebten Innenstädten schon viele Großveranstaltungen (zuletzt mit einer viertel Million Menschen) organisiert

Videoüberwachung? Eben wurde im Autoradio noch offiziell vor der Hitze gewarnt und man solle genug trinken. Angekommen am (mit grünen Polizeibullis zugeparkten) Olympiastadion wartet der Realitätsabgleich: Da stehen dutzende Menschen in Security-Westen, kramen in den Taschen der Besucherinnen und Besucher und fischen Plastikflaschen mit Wasser raus. „Aus Sicherheitsgründen“, heißt es. Drinnen dauert es 30 Minuten, bis man am Getränkestand einen Hartplastik-Becher Wasser kaufen kann. „Warum?“ „Um ein Massaker zu verhindern“, ist die Antwort. „Ein Plastikflaschenmassaker?“

Das Sicherheitsproblem hier ist, dass Besucherinnen gerne legitim ausrasten und den Angestellten „völlig zu Recht“ was auf die Nase geben wollen (und dann niedergerungen würden). Diese Pest, dass bei jeder noch so erbärmlichen Veranstaltung „aus Sicherheitsgründen“ sich die Gäste erst Demütigungsritualen unterwerfen müssen, hat sich ausgebreitet. Jede Veranstaltung wird zum Selbstdarstellungsfeiertag für „Sicherheitstrolle“. Mit der schmierigen Message „Sie wollen doch nicht schuld sein, wenn etwas™ passiert …“ drängen sie sich allen Veranstaltern auf, die resigniert dieses Sicherheitstheater akzeptieren und ins Budget einkalkulieren. Wohl wissend, dass das ihren Veranstaltungen nicht guttut; während Bands auf der Bühne von Freiheit singen, die Events selbst eine Werbeveranstaltung für repressive paternalistische Autoritätssysteme sind. Und das ganze Sicherheitstheater zudem paradoxer Weise Sicherheit gefährdet.

Zynisch könnte man formulieren, dass Videoüberwachung hier helfen könnte. Die ist nämlich genauso nutzlos, aber viel billiger und weniger invasiv. Man spart Dutzende Security-Hanseln ein. Der Oberhansel darf dann halt mit ein paar Monitoren und Knöpfchen allwissenden Gott spielen und man hat „alles getan“ und seine Ruhe. Allerdings: Falls wirklich etwas passiert, ist niemand da, der schnell etwas tun kann. Denn noch nie hat sich eine Videokamera zwischen Angreifer und Opfer geworfen.

Nein, jetzt mal im Ernst: Lassen Sie die Videobewaffnung stecken und treten Sie Ihren Gästen als Gastgeberin oder Gastgeber gegenüber. Investieren Sie in freundliche Stewardessen und Stewards auf dem Gelände, die Gästen helfen, sich zu orientieren. Wenn diese einen (Schnell-)Kurs absolviert haben, in dem sie aus dem veranstaltereigenen Erfahrungsschatz mit kritischen Situationen lernen, Gästen echte Freundlichkeit schenken, wenn Sie eine gut geführte Funkzentrale und ein, zwei erfahrene Supervisoren im Feld haben – dann sind Sie ein guter Veranstalter und Gastgeber. Ansonsten sind Sie halt auch nur ein Würstchen, das mit Veranstaltungen ein bisschen Geld macht.

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