Umfragen zu Arbeitsbedingungen, Fachkräftemangel und -bindung

HR- und Gehaltsreport 2022: Attraktive Eventbranche – und nun?

Sind die Arbeitsbedingungen in der Eventbranche wirklich so schlecht, wie ihnen der Ruf vorauseilt? Wie lässt sich das Image polieren, um Fachkräfte anzulocken? Aufschluss gibt die HR- und Gehaltsstudie 2022 des R.I.F.E.L.-Instituts.

Kunde_Bewerber_Branchenattraktivität(Bild: Shutterstock/Andrey Popov)

Der Veranstaltungssektor ist der sechstgrößte Wirtschaftszweig in Deutschland – und mit der ausdauernden Lobbyarbeit ab 2020 ist diese Information bis in die Politikerriege durchgedrungen. Was erst existenziell rettend war, hat dann die finanziellen Einbußen und die Abwanderung von Fachkräften in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Nun muss die Branche wieder – oder überhaupt – attraktiv für neue Mitarbeiter:innen werden. Noch bevor Kommunikationsmaßnahmen das Image auffrischen, sollen die Ergebnisse der „HR- und Gehaltsstudie 2022 zur deutschen Veranstaltungswirtschaft“, ein Projekt der fwd: Bundesvereinigung Veranstaltungswirtschaft und des Research Institute for Exhibition and Live-Communication (R.I.F.E.L.), zu mehr Transparenz verhelfen.

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365 Eventagenturen, Messebauunternehmen und Eventabteilungen in Unternehmen hatten von August bis Oktober 2022 an besagter Online-Befragung teilgenommen. Inzwischen sind die Ergebnisse ausgewertet mit dem Fazit: Die Eventbranche sei nach Corona wieder attraktiv für Fach- und Führungskräfte sowie Neueinsteiger:innen. Sie zeichne sich durch ein gutes Gehaltsniveau, eine hohe Flexibilität und zahlreiche attraktive Nebenleistungen aus.


Übersicht

Arbeitszeitmodelle und Nebenleistungen

Event-Jobs bei Corporates vs. Messebau und Agentur

Gehälter im Branchenvergleich

Ausgleich von Überstunden

Altersniveau und Frauenanteil

Basis- und Imagearbeit

GWA- und Hays-Umfragen zu Fachkräftemangel und Mitarbeiterbindung


Flexible Arbeitszeitmodelle und attraktive Nebenleistungen

„Im bundesweiten Vergleich stehen wir in puncto Arbeitsbedingungen als Wirtschaftszweig nicht so schlecht da wie angenommen“, sagt Jörn Huber, ehemaliger langjähriger Vorstandsitzender des fwd: und Gründer und CEO von ottomisu communication. Optimierungspotenzial – z.B. in Bezug auf Diversität – sieht er zwar, aber auch Nebenleistungen, die in anderen Branchen teils nicht erfüllt würden. So bietet ein Großteil der befragten Unternehmen laut der Studie flexible Arbeitszeitmodelle (91,6%) an sowie die Option zum Homeoffice (84,7%) und Nebenleistungen wie Diensthandy (78%), Weiterbildungsmöglichkeiten (72%), Mitarbeiterevents (67,4%), betriebliche Altersvorsorge (59,8%), Firmenfahrzeug (53%) oder -fahrrad (37,9%), Parkmöglichkeiten (72%), Coaching (30,3%), ÖPNV-Monatskarten (27,3%) und BahnCards (21,2%). Weniger häufig berücksichtigt würden – nämlich von 18,9% – die Ansprüche an Barrierefreiheit. Kinderbetreuung werde von 10,6% der Unternehmen angeboten.

Diese Nebenleistungen bieten Eventagenturen, Messebauunternehmen und Eventabteilungen in Unternehmen laut des HR- und Gehaltsreports 2022 an. (Bild: fwd: Bundesvereinigung Veranstaltungswirtschaft, Research Institute for Exhibition and Live-Communication (R.I.F.E.L.))

Aus einer Job-Studie von StepStone, an der im September und Oktober 2020 28.000 Fach- und Führungskräfte in Deutschland teilgenommen hatten, geht wiederum hervor, dass die branchen- und generationsübergreifend wichtigsten Benefits für Mitarbeiter:innen neben Gehalt und Jobsicherheit Familienfreundlichkeit, flexible Arbeitszeiten und eine hohe Work-Life-Balance seien. Letztere wird in der R.I.F.E.L.-Umfrage nicht berücksichtigt. (Weitere Studien betrachten wir weiter unten.)

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Event-Jobs bei Corporates vs. Messebau und Agentur

Mit dem beschriebenen Spektrum an Nebenleistungen stellen Eventagenturen und Messebauunternehmen ihren Beschäftigten gemäß der Online-Erhebung wesentlich mehr Benefits als Eventabteilungen in der Industrie bereit. Doch woher kommt dann die gemeinhin (subjektive) Wahrnehmung, dass Event-Jobs auf Corporate-Seite die besseren Arbeitsbedingungen bieten? Huber meint, sie sei aus der Historie entstanden und habe sich über Jahre unverändert weitergetragen. „Im Gehaltsbereich sind die Unterschiede laut der Studie allerdings weniger groß“, sagt er. Dienstleister und Kund:innen würden heute eher auf Augenhöhe arbeiten als früher.

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Gehälter liegen im bundesweiten Durchschnitt

Laut der Studie liege das Gehaltsniveau innerhalb der Veranstaltungsbranche teilweise etwas über dem bundesdeutschen Durchschnitt (z.B. bei Lagerleiter:innen, Office- und Account-Manager:innenn) oder knapp darunter (z.B. Consultants, Marketing- und HR-Manager:innen). Im Vergleich zum Vorkrisenniveau fielen jetzt die Gehälter höher aus: Die Auszahlungen der befragten Unternehmen seien an Projektmanager:innen um 8,9%, an Consultants um 7,3%, an Office-Manager:innen um 9%, an Facharbeiter:innen in der Fertigung um 7,5% und an Lagerleiter:innen um 7,1% gestiegen. Die Gehälter in Zahlen sind nur nach Kauf der R.I.F.E.L.-Studie oder für Befragungsteilnehmer:innen einsehbar.

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Überstunden sind notwendig und auszugleichen

Gerade Live-Phasen erforderten im Eventsektor i.d.R. Mehrarbeit, erklärt Huber. Nach intensiven Projektphasen läge es an Unternehmen, Überstunden auszugleichen und Erholungszeiten zu ermöglichen, was im Projektgeschäft bei guter Ressourcenplanung i.d.R. auch umsetzbar sei. Viele Unternehmen würden dies so praktizieren – mehrwöchige Sabbaticals während der veranstaltungsschwächeren Monate seien nicht selten, besonders bei Freelancern, so Huber.

Und auch aus der Online-Erhebung geht hervor, dass 81% der befragten Unternehmen Überstunden ausgleichen – 54,8% über eine finanzielle Vergütung, 31% über vertraglich geregelte Pauschalvergütungen und 11,1% über sonstige Formen der Abgeltung wie z.B. Sonderurlaub. Die flexiblen Arbeitsbedingungen und Homeoffice-Angebote wären wertvolle Assets, um Mitarbeiter:innen die Chance zu geben, ihre Stunden selbstbestimmt abzubauen, sagt Huber.

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Junger und weiblicher Wirtschaftszweig

Die Studie besagt auch, dass der Eventbereich ein vergleichsweise junger Wirtschaftszweig sei. Der Altersdurchschnitt betrage bei den befragten Unternehmen 38,5 Jahre. Am jüngsten sind demnach die Beschäftigten von Eventabteilungen in der Industrie (37,3 Jahre) und Agentur-Mitarbeiter:innen (37,5 Jahre). Bei Messebauunternehmen liege der Alterstdurchschnitt bei 40,5 Jahren. Die branchenweite durchschnittliche Betriebszugehörigkeit betrage bei den befragten Unternehmenstypen 9,9 Jahre. Wertvoll sei, so Huber, der hohe Frauenanteil in Führungspositionen. Bei Eventagenturen liege er bei 37,5%. Messebauunternehmen hätten mit einem Anteil von 22,9% und Eventabteilungen von Unternehmen mit 24% einen Nachholbedarf.

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Basis- und Imagearbeit braucht Mitgliederzuwachs

Event-Unternehmen hätten mithilfe der Ergebnisse jetzt die Chance, ihre eigenen Benefits im Gesamtdurchschnitt einzuordnen und zu verbessern, sagt Huber. Auf den positiven Ergebnissen dürfe man sich nicht ausruhen und an vielen Stellen gäbe es noch Nachhol- und Entwicklungspotenzial, „denn die anderen Branchen, mit denen man im Wettbewerb steht, schlafen nicht!” Auch müsste die Attraktivität des Wirtschaftszweiges noch stärker nach außen kommuniziert werden. Konkrete Handlungsempfehlungen gibt es von fwd: und R.I.F.E.L. bislang noch nicht. Erst mal stünde die zweite Forschungsphase bevor. Sie soll Daten zu den Branchenbereichen Location, Catering, Technik, Ausstattung und IT liefern.


Appell an die Eventbranche

Porträt Jörn Huber_ottomisu
Jörn Huber (Bild: ottomisu communication)

„Wir haben durch Corona eine Bekanntheit erlangt, aber nicht unbedingt eine Positive. Wer schickt sein Kind in eine Branche, der es schlecht geht? Und genau daran müssen wir arbeiten – gemeinsam.“

Jörn Huber, ehemaliger langjähriger Vorstandsitzender des fwd: und Gründer und CEO von ottomisu communication


Huber ist der Meinung, jeder müsse seinen Teil beitragen zu einem System, dem er selbst angehöre, und um Studien zu finanzieren oder Basisarbeit zu leisten, z.B. an Schulen und Universitäten, bräuchte es noch mehr Menschen, die sich in Verbänden engagierten.

„Wir haben gerade in der Pandemie gelernt, wie wichtig es ist, eine gute Zahlenbasis für die Argumentation zu haben und sich zusammen zu schließen. Wenn die Branche hier keine 180-Grad-Kehrtwende im Mindset schafft, wird sie sehr schnell wieder auf dem gesellschaftlichen und politischen Abstellgleis landen.” Und das wäre schade um die in der Pandemie aufgebaute Relevanz, meint Huber.

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Umfragen zu Fachkräftemangel und Mitarbeiterbindung

Neben der HR- und Gehaltsstudie 2022 zur deutschen Veranstaltungswirtschaft geben z.B. der “GWA Frühjahrsmonitor 2022” und der “HR-Report 2022 – Organisationen unter Druck” der Personalberatung Hays einen Überblick über die Maßnahmen, mit denen branchenweit Unternehmen und Agenturen dem Fachkräftemangel begegnen und versuchen, Mitarbeiter:innen zu halten und zu gewinnen.

GWA Frühjahrsmonitor 2022:

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Diese Maßnahmen planen, erwägen oder setzen GWA-Agenturen laut des GWA Frühjahrsmonitor 2022 um, um Beschäftigte zu halten. (Bild: GWA)

Als ursächlich für den Fachkräftemangel in Agenturen sehen die im Rahmen der Umfrage zum Frühjahrsmonitor befragten Agenturen des Gesamtverbands Kommunikationsagenturen GWA e. V. vor allem die Unbekanntheit und das Image der jeweiligen Branche (73%). Weitere Gründe seien die Attraktivität von Wettbewerbern wie Start-ups (63%), die vergleichsweise niedrigen Einstiegsgehälter (63%) und der Nachwuchsmangel (48%). Beim Recruiting setzten die Umfrage-Teilnehmer:innen insbesondere auf die Ausweitung des Hochschulmarketings (49%) und die verstärkte Ansprache von Mitarbeiter:innen anderer Branchen (49%) sowie Ehemaligen (35%). Um Beschäftigte zu halten, böten sie mehrheitlich die Option des Homeoffice und mobilen Arbeitens (96%) an sowie flexible Arbeitszeiten (92%) und regelmäßige Weiterbildungen (88%). 58% der befragten GWA-Agenturen brächten ein Budget für Recruiting auf, 21% investierten in Hochschulmarketing und 40% stellten ein institutionalisiertes Personalentwicklungsprogramm bereit.


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Im Artikel “Employer Branding in der MICE- und Eventbranche” geben wir einen allgemeinen Einblick in das Thema Arbeitgebermarkenbildung – hin zu einem guten Image. Input zu konkreten Employer-Branding-Maßnahmen gibt es unter  “Wie gewinnt man Mitarbeitende (in der Eventbranche)?” und über die Möglichkeiten, Arbeitskräfte langfristig ans Unternehmen zu binden, lesen Sie hier: “Mitarbeiterbindung in der Eventbranche”.


Hays HR-Report 2022 – Organisationen unter Druck:

Hays-HR-Report-2022_Massnahmen-und-Instrumente-zur-Mitarbeiterbindung
Diese Maßnahmen und Instrumente zur Mitarbeiterbindung sind Entscheider:innen in Unternehmen laut des Hays HR-Report 2022 wichtig, oder werden von ihnen bereits umgesetzt. (Bild: Hays)

Die Beantworter:innen des HR-Report 2022 von Hays reagierten auf die Personalknappheit vor allem mit Neueinstellungen (39%) – was jedoch vor dem Hintergrund des Mangels an Fach-, Arbeits- und Nachwuchskräften laut Hays nur eingeschränkt möglich sein dürfte. Ein Drittel plane, Prozesse effizienter zu gestalten und 29% setzten auf Mitarbeiterbindung. Um dieses Ziel zu erreichen, eröffneten lediglich 34% der Unternehmen ihrer Belegschaft die Option des mobilen Arbeitens. Etwa die Hälfte der Befragten sorge dagegen für ein gutes Betriebsklima, um Personal zu binden. Im Ranking der meistumgesetzten Maßnahmen diesbezüglich folgen flexible Arbeitszeiten (47%), eine marktgerechte Entlohnung (47%), betriebliche Zusatzleistungen (39%) und interessante Aufgaben (30%). Die gezielte Weiterentwicklung der bestehenden Mitarbeiter:innen, die die Diskrepanz zwischen benötigten und vorhandenen Kompetenzen schmälern könnte, stehe bislang nicht im Fokus. Hays rät den Organisationen daher, stärker in das regelmäßige Up- und Reskilling des eigenen Personals zu investieren und stellt in Frage, ob bei der Suche nach neuem Personal Kandidat:innen vom Profil her immer genau auf die Stelle passen müssten oder aber man sie durch Weiterbildung auf den benötigten Wissensstand bringen könne.

Details zu den Umfragen:
GWA Frühjahrsmonitor 2022: Online-Befragung von 82 Inhaber:innen/Geschäftsführer:innen von GWA-Agenturen im Zeitraum 1. Februar bis 2. März 2022.
Hays HR-Report 2022 – Organisationen unter Druck: Online-Befragung von 978 Entscheider:innen in Unternehmen (67 % aus Deutschland, 17 % aus Österreich, 16 % aus der Schweiz) im Jahr 2022.

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Kommentar zu diesem Artikel

  1. Sehr interessanter Artikel und gerade in der momentanen Situation sehr wichtig. Prima geschrieben und aufbereitet. Vielen Dank!

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