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Arbeitssicherheit: Absturzsicherung im Eventbau

Die Branche der Live-Kommunikation jagt von Höhepunkt zu Höhepunkt, die Messestände werden ausgefallener und die Live-Events inklusive der boomenden Konzertindustrie von Jahr zu Jahr spektakulärer ausgestattet. Doch damit steigen auch die Gefahren, insbesondere für das Aufbaupersonal. Was für Schutzmaßnahmen gibt es also?

Veranstaltungsaufbau
(Bild: Zanini)

Immer größere, schönere und technisch anspruchsvollere Aufbauten präsentieren sich dem Publikum, ob B2B oder Consumer. Gleichzeitig sorgen bei den Auf- und Abbaumaßnahmen oft immer kürzere Aufbauzeiten und Kostendruck für immer größere Belastung des Personals. Damit einher geht eine steigende Unfallgefahr bei den sowieso schon gefährlichen Arbeiten, die häufig aus Arbeiten in der Höhe oder mit Hubarbeitsbühnen aber auch Gerüsten besteht. Sei es, dass Logistiker auf Container klettern müssen, Zeltbauer und Dekorateure auf Zelte, Lichttechniker und Rigger direkt unter dem Dach oder in Liften in der Höhe arbeiten.

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Nach aktuellen Zahlen der Unfallversicherungsträger besteht ein Viertel aller tödlichen Unfälle auf Baustellen aus Absturzunfällen. Dabei sind ganz besonders Absturzunfälle vermeidbar und dennoch leider auch in unserer Branche nicht selten. Großes Aufsehen erregte Anfang 2017 der Absturz eines Riggers in Stuttgart in der Hanns-Martin-Schleyerhalle. Dieser fiel auf einen am Boden arbeitenden, 19 Jahre jungen Bühnenhelfer, der dadurch ein offenes Schädel-Hirn-Trauma erlitt und vor Ort verstarb. Beim Aufbau einer Tribüne anlässlich des Rolling-Stones-Konzerts in Hamburg stürzte ein Arbeiter von der Konstruktion, und bei einem anderen Open-air fiel ein Bühnenbauer vom ca. drei Meter hohen, gerade im Aufbau befindlichen Bühnenboden.

Einfache Maßnahmen zum Schutz vor Absturzunfällen

Die Gefahr des Absturzes besteht nach dem aktuellen Regelwerk bereits ab einer Absturzhöhe an allen Arbeitsplätzen und Verkehrswegen bei mehr als zwei Metern. Ab dieser Höhe ist zunächst eine technische Schutzausrüstung vorzusehen. Das können z.B. Geländer sein oder Fallschutznetze, wie auf normalen Hochbaustellen schon seit Ewigkeiten üblich. Irgendwelche Sonderregelungen für „unsere tolle Branche“ gibt es nicht, denn Sturz ist Sturz. Wegweisend in der Eventbranche ist hier ein großer Eventbühnenbauer aus Belgien, der erstmalig in 2017 gleich drei technische (kollektive) Schutzmaßnahmen gleichzeitig umsetzte: Erstens wurde bereits mit Aufbau des Bühnenunterbodens ein Fallschutznetz vor den Eindeckelungsarbeiten vorauslaufend unter dem gesamten Bühnenboden eingezogen. Zweitens wurde ein Geländer mit Handlauf und Knieleiste an der gesamten Bühnen-Absturzkante umlaufend aufgebaut. Und drittens wurden zwei mobile Treppen mitgeführt, über die ausschließlich das Besteigen und Verlassen des Bühnenbodens zu erfolgen hatte. Das früher unter Bühnenbauern übliche, coole Aufsteigen über die Teller an den Gerüststehern entfällt und macht den Zugang auch für Kontrollpersonal oder Sanitäter leicht. Dass an allen Gerüsttürmen und Traversen Seile als sogenannte Life-Lines befestigt wurden, versteht sich von selbst. Der Gerüstbauer und später auch der Veranstaltungstechniker kann sich dort mit einem mitlaufenden Personensicherungsgerät, welches ihn vor einem Absturz schützt, einklinken.

Veranstaltungsaufbau
(Bild: Zanini)

Einen Koordinator oder Fachplaner bestellen

Mit weniger sollte sich ein der Nachhaltigkeit und Compliance verpflichteter (und auch jeder andere) Auftraggeber nicht zufriedengeben. Der Auftraggeber sollte bei Baustellen dieser Art auch sicherstellen, dass die Arbeiten durch eine geeignete Person koordiniert werden. Der Koordinator sollte dabei dafür sorgen, dass der Errichter der Life-Lines diese nachweislich an den oder die Nachnutzer übergibt und diese/n in die korrekte Anwendung unterweist. Bei geplanten Arbeiten mit Absturzgefahr und Einsatz von persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) ist es zudem unerlässlich, dass durch einen Fachplaner ein Höhenrettungskonzept (HRK) ausgearbeitet wird. Denn die abgestürzte Person wird durch die PSAgA zwar vor einem kompletten Absturz bewahrt, jedoch tritt nach ca. 15 Minuten Hängen in der PSAgA der Tod durch ein Versagen der Blutzirkulation ein, dem sogenannten orthostatischen Schock. Im Rahmen des HRK können je nach Größe der Produktion zusätzliche Personen oder Rettungsmittel erforderlich sein.

Alternativ: Einsatz einer Hubarbeitsbühne

Die andere Zugangsmethode in die Höhe besteht aus der Verwendung einer Hubarbeitsbühne. Zur Bedienung dieser Maschinen, ob Teleskopbühne oder Scherenbühne, ist bereits seit mehreren Jahren eine Qualifizierung und eine Eignung nach dem DGUV Grundsatz 308-008 erforderlich. Zusätzlich muss sich der Auftraggeber bzw. der Koordinator von der Eignung vor Ort überzeugen und nach einer Einweisung den Bediener schriftlich mit dem Führen der Maschine beauftragen. Ein wichtiges Detail, auf das die Unfallversicherer ein waches Auge haben. Immer wieder eine Diskussion wert ist die Frage, welche Schutzausrüstung gegen Absturz der Bediener in einer Hubarbeitsbühne tragen muss. Mittlerweile darf es als Stand der Technik (und der technischen Regeln) angesehen werden, dass der Bediener bei einem Umkippen der Maschine im Korb gehalten werden muss. Dazu eignet sich am besten ein Mini-Personensicherungsgerät nach der neuen DIN 19427:2017-04, welches wie ein Autosicherheitsgurt funktioniert.

Sind Leitern zulässig?

Ein beliebtes Arbeitsmittel für Arbeiten in nicht ganz so hohen Höhen, speziell auf Messen, ist die gute alte Leiter. Messebauer, die in Frankreich und anderen Ländern Arbeiten auf Leitern durchführen lassen wollen, berichten jedoch immer wieder davon, dass das Arbeiten mit Leitern dort untersagt wird. Und das ist auch richtig so! Das französische Arbeitsschutzgesetz definiert ganz klar, dass eine Leiter kein Arbeitsplatz ist. Auch unser Regelwerk begrenzt das „Arbeiten“ auf hoffentlich auch jährlich geprüften Leitern auf bis zu zwei Stunden am Tag. Als Ersatz, der auch weitere Vorteile bietet, kann neben der Hubarbeitsbühne vor allem ein Rollgerüst zum Einsatz kommen. Das Paradoxon besteht darin, dass das Roll- oder auch Fahrgerüst eben nicht rollen darf, wenn sich Personen darauf befinden. Für einen sicheren Arbeitsplatz empfiehlt es sich, die Aufbau- und Verwendungsanleitung (AuV) des Gerüstherstellers vor Ort vorliegen zu haben und das Gerüst danach aufzubauen. Nicht zu vergessen, dass die Übergabe an Nachnutzer schriftlich dokumentiert und das Gerüst regelmäßig und nachweislich kontrolliert werden muss. In der Praxis scheint das leider viel zu oft noch anders gehandhabt zu werden.

Leiter beim Aufbau der Veranstaltungstechnik
(Bild: Falco Zanini)

Die Ausnahme von der Zwei-Meter-Regel

Zum Schluss noch ein Ausflug in die Ausnahme von der Zwei-Meter-Regel, die auf vielen Open-air-Veranstaltungen Arbeiten unter gewissen Bedingungen erleichtern kann. WENN ein Arbeitsplatz auf einem Dach, z.B. einem Zelt oder Container, nicht mehr als 50 m² Grundfläche hat UND die Neigung nicht mehr als 22,5° beträgt UND die Beschäftigten körperlich und fachlich geeignet sind, DANN kann die mögliche Absturzhöhe bis zu drei Meter betragen. Dabei muss die Absturzkante deutlich erkennbar sein. Zum Aufstieg auf diese Flächen sollte dann eine Anlegeleiter dienen, die mindestens einen Meter höher ist, als die Dachkante bzw. der Ausstieg.

Bei alledem ist zu erwähnen, dass Personen, die Arbeiten mit Absturzgefahr ausführen, körperlich geeignet sein müssen. In der Regel wird dies durch eine arbeitsmedizinische Untersuchung nach dem alten Grundsatz G41 nachgewiesen. Wenn Sie die vorgenannten Dinge bei Ihrer Produktion beachten und umsetzen, können Sie sicher sein, dass Sie das Ihnen Mögliche und Vorgeschriebene getan haben, um großes Leid zu verhindern.

Kommentar zu diesem Artikel

  1. “Doch damit steigen auch die Gefahren, insbesondere für das Aufbaupersonal.” Sehr gut erkannt. Es gibt immer 2 Seiten einer Medaille. Doch auch wenn die Gefahren steigen, heißt es noch nicht, dass es automatisch mehr Unfälle gibt. Im Falle, dass man alle notwendigen Sicherheitsmaßnahmen einhält und befolgt. In meinen Augen gibt es nichts dümmeres, als das Nichteinhalten von Sicherheitsmaßnahmen. Man geht nur ein sinnloses Risiko ein, was man sehr einfach vermeiden kann.

    Daher empfinde ich ihren Artikel mit den genannten und beschriebenen Sicherheitsmaßnahmen als sehr wichtig und hilfreich an. Arbeitssicherheit ist ein Thema, mit dem man sich regelmäßig beschäftigen muss. Denn auch in dieser Branche gibt es Erneuerungen und Anpassungen. In unserem handwerklichen Betrieb verordnet unser Chef regelmäßig neue Prüfplaketten, Prüfetiketten und Kabelmarkierer von Brewes an, sodass bei uns auf dem Gelände zu jeder Zeit die neuesten Sicherheitsstandards gewährleistet sind. Ein Konzept, welches ich sehr befürworte.

    Ich könnte mich noch länger mit diesem Thema beschäftigen, aber an dieser Stelle setze ich ein Ende und bedanke mich für den Artikel.

    VG!

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