Eine Allegorie zwischen dem Coronavirus und der Sicherheitsplanung

Notfall- & Kontinuitätsmanagement in Zeiten der Corona-Krise

Was uns die aktuelle Krise durch den (wenig strukturierten) Umgang mit dem Coronavirus SARS CoV-2 (Covid 19) lehren kann und was das alles mit einem Loch im Erdboden zu tun hat. Ein Kommentar von Sabine Funk, Geschäftsführerin der IBIT GmbH.

asphalt-riss-loch-boden(Bild: Pixabay)

„Der Eintritt eines Stör- oder Schadenfalles stellt für Unternehmen eine umfassende Belastung dar. Dies ist für Veranstaltungen und Veranstalter nicht anders als für andere Industriebereiche.“ So beginnt der Artikel zum betrieblichen Kontinuitätsmanagement im BaSiGo Guide. Wie wenig „anders“ das ist, zeigt sich gerade anhand des Umgangs mit dem Coronavirus. Und es ist erschreckend, wie schlecht vorbereitet wir – von der Veranstaltungsbranche bis zur Bundesregierung – alle sind.

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Was wir momentan sehen, ist mehr oder weniger schlecht vorbereitetes Notfallmanagement – das heißt, das Reagieren auf den Eintritt eines Schadens, mit dem Ziel, die Auswirkungen noch zu minimieren. Bedenkt man, dass ein Ziel des Notfallmanagements aber auch ist, den Eintritt von Schäden zu verhindern, wird klar, dass irgendwas möglicherweise schon nicht funktioniert hat. Warum es nicht funktioniert hat? Zum einen, weil Dinge über unsere Köpfe hinweg entschieden werden, auf die wir keinen Einfluss haben. Zum anderen, weil wir einfach nicht gut vorbereitet waren. Oder – um es bildlich zu sagen: Es hat sich ein großes Loch aufgetan, in einem Fußboden, der schon deutliche Risse hatte. Die „Risse“ sind z.B. die „erregerbedingten“ Krisen der letzten Jahre (SARS, EHEC etc.), sie sind die vernetzte Welt, die Internationalität der Branche. Niemand hat wirklich glauben können, dass wir, die wir uns mit Menschenansammlungen beschäftigen, langfristig hiervon verschont bleiben. Niemand hat glauben können, dass die zahlreichen Risse nicht irgendwann mal die Stabilität des gesamten Systems gefährden.

Schadenrelevanzanalyse

„Business Impact Analysis“ (BIA) oder auch „Schadenrelevanzanalyse“ heißt das Thema – sprich, die Überlegung, welche Auswirkung ein Ereignis auf unsere Geschäftstätigkeit hätte und welche der unterschiedlichen Geschäftstätigkeiten diejenigen sind, die unbedingt aufrechterhalten werden müssen. Können wir also weitermachen, obwohl wir ein großes Loch im Fußboden haben oder nicht?

Dazu gehört, dass wir uns über Anfälligkeiten Gedanken machen: Was macht unsere Branche – meine Firma, mich als Mensch – besonders anfällig für die Einwirkungen von negativen Konsequenzen? Ob ein Loch im Fußboden oder ein neuartiger Virus ist für den grundsätzlichen Gedanken an sich dabei erst einmal egal. Dabei geht es nicht nur um vordergründige Fragen, wieviel Geld durch den verlorenen Auftrag fehlt, sondern auch die hieraus kaskadierenden Effekte: Freisetzen/Kündigen von wichtigen Mitarbeitern, fehlende Ressourcen für nachfolgende Aufträge usw. Auch gehören dazu Überlegungen in Bezug auf das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit: Will ich einen Dienstleister, der bei Wegfall eines Auftrages bereits in die Knie geht?

Wir sind anfällig, wenn wir von einem (Groß-)Kunden abhängig sind oder von einem Dienstleister. Wir sind anfällig, weil wir uns zu selten mit der Frage beschäftigt haben, wie unsere Lieferketten funktionieren, oder weil wir mit und für Menschen arbeiten. Wir sind anfällig, weil Verträge nicht ordentlich gestaltet sind oder weil wir einfach keine Zeit haben, über Anfälligkeiten nachzudenken. Wir sind anfällig, weil die Veranstaltungsbranche wie kaum eine andere Branche eine ist, von der jeder glaubt, mitreden zu können, und wir sind anfällig, weil in der Eventbranche Menschen eher mal nicht miteinander kooperieren – ob aus Konkurrenz- oder Egogründen ist in diesem Fall egal.

Anfälligkeiten bewerten

Um die tatsächliche Relevanz dieser Anfälligkeiten zu bewerten, müssen alle Geschäftsprozesse dahingehend überprüft werden, welche Konsequenzen ihr Ausfall haben würde in Bezug auf z.B. die Ziele des Unternehmens/der Organisation:

  • Welche Produkte/Angebote/Dienstleistungen/Geschäftsprozesse sind wichtig? Welche sind verzichtbar? Welche Ressourcen brauche ich, um die unverzichtbaren „am Laufen“ zu halten?
  • Wer sind die Stakeholder? Was passiert, wenn diese ausfallen?
  • Wie viel Zeit habe/brauche ich, um etwas wiederherzustellen? Wie viel Zeit muss ich „aushalten“/überbrücken? Welche Verzögerungen ergeben sich und was sind die Konsequenzen dieser Verzögerung? Was ist die maximal tolerierbare Ausfallzeit?

Die maximale tolerierbare Ausfallzeit beschreibt dabei den Zeitrahmen, in dem die Aktivität wieder anlaufen muss, bevor der Ausfall nachhaltigen Schaden anrichtet (z.B.: Wie viel Zeit habe ich, das Loch zumindest abzudecken, bevor der erste Besucher reinfällt?). Dieser Aspekt ist sicherlich einer derjenigen, der die aktuelle Krise besonders problematisch macht: Niemand weiß, wie lange es dauern wird, bis sich alles wieder normalisiert hat. Das heißt, es ist schwierig, jetzt noch eine tatsächliche Strategie zu entwickeln.

Notfallmanagement: Kurzarbeit und Hilferufe

Da sich diese Versäumnisse auf der Stelle nicht mehr wirklich aufholen lassen, konzentrieren wir uns gerade aufs Notfallmanagement – also den Umgang mit dem eingetretenen Schaden: Wir hamstern, wir schicken Leute in Kurzarbeit, wir rufen laut um Hilfe. Wir versuchen also auf die Schnelle irgendwas zu finden, mit dem sich das Loch abdecken lässt, weil wir es im Vorfeld nicht für wichtig erachtet haben, den Rissen im Fußboden Beachtung zu schenken. Material, um das Loch zuzuschütten, haben wir auch nicht im Lager, weil es ja bisher nie nötig war, weil es zu teuer ist etc. „Augen zu und irgendwie durch“, heißt vielerorts die Devise. Von einer tatsächlich systematischen Herangehensweise, wie die Theorie sie gerne hätte, sind wir weit entfernt.

Lernen für die Zukunft

Aber es bleibt ja noch ein Ziel, das wir erreichen können: Gestärkt aus der Situation hervorgehen. Das mag für diejenigen, die gerade um ihre Existenz kämpfen, ein schaler Rat sein. Aber dennoch: Es gilt, aus dieser Situation alles mitzunehmen, was helfen kann, sich in Zukunft anders, hoffnungsvollerweise besser – sprich unanfälliger – aufzustellen.

Für unser Loch bedeutet das: Wir müssen nicht nur das Loch stopfen, sondern wir müssen auch die Gründe für das Entstehen finden und nach Möglichkeit reduzieren. Ansonsten ist die Chance, nächstes Jahr wieder in ein neues Loch zu fallen, groß. Hier kann man nur hoffen, dass der Lerneffekt tatsächlich auch einsetzt und nicht alle plötzlich wieder loslaufen, sobald es möglich ist. Denn zu lernen gibt es vieles: über die Gestaltung von Verträgen, die Grundlagen der Zusammenarbeit, über Ausstattung und Reserven.

Denn das ist auch eine Chance der abgesagten Aufträge: mehr Zeit. Mehr Zeit, Dinge zu durchdenken. Mehr Zeit, Strategien zu entwickeln. Mehr Zeit, Anfälligkeiten und deren Relevanz zu definieren. Wer hierfür eine Hilfestellung braucht, dem sei an dieser Stelle das sehr anschauliche Stufenmodel des BSI empfohlen:

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