Früher war mehr Lametta!

20 Jahre Eventmarkt: Was hat sich verändert?

Zwanzig Jahre EVENT PARTNER, zwanzig Jahre Eventbranche. Die damals als Tagungs- und Partymacher starteten, wurden zu Kommunikationsberatern – oder sie verschwanden vom Markt.

Präsentation der Mercedes Benz A-Klasse
A-Motion Tour/Mercedes-Benz A-Klasse-Tour 1997 mit La Fura dels Baus. Konzept: Atelier MArkgraph, Architektur: Kauffmann Theilig & Partner, Umsetzung: Clausecker & Bingel (Bild: Atelier Markgraph )

Kogag, Gemadi, ConTeam Human Events, aus denen mit G+D zusammen max.sense wurden, oder TC Gruppe und OnAir hießen die anderen bekannten Verluste der letzten 20 Jahre. Vok Dams hat nach mehreren Metamorphosen als einziger Dinosaurier unbeschadet überlebt. Als Einziger, nein. Avantgarde wird immer vergessen. Aus den Trümmern der Branchenprozesse sind vitale Agenturen entstanden: u. a. Insglück, Stagg & Friends oder Pure Perfection. Ob die das Schicksal der nächsten 20 Jahre überdauern – wer vermag das zu prognostizieren? Der Markt ist kurzlebiger geworden in jeder Hinsicht, und das macht es den Akteuren manchmal schwieriger, human zu agieren.

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Früher war auf jeden Fall mehr Lametta. Man holte sich die großen Kreativen aus der Kulturszene an Bord. Das bestimmte die 90er Jahre. Einige Pioniere kamen aus der Pop-Kultur. Roland Lambrette hatte „The Wall“ in Berlin und Peter Gabriels „Secret World Tour“ mitgemacht. Anfang der 90er begann er dann die Arbeit für Mercedes. Andere kamen aus dem klassischen Theaterbetrieb. Otmar Demharter sollte einer der Regisseure der großen Jubiläen sein. Für Siemens inszenierte er die ersten 150 Jahre, als von Korruptionsskandalen noch keine Rede war und von Pierer ein unumstrittener großer Wirtschaftsdenker und -lenker. Gefragt bei Ministern und Kanzlern. Demharter bespielte das ICC großzügig mit Mitteln, die damals kaum erfunden waren. Er inszenierte auch noch das Siemens-Jubiläum in Russland. Mit einem jungen Putin, in den alle Hoffnungen setzten.

Ein anderes von diesen gewaltigen Jubiläen waren 100 Jahre RWE 1998. Damals schwankte der Energieriese mit Braunkohle und Atom belastet noch nicht, sondern war voll im Saft. In Essen baute man mit André Heller das temporäre Erlebnishaus „Meteorit“ und ließ die Besucher Zukunft mit allen Sinnen erahnen. Die Automobilbranche war aber damals schon der Motor des Eventbusiness. Die A-Klasse wurde 1997 mit den katalanischen Theaterberserkern La Fura dels Baus europaweit eingeführt. Clausecker und Bingel mit Markgraph zusammen machten das. Die Eventunternehmenskommunikation wurde nicht in ein enges Korsett gesteckt.

Die Solinger Kogag orientierte sich am Entertainment der 90er, das man zum „Edutainment“ entwickelte. Magier Hans Klok zauberte alles und jeden auf die Bühne. Musiker wie Martin Ernst, der in der RTL-Samstag-Nacht Mucke für ein frühes Fernsehcomedy-Format nach amerikanischem Vorbild live mit einer Studioband spielte, machten den Soundtrack. Das Spektrum war sehr groß. Es reichte von der Allgegenwart der Weather Girls bis zum genussreichen Kunsthimmel. Der Teppich- und Staubsaugerhersteller Vorwerk aus Wuppertal operierte mit Weltkünstler Robert Wilson. Man ließ ihn Teppiche wie auch Events entwerfen.

Exzesse & Skandale
Die nächsten Highlights waren die großen Public Events, die genug Brosamen für den Corporate-Bereich abwarfen. Die Loveparade in Berlin, die EXPO 2000 oder die FIFA-Fußball-WM 2006, das Sommermärchen. (Wie in jedem Märchen scheint es auch bei Letzterem die Guten und die Bösen zu geben, die einen Pitch durch etwas Kleingeld in der Hosentasche für sich entscheiden, wenn man den Informationen des Spiegel glauben darf.) 2009 feierte ganz Berlin mit Millionen Zuschauern die Riesen von Royal de Luxe. 2010 versuchte die Kogag sich mit der Südafrika-WM zu retten. Deutschland wurde Dritter und die Kogag konnte Zeit gewinnen. Am 7. Juli 2010 wurde dann das Insolvenzverfahren der max.sense Marketing GmbH eröffnet: „Another one bites the Dust.“

Teppich von Robert Wilson
Robert Wilson entwarf für Vorwerk Teppiche wie auch Events. (Bild: Vorwerk )

Das Business wurde härter, das Korsett enger. Dazu hatten Exzesse und Skandale beigetragen. Compliance wurde auf einmal großgeschrieben und die Einkaufsabteilungen wurden die großen Aufpasser. Pharma und VW waren die ersten erwischten Großprasser. José Ignacio López, der skandalumwittert von Opel zu Volkswagen wechselte, brachte andere Protagonisten mit. Der Einkaufschef des VW-Konzerns wurde Francisco Garcia Sanz. Der Spiegel schrieb: „ Sanz … der mit seinem Landsmann Juan Manuel Sancha Garcia an mehreren Firmen beteiligt war, die Büroräume vermieteten – obwohl der zugleich mit seiner Eventagentur Conteam millionenschwere Aufträge des VW-Konzerns erhielt. In anderen Unternehmen wäre dies ein klarer Fall eines nicht akzeptablen Interessenkonflikts. Bei VW hieß es, es handele sich um „private Finanzanlagen des Vorstandsmitglieds Sanz“. So schrieb man damals in Hamburg. Dann gab es das „Sonderkonto“, in das Conteam wohl auch verwickelt war, und die Sexflüge von Betriebsräten. Peter Hartz machte sich zum verurteilten Straftäter. Die Hamburg Mannheimer stand 2011 ähnlich nackert im Rotlicht. Und auch Mazda kratzte die Kurve des Prozesssaals. Franz Danner und Rolf H. gönnten sich ein eigenes schwedisches Eiland und eine große Garage mit motorisierten Preziosen oder erwarben mit unterschlagenem Autogeld kostspielige Immobilien in Italien und Südafrika.

Kreation statt Party
Dass die Wandlung von der Party zu Analyse und Kreation, von der Maßnahme zur Kommunikationsidee fortschreitet, ist auch Annette Beyer, die man auch als freie Autorin von EVENT PARTNER kennt, mit zu verdanken. Mit treibhaus 0.8 schuf sie eine Institution, die nicht nur größere Lücken in der Ausbildung schloss, sondern auch Gründermut zeigte, und die sich in schnellen Metamorphosen an die Bedürfnisse der Branche anpassen kann.

Fraunhofer Fest der Forschung 2004 in Dresden
Fraunhofer Fest der Forschung 2004 in Dresden. (Bild: Astronautenkost/Hilmar B. Traeger )

Insgesamt ist es den Eventagenturen aber nicht gelungen, vom Katzentisch „below the line“ wegzukommen, genauso wenig, wie es den klassischen Agenturen unter dem Strich gelungen ist, den Eventbereich aufzukaufen oder neu zu erfinden. Die Internationalisierung hat die deutschen Mitbewerber auch nicht geschluckt. Im Gegenteil, Vok Dams oder Uniplan etwa sind recht universell aufgestellt. Die „World of Events“ aus Wiesbaden versucht (auch mit dem Hinterlassen juristischer Spuren) ihr Glück erfolgreich als „Best of Events“ inzwischen in Dortmund und das Forum Marketing-Eventagenturen ist im FAMAB Kommunikationsverband aufgegangen.

Als Künstler hat man heute – leider zu oft – angepasster Dienstleister zu sein. Projekte wie das Fraunhofer Fest der Forschung 2004 in Dresden mit dem Ausnahmeschauspieler Herbert Fritsch wird es so nicht mehr geben. Fritsch turnt mittlerweile als Regiegenie auf den großen Theaterfestivals, sogar in China, rum. Die Agentur Kontrapunkt hat damals viel Mut gezeigt. Man wollte zeitgenössisches Theater als Mittel und bekam es auch. Das ist alles andere nur nicht angepasst. Das Event führte zwangsweise zu Kontroversen. Diese wurden gewagt und das war gut so. Das war mein ganz persönliches Event-Highlight der letzten 20 Jahre. Danke an Stephan Rössle und Marie-Luise Keller-Winterstein dafür! Früher war eben mehr Lametta …

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