Highway to Hell

Herausforderungen Messelogistik: Probleme & Lösungsansätze beim und für den Messeaufbau

Den Aufbau einer Messe zu koordinieren, gehört zu den logistischen Herausforderungen. IT-gestützte Systeme sollen hier Abhilfe schaffen, doch teils verursachen sie noch mehr Probleme. Autor Falco Zanini denkt über Lösungsansätze nach.

Herausforderungen in der Messelogistik(Bild: Falco Zanini)

Logistik. Vom griechischen „logos“: Logik oder Folgerichtigkeit. Nach den Urvätern der modernen Logistik wird oft die 7R-Regel zitiert, um Logistik zu definieren. Danach muss die richtige Ware in der richtigen Menge, in der richtigen Qualität, zum richtigen Zeitpunkt, am richtigen Ort, mit den richtigen Daten, zu den richtigen Kosten bereitgestellt werden. Diese sieben „R“ bewegen sich zusätzlich im Spannungsfeld des unmöglichen Dreiecks aus Qualität, Kosten und Zeit, bzw. Good, Cheap und Fast. Dabei können immer nur zwei dieser Ziele gleichzeitig funktionieren. So gehen z.B. nur Good und Fast, was zu Lasten der Kosten/Cheap geht und die Leistung verteuert.

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In der hektischen, fast nach-pandemischen Messe-Saison 2022 waren Stimmen zu hören, die den Versuch, Standbaumaterialien, Exponate oder auch nur Werkzeugcontainer der Messebauer auf die gemietete Standfläche zu bringen, als „Highway to Hell“ benannten. Von der Seite der Verkehrs- und IT-Verantwortlichen so mancher Messe wurden die eigenen Systeme hingegen als „Stairway to Heaven“ gelobt.

Herausforderungen auf und vor dem Messegelände

Doch welche Herausforderung existiert denn nun AUF und vor allem VOR den Messegeländen? Oft wollen alle Beteiligten an Messeaufbautagen zur gleichen Zeit durch das gleiche Tor und zur gleichen Zeit mit der Arbeit beginnen. Als weiterer Faktor spielt dabei die Lage des jeweiligen Messegeländes mit. Manche Gelände befinden sich in relativ dicht bebauten Gegenden, manche haben wiederum viele Parkplätze und Stauflächen in unmittelbarer Umgebung. Damit die entstehenden Verkehrsströme von Sattelschleppern und Sprintern nicht zu einem Rückstau bis zur Autobahn führen und sich alle diese Fahrzeuge und die zugehörigen Flurförderzeuge zusammen mit den Menschen nicht zu sehr in die Quere kommen, steuern die Messegesellschaften den Zugang zu den Messegeländen für Transportfahrzeuge der Aussteller und deren Vertragspartner (Messebau, Licht, Ausstattung usw.) auf unterschiedliche Weise.

Der Autor kennt aus seiner aktiven Zeit bei einer auf die Eventbranche spezialisierten Spedition noch die Kautionsregelungen. Dabei ist am Tor für ein einfahrendes Fahrzeug zwischen 50 und 100 Euro Kaution zu entrichten, welche nur zurückgezahlt werden, wenn in der auf zwei bis vier Stunden begrenzten Zeit auch wieder ausgefahren wird. Damit sollten die ausstellenden Firmen bzw. deren Messebauer animiert werden, die Ladezeiten und den Aufenthalt der Fahrzeuge auf dem Messegelände möglichst kurz zu halten. In den „guten alten Zeiten“ bedeutete dies für den bzw. die Fahrer:in auch stundenlange Wartezeiten auf abgelegenen Parkplätzen ohne jede Infrastruktur (WC) und Nahkampf bis aufs Messer, wenn endlich die Zufahrt zur Messe geöffnet wurde.

In den heutigen Zeiten von Industrie 4.0 und New Work setzen einige größere Messegesellschaften nun auf die Digitalisierung dieser Prozesse und versuchen mit Telematik, Datenbanken und internetbasierten Applikationen das Leben für alle Beteiligten, inklusive dem osteuropäischen LKW-Fahrer und dem mit Werkzeug hoch bepackten Messebauer, einfacher zu machen. Dabei müssen die Aussteller oder Speditionen sogenannte Slots buchen oder die Einfahrtzeiten vorregistrieren. Die Einfahrt darf dann nur noch nach Registrierung, Anmeldung oder Bestätigung und genau zu dem gebuchten Zeitfenster erfolgen.

Messelogistik Falco
Früher beschränkten Kautionsregelungen die Einlasszeiten, heute digitale Systeme. (Bild: Falco Zanini)

Probleme mit IT-gestützten Systemen & Personalmangel

Eines dieser neuen, IT-gestützten Gelände-Management-Systeme ist VisiFair, welches die Messe Berlin im Sommer 2022 einführte. Grundsätzlich müssen der Messebauer, Aussteller oder Lieferant über VisiFair Einfahrtsslots buchen. Die Umsetzung verursachte jedoch nach den Stimmen einiger dort tätiger Firmen Unstimmigkeiten und lange Wartezeiten. Fahrzeuge wären etwa nicht eingelassen worden, obwohl das Gelände bzw. der vom Dienstleister anzufahrende Punkt nach Auskunft Betroffener komplett frei gewesen seien. Die Messe Berlin nahm sich der Kritik an. So kann bei kurzfristigem Bedarf nachgebucht und auch eine Hotline angerufen werden. Dabei kommt es in der Leistungskette bis zum/zur (ausländischen) LKW-Fahrer:in erfahrungsgemäß zu Informationsverlusten. Daher werden die Mitarbeitenden an den Einfahrten intensiv geschult und dort kann in sieben bis acht Sprachen kommuniziert werden. Diese können auch vor Ort Einträge in das System vornehmen.

Schwierig war und ist auch das viele neue Personal an allen Stellen, wie Matthias Thoben, Fachvorstand im der fwd: Bundesvereinigung Veranstaltungswirtschaft als Verband der Messebauer und Agenturen berichtet. Für Thoben ist klar, dass Slot-Systeme stark im Kommen sind, wobei ein bundesweit einheitliches System und eine Kommunikation der Messen untereinander bzw. ein Lernen voneinander natürlich schön gewesen wären. Bei den verschiedenen Slot-Systemen versuchen einige Messen, auch gleich die aus einer LKW-Einfahrt resultierenden Anforderungen, wie z.B. eine Staplerbuchung mitzuerfassen. Problematisch ist der anhaltende Trend zur Verkürzung der Bau- und Umbauzeiten und die dadurch fehlenden Zeitreserven. Zusätzlich fehlt auf einigen Messeplätzen immer mehr Platz auf dem Gelände, da hier die Entwicklung besteht, möglichst alle, bisher auch als Pufferflächen genutzten Freiflächen zu bebauen.

Messelogistik Herausforderungen
Die Bestellung von vorgezogenem Aufbau oder kleinere Abladeteams wären Ideen gegen das Chaos. (Bild: Falco Zanini)

Lösungsansätze für reibungsfreien Messeaufbau

Was kann nun der Aussteller oder Messebauer tun, außer sich mit den verschiedenen Slot-Systemen intensiv zu beschäftigen und diese Infos an die Transporteure möglichst verlustfrei weiterzugeben? Eine Möglichkeit besteht darin, wie bisher vorgezogenen Aufbau – kostenpflichtig – zu bestellen. Auf Seiten der Messegesellschaften sollte dem Drang zu ungebremsten Optimierungsversuchen auf Kosten der Messebauer und Aussteller ein Ende gesetzt werden. Es muss ausreichend Zeit für den Abbau der einen Messe sowie für den Aufbau der anderen vorhanden sein, ohne dass sich beide Veranstaltungen in die Quere kommen oder 16-Stunden-Schichten wieder salonfähig werden.

Eine andere Verbesserungsvariante wäre, aus dem traditionellen Morgenstau herauszukommen und den Aufbau- oder Arbeitsbeginn anders zu legen als bisher. Denn dieser Stau ist regelmäßig so massiv, dass er von den Beschäftigten der Messen physisch einfach nicht zu leisten ist. Noch eine Möglichkeit bestünde darin, den Arbeitsbeginn des gesamten Teams nicht auf dieselbe Uhrzeit zu legen, wie die (geplante) Ankunft des oder der LKW. Daraus resultieren oft reichlich Leerlaufstunden für große Teile der Belegschaft. Es würde mehr Sinn machen, ein kleineres Voraus- bzw. Abladeteam auf die Messe zu ordern und das Hauptteam entsprechend später, zu einem Zeitpunkt, an dem das Material tatsächlich ordentlich auf und um den Stand herum verteilt wurde.

Um sich nicht zusätzlich in die Bredouille zu bringen, sollte jede Firma, die auf einer Messe Arbeiten auszuführen hat, rechtzeitig um geeignetes, zuverlässiges und ausreichend viel Personal bemühen, denn die für die Komplettierung einer Bestellung notwendigen Zeiten sind deutlich länger geworden im alltäglichen Personalmangel. Alle Beteiligten sollten schließlich daran denken, dass alles eine Grenze hat und Good, Cheap und Fast nicht gleichzeitig funktionieren.

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Die Artikel geben einen umfassenden Überblick über die möglichen Probleme und zeigen praktische Lösungen auf, um einen reibungslosen Ablauf sicherzustellen. Diese Einblicke haben mir geholfen, meine eigenen Messeprojekte besser zu planen und erfolgreich umzusetzen. Der Artikel bietet wirklich wertvolle Lösungsansätze für die Messebau. [Hinweis der Redaktion: URL entfernt]

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  2. Visifair wurde für die Motek 2023 eingeführt und ergibt nur Mehraufwand für die Standbauplanung. Früher konnte man gegen 100 Euro Kaution zum Aufbau. Ich habe Mitarbeiter, die aus Norditalien anreisen und je nach Verkehr kann man nicht vorhersehen, wann die Kollegen genau eintreffen. Auch die benötigte Zeit zum Aufbau kann man nicht vorsehen. Nun soll ich im Voraus “slots” im 45 Minuten Takt buchen? Ab nächstem Jahr dann wohl auch kostenpflichtig? Danke dafür…

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