Learnings für die Konzeption von Online-Veranstaltungen

Die richtige Dramaturgie im digitalen Event

Events online sind im Prinzip wie solche offline – reduziert auf zwei Sinne. Dies hat Auswirkungen auf die Dramaturgie von Digital-Events. Einige Learnings zur Konzeption von digitalen Veranstaltungen.

Das Ziel eines Online-Events: Aufmerksamkeit gewinnen und – der schwierigere Part – halten.
Das Ziel eines Online-Events: Aufmerksamkeit gewinnen und – der schwierigere Part – halten. (Bild: Shutterstock / Khosro)

[Hinweis der Redaktion: dieser Artikel stammt von Februar 2021]

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Als klar wurde, dass die Corona-Auswirkungen auf Events und Konferenzen größer sein werden als vermutet, gab es nur einen Weg: Ehemals live geplante Veranstaltungen wurden quasi über Nacht vollständig digitalisiert. Das Umkonzeptionieren in Rekordzeit führte Eventplaner zu der Erkenntnis, dass die Programmgestaltung online im Prinzip genauso funktioniert wie offline – reduziert auf zwei Sinne. Wenn der Zuschauer und Zuhörer nur noch über das Hören und Sehen erreicht werden kann, dann hilft es, sich auf Fernseh- und Rundfunkwissenschaften und Regeln der Programmgestaltung zu besinnen. Diese sind nicht neu – nur werden sie jetzt von neuen Veranstaltungsmachern entdeckt und genutzt.

Wie muss eine digitale Veranstaltung aufgebaut sein? Welche Dramaturgie ist entscheidend, um den Zuschauer zu fesseln und Botschaften möglichst nachhaltig zu verankern? Denn aus der Konsumenten- wie auch aus der Rezipientenforschung weiß man: Nie gab es so viele verschiedene Ablenkungen wie im Digitalzeitalter.

Aufmerksamkeitsspanne unter Goldfisch-Niveau?

Mittlerweile heißt es: Die durchschnittliche Konzentrationsspanne eines Menschen sei geringer als die eines Goldfischs, weniger als neun Sekunden könnten wir uns voll auf eine Sache fokussieren. Das ist zwar eine Legende ohne wissenschaftliches Fundament (*1), was aber stimmt: Unsere Arbeits- und Lebenswelt wird schneller und fordernder. Viele der Zuschauer ziehen sich nicht, wie bei einer physischen Veranstaltung, ganz aus dem Tagesgeschäft heraus, sondern konsumieren digitale Inhalte oftmals nebenbei.

Anders als die Legende um den Goldfisch Glauben macht, können Menschen sich allerdings bis zu 50 Minuten konzentrieren. Danach fällt die Aufmerksamkeit auf einen gleichbleibenden Tiefpunkt. Besonders fokussiert sind wir während der ersten 20 Minuten eines neuen Themas (*2). Für die Dramaturgie eines digitalen Formates bedeutet das: Am effizientesten handelt, wer immer wieder erlaubt, auch mal nicht aufmerksam zu sein; beispielsweise in Form eines Einspielers, eines Standpunktwechsels oder auch einer Kaffeepause. Wer immer wieder unterbricht, gewinnt dazwischen mehr Konzentration – ergo mehr Aufmerksamkeit. Und genau das muss mit dem Online-Event erreicht werden: Aufmerksamkeit gewinnen und – der schwierigere Part – halten.


„Never underestimate the power (and the preparation time) of an online event.“


Interaktion erhöht Involvement

Unser Hirn denkt rhythmisch. Es tut sich schwer damit, zu lange nur eine ganz spezielle Aufgabe zu analysieren. Gewissermaßen zur Abwechslung braucht es zwischendurch auch kurze, schnelle, eher intuitive Gedanken, die es kaum steuert (*3). Für eine Programmgestaltung, die das rhythmische Arbeiten unseres Gehirns berücksichtigt, bedeutet das nicht, möglichst viele Pausen zu machen, sondern es besagt vor allem: das Format abwechslungsreich zu gestalten. Konkret heißt das, u.a. kürzere Talks statt stundenlanger Panels, knackige Ansprachen und emotionale Momente – make it short and sweet!

Reine Online-Events sind für viele etwas völlig Neues und die Zuschauer freunden sich gerade erst mit dem Format an. Ohne die gegenseitige soziale Kontrolle des Publikums bedarf es umso mehr effizienter Interaktionsformate, um das situative Involvement der Teilnehmer zu erhöhen. Daher besteht die Aufgabe der Eventkonzeption nicht nur darin, intelligente Interaktionsformate, die simple Frage- und Kommentarfunktionen in den Schatten stellen, zu entwickeln, sondern auch darin, das jeweilige Konzept und die verwendeten Online-Tools ausführlich zu erklären.

Live-Events leben jedoch nicht nur von der direkten Ansprache, der Community-Gedanke und das Gemeinschaftsgefühl gelten ebenfalls als relevant. Diese können digitale Formate nur bedingt vermitteln. Zwar stehen diverse Interaktionsmöglichkeiten zur Verfügung, sie konzentrieren sich allerdings im Normalfall auf die Interaktion zwischen Sender und Zuschauer. In der Zukunft wird es eine spannende Aufgabe sein, Interaktion zwischen den Zuschauenden zu fördern und interaktive Tools zu entwickeln, die das Zusammensein, das zufällige Kennenlernen und Diskutieren, wenn nicht ersetzen, so doch zumindest simulieren.

Technisches Know-how ist bei der Konzeption von Online-Events das A und O.
Technisches Know-how ist bei der Konzeption von Online-Events das A und O. (Bild: Shutterstock / Sutipond Somnam)

Drei Empfehlungen für Online-Events

Zusammenfassend lassen sich aus den vielen Digital-Veranstaltungen der letzten Monate drei „Learnings“ extrahieren. Dabei empfiehlt es sich, die Kompetenz im Bereich Online-Events zu verstärken und diese bei der Budgetplanung zu berücksichtigen:

1. Kompetenz in Sachen Programmgestaltung, Online-Tools und Interaktion:

Nur wenn man weiß, wie es geht und was alles geht, kann man es sorgsam und zielgruppengerecht einsetzen.

2. Kompetenz in Sachen Technik/Plattform/Streamingdienste:

Auf technisches Know-how als die wesentliche Basis des Online-Events sollte man sich nicht einfach verlassen, sondern im Dschungel aller Anbieter nach Sachverstand suchen.

3. Kompetenz in Sachen Redner-Coaching:

Wenn Laien zu Hauptakteuren werden, dann lohnt es sich, in die sorgsame Vorbereitung des professionellen Auftritts zu investieren – in Skript, sicheren Umgang mit Technik/Prompter/Green Screen/Vorschauern und Performance.

Dass man ein Offline-Format nicht einfach abfilmen und senden kann, hat inzwischen jeder Online-Eventmanager gelernt. Dass Online-Formate Geld kosten, wenn man sich kompetent an die Sache ran wagt, ebenfalls. Dass schlecht gemachte Online-Formate mehr Schaden anrichten als Nutzen, ist auch bekannt. Mit der Berücksichtigung der obigen drei Empfehlungen und den fundierten wissenschaftlichen Erkenntnissen dazu, gelingt auch der Sprung von offline zu online erfolgreich. Bis bald im Stream – see you online!


Quellen:

1) Rachel Ainsworth in Source Global Research: www.sourceglobalresearch.com/attention-spans-are-getting-shorter-or-are-they/

2) Advances in Physiology Education: Bradbury, 2016

3) Neuron: Helfrich et al., 2018

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Stimme den Ausführungen der Autorin prinzipiell zu. Nachdem Corona uns gezwungen hat, mehr digitale oder gar hybride Events zu organisieren und durchzuführen, sollten wir uns mit den neuen Möglichkeiten beschäftigen. Ich persönlich finde das digitale Event-Format total spannend und nehme mir den alten Spruch zu Herzen “in der Kürze liegt die Würze” und achte auf eine ausgewogene Dramaturgie.

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