Arbeitsschutz

Die Psyche schützen – in und nach der Corona-Pandemie

Die Corona-Pandemie führt nicht nur zu wirtschaftlichen Schäden, auch die Psyche kann leiden. Was bedeutet das für Beschäftigte der Eventbranche, wie können Unternehmen ihre Mitarbeitenden schützen und was passiert, wenn Veranstaltungen endlich wieder erlaubt sind?

Psychische Belastung(Bild: Krakenimages.com/Shutterstock. No use without permission.)

[Hinweis der Redaktion: der Artikel stammt von Juni 2021]

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„Was nicht vorwärts gehen kann, schreitet zurück“. Dieser Satz von Goethe aus dem Jahr 1805 beschreibt wohl recht gut die aktuelle Situation vieler Menschen in der Veranstaltungsbranche, die seit über einem Jahr nahezu stillsteht. In diesem Artikel wird auf die daraus resultierenden psychischen Belastungen und berufsbedingten Beanspruchungen eingegangen und es werden rechtliche Grundlagen genannt. Weiter wird auf Auswirkungen auf das Unternehmen eingegangen und die Verpflichtungen, die sich rechtlich, aber auch faktisch für alle von der Pandemie betroffenen Unternehmen und Unternehmer:innen ergeben.

Fehlende Ressourcen im Arbeitsablauf

Jede:r einzelne von uns hat in den letzten Monaten sicher die eine oder andere Veränderung an sich selbst oder Menschen im privaten wie beruflichen Umfeld bemerkt. Manche haben beruflich noch zu tun oder sind in bis zu 100 % Kurzarbeit. Bei anderen sind Partner:innen oder andere Familienangehörige betroffen und die sozialen Kontakte, auch und gerade im beruflichen Umfeld sind stark reduziert und finden oft nur noch auf dem Bildschirm statt. Dazu kommt, wie der Leipziger Arbeitspsychologe Hannes Zacher in der LVZ am 26. November 2020 schrieb, dass neben fehlenden Kontakten den Menschen auch eine anhaltende Unsicherheit über ihre wirtschaftliche Situation zu schaffen mache und die Angst um den eigenen Arbeitsplatz oft schlimmer sein könne als Arbeitslosigkeit selbst.

Dabei merkt er an, dass wer mobil arbeite, bewusst und stärker auf sich achten müsse, Pausen einlegen, Kontakte zu Kollegen pflegen und auch Arbeitstage im Büro verbringen sollte – wenn möglich. Denn oftmals entfallen auch wichtige Ressourcen im täglichen Arbeitsablauf. Beispielsweise trennt dauerhaftes Homeoffice die Beschäftigten sowohl von Kolleg:innen als auch von Vorgesetzen. Eine motivierende örtliche Zusammenarbeit, gemeinsame Projekte, Veranstaltungen und Erfolgserlebnisse bleiben aus.

Psychische Beanspruchung steigt an

Zur Klärung der Begriffe sind „Belastung“ und „Beanspruchung“ im Sinne der DIN EN ISO 10075-1 zu betrachten:

  • „Psychische Belastung ist die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken.“
  • „Psychische Beanspruchung ist die unmittelbare (nicht langfristige) Auswirkung der psychischen Belastung im Individuum in Abhängigkeit von seinen jeweiligen überdauernden und augenblicklichen Voraussetzungen, einschließlich der individuellen Bewältigungsstrategien.“

Die Zunahme von psychischer Belastung und Beanspruchung als Reaktionen auf eine krisenhafte Situation kann zu Zuständen führen wie Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit, Existenzängsten und Ärger sowie dysfunktionalen Verhaltensweisen, wie z.B. auch ein erhöhter Alkohol-, Nikotin- oder Drogenkonsum. Die solchermaßen zusätzlichen und mehrfach belasteten Mitarbeiter fallen mit hoher Wahrscheinlichkeit aus und erkranken in der Regel nachhaltig und langfristig. Somit kann dem Unternehmen ein teurer Ausfall entstehen, ebenso natürlich wie der zugehörigen Familie.

Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zur psychischen Belastung der Beschäftigten werden die Merkmale psychischer Belastung und deren Ausprägung betrachtet und Schutzmaßnahmen definiert.
Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zur psychischen Belastung der Beschäftigten werden die Merkmale psychischer Belastung und deren Ausprägung betrachtet und Schutzmaßnahmen definiert. (Bild: SewCream/Shutterstock. No use without permission.)

Gefährdungsbeurteilung als Pflicht und Aufgabe

Aufgrund der großen Bedeutung für die Gesundheit der Beschäftigten wurde die Gefährdungsbeurteilung (GBU) zur psychischen Belastung der Beschäftigten in der Pandemie ausdrücklich als Pflicht aller Arbeitgeber:innen und Unternehmer:innen in die SARS-CoV-2 Arbeitsschutzregel und deren berufsgenossenschaftlichen Anpassungen aufgenommen. Zur Unterstützung existieren vielerlei Handlungshilfen bei den Berufsgenossenschaften und im Rahmen der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA, siehe Link).

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass Unternehmen bereits seit 2013 durch das Arbeitsschutzgesetz verpflichtet sind, generell die psychische Belastung ihrer Beschäftigten im Rahmen einer GBU zu betrachten und Schutzmaßnahmen umzusetzen. Dabei unterstützen die Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit.

Im Rahmen der GBU werden in der Regel die Merkmale psychischer Belastung der Mitarbeiter:innen und deren Ausprägung betrachtet und Schutzmaßnahmen definiert. So wurden bei der GDA im Rahmen des Arbeitsprogramms Psyche „Empfehlungen zur Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung“ erarbeitet. Die „Empfehlungen“ erläutern in sieben Schritten die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen, ihre Methoden und Instrumente. Einen ersten Selbstcheck zum Stand im Unternehmen können Unternehmer:innen mit dem INQA-Check „Gesundheit“ oder spezifisch dem psyGA-Analysetool durchführen (siehe Links).

Endlich wieder arbeiten – mit Vollgas oder Handbremse?

Viele Bürger:innen und vor allem viele Menschen in der Eventbranche sehnen sich nach über einem Jahr wieder nach Kultur, Konzerten, Messen und Kongressen. In einigen Bereichen werden bereits Pläne geschmiedet und Termine gebucht. In anderen sammelt sich noch der Staub auf den Maschinen und Lampen. Doch was wird passieren, wenn es wieder passiert? Wird alles wieder fluppen, wie früher? Können gleich wieder Messen unter dem gleichen Zeitdruck und Personaleinsatz aufgebaut werden wie zuvor? Sind die Messebauer:innen, Lichttechniker:innen und Rigger immer noch so leidens- und leistungsfähig wie Prä-Corona?

Das ist stark zu bezweifeln. In der Pandemie haben sich viele Branchenangehörige umorientiert und manche stellen fest, wie schön eine 40-Stunden-Woche und freie Familien-Wochenenden bei oft mehr Geld sein können. Die, die noch da sind, werden aus der Kurzarbeit geholt werden müssen und werden feststellen, was aktuell häufiger zu hören ist: dass Kenntnisse und Skills nicht mehr abrufbar sind. Dass Abläufe und Prozeduren, die vorher „im Schlaf“ leistbar waren, entfallen sind. Das Muskeln nachgelassen haben und die Hose enger sitzt.

Nach allen entsprechenden Regelwerken sind Unterweisungen bei Einstellung und danach mindestens einmal jährlich als Wiederholungsunterweisung nachweislich durchzuführen. Nach nun weit über einem Jahr an Stillstand wird es daher nicht mehr mit einer „Lies mal durch, das weißt Du doch“-Unterweisung getan sein. Im Gegenteil sollte die Wiederaufnahme des Betriebs dringend als eine sorgfältige und grundlegende Neu-Unterweisung/Onboarding durchgeführt werden. Es sollten möglichst ausführliche Trainings erfolgen, sei es an Arbeitsmitteln oder gar am eigenen Körper, je nach Tätigkeit. Ein erhöhter Zeitaufwand bei allen Tätigkeiten, innerbetrieblich wie vor allem auch in den Hallen der Republik, ist von allen Beteiligten einzuplanen, damit es nicht zu folgenschweren Unfällen kommt.

Vorwärtsbewegen

Von Einstein stammt der Spruch: „Das Leben ist wie ein Fahrrad. Man muss sich vorwärtsbewegen, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren.“ Dieses „Vorwärtsbewegen“ wünschen sich mittlerweile viele Kolleg:innen im Land. Die Erfahrungen aus der Krise, die neuen Ansätze zu arbeiten, die Möglichkeiten der Digitalisierung und Zusammenarbeit auch über die Entfernung sollten möglichst in der Wiederaufnahme bestehen bleiben und ausgebaut werden. Dazu gehört auch, das eigene Tun häufiger zu hinterfragen und insgesamt wahrhaftig nachhaltig zu werden. Inklusive besserer Arbeitsweisen und -zeiten und der Beachtung der menschlichen Komponente.


Linksammlung:

Kommentar zu diesem Artikel

  1. In der Tat hat diese lange Pandemie bei Vielen Arbeitnehmern und auch selbständigen Gewerbetreibenden erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen hervorgerufen. Teils durch den mangelnden Kontakt und Austausch mit Kollegen:innen und vor allem, gerade bei freiberuflich Tätigen, die Angst vor dem wirtschaftliche Ruin mit all seinen Folgen! Und dies wiederum ist eine starke psychische Belastung und endet bei vielen Menschen in einer permanenten psychischen Beanspruchung, die in vielen Fällen nur mit Hilfe eines ärztlichen Psychotherapeuten behandelt werden kann!
    Darum Danke für diesen Artikel und passen Sie gut auf sich auf !

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