Rechts- und Versicherungsfragen einfach erklärt

Coronavirus und Unwetter: Höhere Gewalt in Recht und Versicherung

Zuerst fegte Sturmtief Sabine übers Land, nun hält Covid-19 bzw. das Coronavirus (nicht nur) die Eventbranche im Griff. Was die beiden Situationen mit höherer Gewalt zu tun haben, erklären unsere Experten aus Recht und Versicherung.

Collage aus einem Bild auf dem Coronaviren zu sehen sind sowie einem Bild auf dem ein Baum mit einem Unwetter im Hintergund sichtbar ist.(Bild: Pexels, Pixabay)

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[Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel wurde erstmals im März 2020 veröffentlicht. Der Part “Die Rechtssicht” wurde vom Autor Thomas Waetke aktualisiert]


Übersicht:

Die Rechtssicht

Betroffene Rechtsbeziehungen

Rechtsfolgen der höheren Gewalt

Die Versicherungssicht

Bedrohungslage durch das Coronavirus

Epidemien sind absicherbar – SARS-CoV-2 oft nicht

Kein Event ohne Ausfallversicherung

Wettergefahren auch bei Indoor-Events


Die Rechtssicht von Thomas Waetke

Thomas Waetke
Thomas Waetke (Bild: Schutt, Waetke Rechtsanwälte)

Die höhere Gewalt ist ein „betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch äußerste, nach der Sachlage vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit vom Betriebsunternehmen in Kauf zu nehmen ist”, so beispielsweise die Beschreibung des Bundesgerichtshofs.

Auch eine Pandemie kann höhere Gewalt sein. Seit März 2020 haben wir bitter lernen müssen, wie schnell ein Ereignis wie eine Pandemie unser Leben durcheinanderwirbelt.

In vielen Verträgen gab es keine Klausel zur höheren Gewalt, was oftmals für Dienstleister unangenehm wurde: Sie verloren ihren Anspruch auf Vergütung. Aber auch Auftraggeber bzw. Mieter bekamen Probleme, wenn sie zwar bspw. die Miete bezahlen, aber die Veranstaltung trotzdem absagen mussten.

Gewöhnliche höhere Gewalt-Klauseln hatten bisher meist gut funktioniert bei Ereignissen wie Vulkanausbrüchen, Hochwasser oder Streiks. Die Pandemie aber ist anders: Während ein Vulkanausbruch bspw. nur zeitlich und räumlich begrenzt wenige Menschen betrifft, betrifft die Pandemie nahezu jeden Menschen auf der Welt. Auch der Zeitfaktor spielt den Vertragspartnern übel mit: Ein ständiges auf und ab von Lockdowns, Beschränkungen und Lockerungen untergräbt jegliche verlässliche Planung.

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Betroffene Rechtsbeziehungen

Das Problem liegt darin, dass die Pandemie als solche nicht automatisch jede vertraglich geschuldete Leistung unmöglich macht. Wird bspw. in einer Landes-Corona-Verordnung lediglich die Veranstaltung verboten bzw. die Besucherzahlen beschränkt, bedeutet das nicht automatisch, dass auch die Leistung bspw. eines Raumvermieters oder Caterers ebenfalls unmöglich geworden sind – jedenfalls solange nicht auch diese Leistungen verboten wurden.

So kann es durchaus passieren, dass ein Veranstalter die Miete für die gemietete Veranstaltungsstätte bezahlen muss – oder kann sich der Veranstalter ggf. auf den sog. Wegfall der Geschäftsgrundlage (siehe § 313 BGB) berufen? Die damit verbundenen Rechtsfragen sind hoch umstritten, es fehlen hierzu wegweisende Gerichtsentscheidungen.

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Rechtsfolgen der höheren Gewalt

Es gilt der Grundsatz „Pacta sund servanda“, also Verträge muss man einhalten. Es gibt einige wenige, im Gesetz geregelte Fälle, wann man sich nicht mehr an einen Vertrag halten muss – Kündigung, Anfechtung, Rücktritt bei Verzug – oder eben auch die sogenannte Unmöglichkeit. Wenn eine Leistung unmöglich zu erbringen ist, dann muss sie auch nicht erbracht werden. Ist die Halle abgebrannt, kann sie nicht mehr an den Mieter überlassen werden – oder anders gesagt: Die vertraglich geschuldete Überlassung ist unmöglich geworden.

Die höhere Gewalt ist eine von mehreren Varianten der Unmöglichkeit: Es gibt die selbst verschuldete Unmöglichkeit. Der Künstler verschläft morgens zum Beispiel und fährt viel zu spät los zu seinem Auftritt, den er nicht mehr rechtzeitig erreicht. Und es gibt die Unmöglichkeit, für die niemand etwas kann – wie die höhere Gewalt. Je nach Unmöglichkeit gibt es unterschiedliche Rechtsfolgen: einmal bezüglich der vertraglich geschuldeten Leistungen – beispielsweise Halle überlassen einerseits und Miete bezahlen andererseits –, und einmal bezüglich des Schadenersatzes.

Im Beispiel unseres Künstlers ist sein Auftritt unmöglich, also muss er nicht mehr auftreten. Umgekehrt muss aber auch der Veranstalter nicht leisten, also die Gage nicht bezahlen. Damit sind die vertraglich geschuldeten Leistungen erledigt. Da der Künstler die Unmöglichkeit aber verschuldet hat, ist er grundsätzlich sogar schadenersatzpflichtig.

Anders ist das bei der „richtigen“ höheren Gewalt: Hier gehen beide Vertragspartner auseinander, als ob sie keinen Vertrag geschlossen hätten – jeder bleibt auf seinen Kosten alleine sitzen. Das Risiko der höheren Gewalt wird also auf alle verteilt.

Nur im B2B-Vertragsverhältnis kann man dieses Risiko anders verteilen, sodass man beispielsweise eben die bis zum Eintreten des Ereignisses erbrachten Leistungen vergütet bekommt oder die Miete nicht bezahlen muss, obwohl die Veranstaltung verboten ist.

Der Vorteil eines Vertrages: Beide Vertragspartner können im Voraus regeln, was passieren soll, wenn die Abwicklung des Vertrages irgendwann durch irgendetwas gestört wird – bspw. durch höhere Gewalt. Hier gibt es eine Vielzahl von Konstellationen, die denkbar sind: Zum Beispiel wenn es kein Verbot gibt, sondern nur dringende Empfehlungen seitens der Behörden. Im B2B-Vertrag kann man solche Fälle regeln und auch, was mit der vereinbarten Bezahlung passieren soll.

Außerdem hat die Pandemie gelehrt, dass eine Verlegung von Ort, Zeit bzw. auch Programm notwendig sein kann, als milderes Mittel vor einer Absage. Das gilt auch für die Reduzierung der Teilnehmerzahlen, was sich auf Sponsorengelder, Raumgrößen usw. auswirkt. Und schließlich kann eine Verlegung von der Präsenzveranstaltung in die Digitalität relevant werden: Sobald die Veranstaltung den geschlossenen Raum quasi ins Internet „verlässt“, tauchen einige zusätzliche Rechtsfragen auf: Ich erinnere hier nur an den Datenschutz oder das Urheberrecht.

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1. Karlsruher Eventrecht-Tagen am 16. und 17. März

Übrigens: Die vertragliche Absicherung mit Geheimnisschutz, Lizenzklauseln und auch der höheren Gewalt sind Teil des Vortrages von Thomas Waetke auf den 1. Karlsruher Eventrecht-Tagen am 16. und 17. März 2021 von Eventfaq. Auf dem hybriden Kongress erfahren die Teilnehmer an zwei Tagen von zehn Referenten Wissenswertes zu 12 aktuellen Rechtsthemen.

>> Das Programm und die Anmeldung finden Sie auf https://eventfaq.de/ket


Die Versicherungssicht von Christian Raith

Christian Raith
Christian Raith (Bild: erpam GmbH )

Betrachtet man die beiden Themen Sturmtief Sabine und das Coronavirus, würde man zunächst vermuten, dass sie eigentlich nichts miteinander zu tun haben. Für die Eventbranche sind in beiden Fällen jedoch Veranstaltungen gefährdet und es kann zu Absagen, Verschiebungen oder Veränderungen kommen. Das bedeutet für die Veranstalter finanzielle Einbußen oder schlicht und ergreifend den Wegfall des Events.

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Bedrohungslage durch das Coronavirus

Beginnen wir zunächst mit dem Virus, dieses beschäftigt uns alle schon ein wenig länger und zieht sich wahrscheinlich auch noch ein wenig in die Länge. Sabine ist bis dahin sicherlich schon vergessen und andere Stürme halten Einzug.

Wer hätte gedacht, dass es soweit kommen kann? Ein Virus durchkreuzt die Planungen? Wir haben jedes Jahr Grippewellen mit zahlreichen Toten. Aber das gehört eben zum normalen Lebensrisiko und man kann damit umgehen.

Die meisten Eventagenturen oder Veranstalter haben keinen Versicherungsschutz für solche Fälle abgeschlossen und wissen vielleicht gar nicht, dass man entsprechende Policen kaufen kann. Der Ausfall einer geplanten Veranstaltung oder auch Eventreihe kann sehr schnell zu großen finanziellen Belastungen führen. Es muss gar nicht die Totalabsage sein, bereits eine Verlegung oder Teilabsage führen zu erheblichen Mehrkosten. Dabei ist es egal, ob es sich um Events mit zahlendem Publikum handelt oder um andere Projekte. Da kann es um sechs- oder siebenstellige Beträge gehen. Wir selbst kamen auch schon in den Genuss, aufgrund des Virus Schäden zu regulieren.

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Epidemien sind absicherbar – SARS-CoV-2 oft nicht

Die gute Nachricht vorneweg: Man kann sich auch für den Ausfall, die Verschiebung, Veränderung etc. durch Epidemien, Pandemien und Seuchen versichern. Je nach Versicherungsanbieter sind derartige Schäden sowieso schon im Rahmen der Ausfallbedingungen mitversichert oder man kann dies gegen Prämienzuschlag separat mitversichern. Die Policen gehen bei 0,5% aus der Versicherungssumme (das können die Kosten oder auch Einnahmen sein) los und sollten einfach bei jedem Event in die Budgetplanung aufgenommen werden. Natürlich gehen die Prämien nach oben, wenn es darum geht, spezielle Personen (Künstler, Redner etc.) zu versichern, oder ich ein Event im Freien habe.

Die schlechte Nachricht ist, dass die Anzahl der Anbieter im Bereich Ausfallversicherung (international als Contingency Insurance bekannt) übersichtlich ist und der Großteil dieser Versicherer bereits einen generellen Ausschluss von Schäden durch das Coronavirus formuliert hat. Das bedeutet, dass es heute schon sehr schwierig wird, zukünftige Veranstaltungen gegen das derzeit bekannte Virus zu versichern.

Für international agierende Versicherer ist solch eine Epidemie ein Kumulrisiko, wodurch die Reaktionen der Versicherer zwar nachvollziehbar werden, aber dennoch für den Endkunden keine Lösung darstellen. Glücklich sind all die Kunden, die bereits im Vorfeld die Policen abgeschlossen haben oder derzeit noch Versicherungsschutz erreichen können.

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Kein Event ohne Ausfallversicherung

Als Fazit kann nur festgehalten werden, dass es immer wieder neue Ereignisse gibt und geben wird, die den Ablauf einer Veranstaltung beeinträchtigen oder unmöglich machen. Kein Mensch hat vor Jahren an eine Aschewolke gedacht, bis letztes Jahr keiner an eine Epidemie mit derartigen weltweiten Auswirkungen. Daher kann die Empfehlung nur sein, sich im Vorfeld Gedanken über mögliche Absagen zu machen und eine Ausfallversicherung fest in die Budgetplanung aufzunehmen. Der Bereich Seuchen, Pandemien und Epidemien ist dabei nur ein kleiner Aspekt des Versicherungsschutzes. Generell sind – bis auf ein paar Ausschlüsse – alle Gründe mitversichert, welche nicht im Einflussbereich des Veranstalters bzw. Versicherungsnehmers liegen. Also fast eine „eierlegende Wollmilchsau“. Daher machen wir gleich weiter mit dem Thema Ausfallversicherung und kommen zurück zu Sabine …

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Wettergefahren auch bei Indoor-Events

Wie schon erwähnt, ist auch der Ausfall durch Wetter ein Teil der Ausfallversicherung. Übrigens nicht nur eine Gefahr für die Open-Air-Saison, sondern auch für klassische Indoor-Events. Diese können beispielsweise durch die Gefahr eines Gebäudeschadens oder durch das Risiko von umstürzenden Bäumen auf dem Parkplatz bzw. dem Weg zur Veranstaltung behördlich verboten werden.

Muss ich bei solchen Wetterkapriolen und der dadurch bedingten Absage überhaupt meine Gagen bezahlen? Bekommen die Kunden ihr Eintrittsgeld zurück? Die rechtlichen Fragen erklärt Thomas Waetke in seinem Bericht. Aus Sicht der Versicherung lässt sich sagen, dass die Einnahmen oder auch die Kosten, Gage und Gewinn versichert sind, sofern der Kunde diese angegeben hat. Die Versicherung erstattet dann die Kosten, wenn der Veranstalter dazu aufgrund von Verträgen oder Rechtsprechungen verpflichtet ist. Am Ende sollte der Kunde so dastehen, als hätte es die Störung der Veranstaltung nicht gegeben. Sogar sein Gewinn wäre versichert und wird erstattet.

Der Unterschied zwischen Indoor- und Outdoor-Events ist jedoch, dass bei Outdoor-Veranstaltungen eine Zusatzprämie für Wetter gezahlt werden muss. Durch eine geringere Gefahr bei Indoor-Events ist dies beitragsfrei mitversichert. Auch der Ausfall des Künstlers, der z.B. aufgrund von Flugabsagen nicht anreisen kann, ist über eine Ausfallversicherung mitversichert, wenn das Wording passt. Wie immer an der Stelle der Hinweis, dass man diese Art der Veranstaltung bestenfalls bei Spezialmaklern abschließen sollte, denn dort stimmen die Beratung und die Produkte.

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Dieser Artikel ist sehr interessant und hilfreich in Bezug auf die zukünftige Planung von Veranstaltungen und deren zunehmende Risiken. Vielen Dank den beiden sachkundigen Interviewpartnern! Die erpam GmbH als leistungsstarker Versicherungsmakler im Veranstaltungswesen ist mir bekannt.

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  2. Guten Tag sehr geehrter Herr Waetke,

    können Sie mir bitte eine/mehrere Versicherung(en) benennen, die im Falle des Corona-Virus
    (höhere Gewalt) die bereits gezahlten Kosten für eine nicht durchführbare Überfahrt mit einer Fähre im Juni d.J. (hier: Livorno-Sardinien) übernimmt ?
    Besten Dank, mit freundlichen Grüßen
    D.Heckmann

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  3. Sehr interessante Einschätzung bzgl. Höherer Gewalt. Das könnte vielen Kolleginnen und Kollegen im Eventbereich helfen, und auch ausstellenden Unternehmen, sofern diese Einschätzung geteilt wird. Ist aber vermutlich anders, wenn die Absage auf Anordnung der Behörden erfolgt. Aber auch da sollte eine Ausfallversicherung helfen – wohl dem der eine hat.

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  4. “Pacta sunt servanda”, wenn ich bitten darf 😉

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  5. Zitat: “Das Problem an so einem medial aufgebauschten Virus ist, dass Behörden verunsichert sind und lieber einmal mehr eine Veranstaltung absagen, als dass man hinterher als „Verteiler” dieser Krankheit gilt.”

    Medial aufgebauscht? Ich denke, dass wir über diese Formulierung noch einmal in ein paar Monaten sprechen.

    Die Darstellung zur “richtigen” höheren Gewalt könnte falsch verstanden werden. In diesem Fall sind beide Parteien von ihrer Leistungspflicht befreit – dies bedeutet, dass auch eine bereits gezahlte Vergütung zurückzuzahlen ist und der Leistungsschuldner (Künstler, Veranstalter…) seine Leistung nicht zu erbrinden hat. Kurz gefasst: Keine Leistung, kein Geld…

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