Rechts- und Versicherungsfragen einfach erklärt

Corona-Pandemie: Regeln, Verträge und Versicherungen – das ändert sich

Die Corona-Pandemie hat die Eventbranche nachhaltig erschüttert. Auch Regeln, Verträge und Versicherungen sind davon betroffen. Was sich ändert, erklären unsere Experten aus Recht und Versicherung.

Dokument, Vertrag(Bild: Shutterstock / PROKOPEVA IRINA VERTRAG)

[Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel stammt von Oktober 2020]

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Die Rechtssicht von Thomas Waetke

Thomas Waetke
Thomas Waetke (Bild: Schutt, Waetke Rechtsanwälte)

Die Corona-Pandemie stellt die Veranstaltungswirtschaft vor gigantische Herausforderungen. Dazu zählt auch, dass es keine belastbaren juristischen Lösungen gibt. Die Situation ist derart neu, dass dazu keine Gerichtsurteile existieren, an denen man sich orientieren könnte. Die letzten größeren Ereignisse von Höherer Gewalt waren der Golfkrieg, der Vulkanausbruch in Island bzw. Terroranschläge. Aber alle diese Ereignisse hatten eines gemeinsam: Sie waren zeitlich, örtlich und persönlich beschränkt auf einen kleinen Teil der Welt und einen kleinen Teil der Weltbevölkerung. Die SARS-CoV-2-Pandemie ist anders: Es gibt kaum eine Region auf der Welt, die nicht massiv betroffen wäre.

Daher fällt es auch schwer, die althergebrachten juristischen Lösungen aus Golfkrieg oder Vulkanausbruch einfach so auf die Pandemie zu übertragen. Mit welchen Rechtsfragen die Beteiligten einer Veranstaltung in der Pandemiezeit konfrontiert sind, stelle ich hier beispielhaft vor.

Kommen neue Verbote überraschend?

Wird jetzt ein Vertrag für eine Veranstaltung in der Zukunft geschlossen, müssen beide Vertragspartner damit rechnen, dass neue, verstärkte, gesetzgeberische Maßnahmen die Vertragsdurchführung stören können. Diese Erkenntnis stellt aber in Frage, ob sich die Vertragspartner dann noch auf Höhere Gewalt berufen könnten: Denn eine Voraussetzung der Höheren Gewalt ist die Unvorhersehbarkeit des Eintritts des Ereignisses. Es ist unklar, ob die Gerichte ein späteres Verbot als unvorhersehbar bewerten, nur weil es bei Vertragsschluss nicht unwahrscheinlich war.

Um diese Unsicherheit zu vermeiden, sollten die Vertragspartner im Vertrag vereinbaren, ob bzw. dass auch neue Verbote als unvorhersehbar gelten bzw. man sich auf Höhere Gewalt berufen kann.

Was ist Höhere Gewalt?

Die bisherigen einfachen Klauseln in den Verträgen reichen in den meisten Fällen nicht mehr aus. Denn wenn man Streit vermeiden möchte, sollte man regeln, welcher Tatbestand als Höhere Gewalt gelten soll, und welcher nicht. Zwei Beispiele:

Es kann sein, dass die Durchführung der Veranstaltung verboten wird. Ist damit aber dann auch der Mietvertrag für die Location von Höherer Gewalt betroffen? Gilt auch eine Empfehlung der Behörden als Höhere Gewalt? Oder doch nur ein angeordnetes Verbot?

Wer ist für Hygienemaßnahmen verantwortlich?

Die Landesverordnungen zum Schutz vor dem Coronavirus geben für Veranstaltungen den Rahmen vor, sowohl die Anzahl der Teilnehmer als auch die notwendigen Maßnahmen. Vielfach wird ein Hygienekonzept gefordert. Hierfür gelten die gleichen Regeln wie beispielsweise beim Sicherheitskonzept oder beim Datenschutzkonzept: Wer muss das Hygienekonzept erstellen? Wer muss die Einhaltung überwachen? Anders gefragt: Wer ist dafür verantwortlich?

Üblicherweise „erleichtert ein Blick ins Gesetz die Rechtsfindung“, wie es so schön heißt. Also: Anhand der jeweiligen Landesverordnung, in dessen Bundesland die Veranstaltung stattfindet, ist zu prüfen, wie die Zuständigkeit geregelt ist. Leider sind manche Landesverordnungen hier reichlich undifferenziert, da über einen Kamm scherend sowohl Betreiber der Locations als auch Veranstalter als verantwortlich bezeichnet werden. In diesen Fällen – wenn also keine klare Zuständigkeit vergeben ist – muss der Verordnungstext ausgelegt werden: Bei welchem Beteiligten wäre die Zuständigkeit logisch bzw. sachnäher? Gelingt die Auslegung nicht, sollten Veranstalter und Betreiber diese Frage vertraglich klären.

Achtung: Keinesfalls sollte man ohne Not Verantwortung übernehmen, nur weil man glaubt, man sei verantwortlich o.ä. Denn die Rechtsfolgen bei Fehlern sind ja nahezu unüberschaubar.

Außerdem dürfen auch die bei einer Veranstaltung anwesenden Arbeitgeber ihre Pflichten aus dem Arbeitsschutz nicht vergessen, für die Sicherheit ihrer Beschäftigten zu sorgen. Das bedeutet, um eine Abstimmung bzw. Koordination, die ohnehin arbeitsschutzrechtlich vielfach notwendig ist, kommt man auch in Hygieneangelegenheiten nicht herum.

Wichtig: Derlei Überlegungen und Abstimmungsergebnisse sollten unbedingt schriftlich dokumentiert werden!

Welche Regeln gelten?

Wie bei anderen Gesetzen und Verordnungen auch sind die Corona-Verordnungen grundsätzlich nicht für den Einzelfall gemacht. In den Verordnungen finden sich etwa Bestimmungen zu Märkten, Kongressen oder Messen; aber Incentives, Tagungen, Meetings oder natürlich Mischformen sind selten explizit genannt. Wer eine Veranstaltung plant, muss herausfinden, welche Regeln er beachten muss. Wie immer gilt: Die Vorgaben aus der Corona-Verordnung sind grundsätzlich als Mindestanforderungen zu verstehen; der Verantwortliche muss für den individuellen Einzelfall prüfen, ob er weitergehende Maßnahmen ergreifen muss. Umgekehrt bedeutet das aber nicht, dass man wahllos jede denkbare Maßnahme ergreifen müsste.

Juristisch ist das oftmals nicht einfach, wie man am Beispiel der „Konferenz/Tagung“ sieht, die ein beispielhafter Veranstalter durchführen möchte. Zunächst gilt der Verordnungstext im Wortlaut; findet man in der Verordnung nicht die Veranstaltungsart „Konferenz/Tagung“, kann der Verordnungstext ausgelegt werden: Eine Auslegung nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift kann nun dazu führen, dass die „Logik“ zu einer Anpassung des Wortlauts führt. Ist beispielsweise ein „Konzert/ Theater“ zu den Bedingungen A erlaubt, und ein „Kongress“ zu den Bedingungen B, muss der Veranstalter prüfen, ob seine „Konferenz/Tagung“ eher einem Konzert ähnelt oder einem Kongress. Bei der einen Veranstaltung kommen alle gleichzeitig und sitzen die ganze Zeit; bei der anderen Veranstaltung bewegen sich die Teilnehmer gegebenenfalls zwischen den verschiedenen Vortragsräumen. So kann diese Auslegung ergeben, dass die geplante Konferenz zu den Bedingungen A („Konzert/Theater“) stattfinden kann. Auch hier gilt: Diese Prüfung sollte unbedingt schriftlich dokumentiert werden!


Über den Autor:

Thomas Waetke ist Rechtsanwalt und spezialisiert auf das Veranstaltungsrecht. Er ist Dozent, Buchautor und Herausgeber des Internetportals eventfaq.de. E-Mail: thomas@eventfaq.de


Die Versicherungssicht von Christian Raith

Christian Raith
Christian Raith (Bild: erpam GmbH )

Nach dem Verbot von Großveranstaltungen Mitte April, vielen Schadensmeldungen und daraus folgenden Gutachterterminen haben wir die letzten Wochen damit verbracht, die Schäden abzuschließen. Ein Großteil unserer Kunden hat also die Schadenregulierung hinter sich. Bisher waren alle mit dem Ergebnis zufrieden und die Regulierungen wurden mindestens erwartungsgemäß abgeschlossen.

Das ist nicht immer ganz leicht. Auf allen Positionen sitzen Menschen, daher findet man oft die unterschiedlichsten Regulierungspraxen und Argumentationen. Manchmal entsteht der Eindruck, die Versicherer würden versuchen, jeden Euro zu sparen. Gagen werden in Frage gestellt, Bedingungen nach individuellem Ermessen ausgelegt und es wird um jeden Euro bei den prognostizierten Einnahmen gefeilscht. Man könnte annehmen, jeder würde nur auf sein eigenes Ergebnis schauen. Früher gab es eine Etikette, man hat sich an die Bedingungen gehalten. Heute wird gegen Regeln verstoßen und dies dann mit einem entspannten „dann muss uns der Kunde eben verklagen“ kommentiert. Wohlweislich, dass der Kunde weder die Zeit noch das Geld hat, diesen Rechtsstreit zu führen. Es ist also schon sehr viel Überzeugungsarbeit vom Makler zu leisten, um für den Kunden die richtige und bedingungsgemäße Regulierung zu erreichen.

Zukunft oder das „New Normal“

Leider fordern für die Zukunft alle Versicherer bei allen Maklern und Kunden den sogenannten Pandemieausschluss, der sich auch auf Epidemien, Endemien und andere Seuchen bezieht. Zukünftig ist also keine Deckung mehr für ein derartiges Ereignis zu bekommen. Ich gehe zwar davon aus, dass sich dies im Laufe der Zeit wieder ändern wird und man derartige Dinge wieder versichern kann; jedoch nicht in den nächsten Jahren. Eine ähnliche Entwicklung hat auch der Terrorausschluss nach 9/11 durchlebt. Heute ist Terror in einigen Bedingungen schon wieder standardmäßig mitversichert.

Neben den Bedingungen werden sich leider auch die Preise ändern. Ich habe in der Spitze schon Forderungen mit bis zu 400% Erhöhung gelesen. Hier heißt es freundlich bleiben. Schließlich könnte es sein, dass man die Kapazitäten noch für die Versicherung eines sehr großen Events oder einer Eventreihe benötigt. Zudem verringern sich die Kapazitäten aktuell ein wenig, denn manche Versicherer haben einfach keinen Appetit mehr auf Ausfallversicherungen. So fehlen bis heute ein paar Versicherer, die sich noch nicht geäußert haben, ob und in welcher Höhe sie weitermachen werden.

Einige Versicherer nutzen diese Gelegenheit, um die Bedingungen sehr zum Nachteil von Kunden zu ändern, auch wenn die geforderten Punkte nichts mit der Pandemie zu tun haben. Es scheint so, als würde aus einem bisherigen Mercedes nun ein Dacia, aber für den Preis eines Porsche.

Trotz eines generellen Ausschusses von Pandemien wird die Versicherung von Events also teuer. Ab ca. 1 bis 2% wird man weiterhin eine Ausfallversicherung bekommen. Die Gefahren haben sich nicht verkleinert. Auch wenn aktuell jeder auf die Pandemie schaut, so bleiben weiterhin das Wetter im Freiluftbereich, der Ausfall von Speakern oder Künstlern, die Fliegerbombe, der Brand, die Überschwemmung, der Terror, die Pietät, der Stromausfall und viele andere Unmöglichkeiten zur Durchführung von Events bestehen.

Sollte das Event doch aufgrund von Corona ausfallen, wird die Versicherung im Normalfall p.r.t. abgerechnet, sprich Versicherte zahlen nur die anteilige Prämie, die bis Absage der Veranstaltung aufgelaufen ist. Gerade im Personenausfallbereich zeigt sich auch klar, dass der Versicherer ab Abschluss im Risiko und in der Deckung stand, dafür möchte er natürlich auch sein Geld haben.

Eventverantwortliche sollten also nach wie vor bereits im Vorfeld an den Ausfall der Veranstaltung denken und mit einem Anwalt oder Makler bereits in der Budgetphase sprechen. Das kann viel Ärger ersparen. Was nicht versichert werden kann, muss vertraglich möglichst so gestaltet werden, dass die Gefahr nicht bei einem selbst liegt, sondern auf die Dienstleister ausgelagert wird. Zumindest soweit, wie es die Partnerschaft hergibt und es auch vertraglich noch formulierbar ist.


Über den Autor:

Christian Raith ist geschäftsführender Gesellschafter der erpam GmbH, einem seit über 30 Jahren agierenden Spezialversicherungsmakler im Entertainmentbereich. Mit seinem Team beschäftigt er sich täglich mit den Versicherungsfragen rund um die Event- und Entertainmentbranche.

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Vielen Dank für den informativen Artikel bzgl. Veranstaltungsverträge und Versicherungen für Events. Gebe den Link gerne weiter an meine Beratungsklienten aus der Musik- und Eventbranche.

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  2. Kann dem hier Ausgeführten nur zustimmen!
    Wir haben die gleichen Erfahrungen gemacht und freuen uns, in der Schadensabwicklung bewiesen zu haben, wie existentiell es für unsere Veranstalter war, eine Ausfallversicherung noch bis Mitte Februar 2020 abgeschlossen zu haben.
    Lasst uns gemeinsam etwas dafür tun, dass Events wieder Normalität werden! Jeder kann dazu beitragen!

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