Stressfaktoren bei projektbezogener Arbeit

Stressmanagement in der Eventbranche

Die Eventbranche ist ein projektbezogenes Metier, und gerade bei Projektarbeit ist Stress oft unvermeidlich. Doch wie entsteht Stress und wie kann man ihm entgegenwirken? Liza Funke ging dem Thema in ihrer Bachelorarbeit auf den Grund.

Stress-Zweifel-Arbeit-Büro-Überforderung(Bild: Shutterstock / ESB Professional)

In unserer modernen und schnelllebigen Gesellschaft bekommt das Thema Stress eine immer größere Bedeutung. Viele Aufgaben und Lebensbereiche müssen in Einklang gebracht werden, was zu einem steigenden Stresslevel führt. Für 46 % der Menschen in Deutschland ist der Beruf der zentrale Stressfaktor. Insbesondere Menschen mit projektbezogener Arbeit sind anfällig für einen schwankenden Stresslevel mit extremen Spitzen. Dazu gehören auch Eventmanager:innen. Sie arbeiten in einem sehr vielgestaltigen, herausfordernden Gebiet und sind täglich mit einer Vielzahl unterschiedlichster Aufgaben konfrontiert. Daraus lässt sich eine erhöhte Anfälligkeit für Stress ableiten, welcher sich auf lange Sicht zumeist in der Gesundheit niederschlägt.

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Daher stellt sich die Frage, wie und durch welche Faktoren sich beruflicher Stress auf Eventmanager:innen in ihrer projektbezogenen Arbeit auswirkt. Aus den gewonnenen Erkenntnissen können Maßnahmen abgeleitet werden, wie Mitarbeiter:innen selbst, aber auch Vorgesetzte Stressfaktoren noch vor ihrem Erscheinen entgegenwirken können.


Übersicht

Untersuchungsmethodik

Arbeitsanforderungen

Arbeitsressourcen

Stressoren als Hindernis oder Challenge

Negative Verhaltensänderungen

Bedeutung von Entspannungsphasen und Puffern

Ressourcen zur Stressbewältigung

Bewertung der Professur

Über die Autorin


Untersuchungsmethodik

Zur Untersuchung der Stressfaktoren wurde eine qualitative Studie mit Hilfe von Interviews durchgeführt. Durch eine gezielte Stichprobenziehung wurden die Interviewpartner:innen ausgewählt. Der Fokus war dabei auf Eventagenturen in Bayern gerichtet, speziell auf Eventagenturen mit einer Mitarbeiterzahl von zehn bis 30 Personen. Aus drei ausgewählten Agenturen wurden jeweils ein Senior Projektmanager:innen sowie ein Junior Projektmanager:innen befragt. Die Senior Projektmanager:innen sind kategorisiert mit fünf bis 20 Projekten gleichzeitig und Budgetverantwortungen im sechs- oder siebenstelligen Bereich. Junior Projektmanager:innen hingegen haben eine geringe Budgetverantwortung im drei- oder vierstelligen Bereich bei drei bis fünf parallelen Veranstaltungen.

Gesamt wurde ein Stichprobenplan mit sechs möglichst unterschiedlichen Personen erstellt, um eine heterogene Stichprobe zu bilden und dadurch eine größtmögliche Anzahl an verschiedenen Stressfaktoren, Stressauswirkungen und Arbeitsressourcen zu erhalten.

Als theoretische Grundlage für die Datenerhebung, -strukturierung und -auswertung wurde das JD-R Model (Job-Demand-Resources Model) nach Bakker und Demerouti (2007) herangezogen, das im Folgenden als Arbeitsanforderungen-Arbeitsressourcen Modell eingeführt wird.

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JD-R Modell(Bild: Bakker und Demerouti (2007), eigene Darstellung)

Arbeitsanforderungen

Die Arbeitsanforderungen oder auch Stressoren sind „diejenigen physischen, sozialen oder organisatorischen Aspekte der Arbeit, die eine anhaltende körperliche oder geistige Anstrengung erfordern und daher mit bestimmten physiologischen und psychologischen Kosten verbunden sind“. Beispiele hierfür sind unter anderem Zeitdruck, fehlende Unterstützung von Vorgesetzten, unklare Kommunikation oder eine hohe Arbeitslast.

Generell können Arbeitsanforderungen sowohl eine Challenge sein, die Mitarbeiter positiv zu Leistung motiviert. Andere Anforderung hingegen sind Hindernisse und beschränken den Mitarbeiter:innen in seiner Arbeitsleistung. Ob eine Anforderung eine Challenge oder ein Hindernis ist, wird durch jeden Mitarbeiter subjektiv wahrgenommen und entschieden.

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Arbeitsressourcen

Bei den Arbeitsressourcen handelt es sich um „die physischen, psychischen, sozialen oder organisatorischen Aspekte der Arbeit, die eine der folgenden Aufgaben erfüllen können: (a) bei der Erreichung von Arbeitszielen unterstützen; (b) die Arbeitsanforderungen und die damit verbundenen physiologischen und psychologischen Kosten reduzieren; (c) das persönliche Wachstum und die persönliche Entwicklung fördern“ (Demerouti et al., 2001:501). Regelmäßiges Feedback, Aufgabenvielfalt, eine positive Teamatmosphäre oder Beteiligung an Entscheidungsfindungen sind nur ein paar Beispiele für Arbeitsressourcen.

Die Leistung am Arbeitsplatz wird maßgeblich von den Arbeitsanforderungen und den Arbeitsressourcen beeinflusst. Diese weisen eine eindeutige Verbindung zueinander auf, da die Ressourcen als Puffer zwischen den Anforderungen und den Stressauswirkungen fungieren. Wenn ein Mitarbeiter Zugang zu verschiedenen Ressourcen in seinem Arbeitsumfeld hat, können die Stressauswirkungen sichtbar reduziert werden. Welche Ressourcen welche Anforderungen abmildern, kann nicht eindeutig gesagt werden. Dies unterscheidet sich je nach Arbeitsumfeld und Unternehmensstruktur. Zusätzlich können mehrere Anforderungen durch mehrere Ressourcen gepuffert werden.

Sollte ein:e Mitarbeiter:in nicht genügend Ressourcen haben, um die negativen Effekte der Anforderungen zu reduzieren, resultieren daraus gesundheitsschädliche Prozesse, welche eine hohe Belastung auf den/die Mitarbeiter:in ausüben. Diese Prozesse können sich als gestörtes Essverhalten, unruhige Schlafmuster oder sogar Burn-out manifestieren, welche die Gesundheit der Mitarbeiter:innen nachhaltig schädigen.

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Stressoren als Hindernis oder Challenge

Im Rahmen der Interviews wurden zuerst die Anforderungen, welche als Hindernis wahrgenommen werden, untersucht. Vor allem Junior Projektmanager:innen erwähnten den Zeitdruck und die Parallelität der Aufgaben als Stressoren. Für Senior Projektmanager:innen stellten hauptsächlich Missverständnisse im Team, die Verteilung von Verantwortung und eine schwierige Kommunikation mit dem Kunden Hindernisse im Arbeitsalltag dar. Des Weiteren sind viele spontane Änderungen der Kunden ein Stressor, sowohl für die Junior als auch die Senior Projektmanager:innen, und wirken sich negativ auf den Stresslevel aus.

Neue Anforderungen, welche zuvor noch nicht erwähnt wurden, sind schlechte Briefings der Kunden, mangelnde Fortschritte bei einzelnen Projektaufgaben, sowie die fehlende Kompetenz der Subunternehmer.

Die Interviewten gaben jedoch auch an, dass bestimmte Stressoren als Challenge wirken können. Hierzu zählen unter anderem, dass viele neue Dinge erlernt und das Wissen stetig erweitert werden können. Für manche Projektmanager:innen sind auch viele parallele Aufgaben und Projekte eher eine Challenge als ein Hindernis, da es sie motiviert, produktiv arbeiten zu können. Hier handelt es sich jedoch um eine persönliche Empfindung, da jede:r Mitarbeiter:in einen anderen Level an Anforderungen bewältigen kann.

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Negative Verhaltensänderungen

Aus den angegebenen Anforderungen, welche an Junior sowie Senior Projektmanager:innen in Eventagenturen gestellt werden und den daraus resultierenden negativen Stresseffekten leiten sich verschiedene Verhaltensänderungen als gesundheitsschädliche Auswirkungen ab. Vier Verhaltensänderungen wurden von den Junior und Senior Projektmanager:innen angegeben.

Hierzu zählt unter anderem ein gestörtes Essverhalten, da das Essen durch zu viel Arbeit vergessen wird. Die soziale Isolation von Freunden, Familie und Kolleg:innen ist ein weiterer Aspekt der Verhaltensänderungen. Die meiste Isolation geschieht unwillkürlich durch zu wenig Zeit für Gespräche mit Kolleg:innen oder zu wenig Freizeit für Treffen mit Freund:innen. Die Befragten gaben außerdem an, dass sie leichter reizbar sind und sehr schnell unverhältnismäßige Reaktionen zeigen. Zusätzlich weisen die Projektmanager:innen eine Unfähigkeit zur Entspannung auf. Die Arbeit wird mit nach Hause genommen, was es unmöglich macht, abzuschalten. Die einzige psychologische Beeinträchtigung bei den Projektmanager:innen ist das veränderte Schlafverhalten, da die Interviewten angaben, unruhiger und weniger zu schlafen. Dies führt zu mehr Müdigkeit am Arbeitsplatz und erhöht die Anfälligkeit für weitere Stressoren.

Die Auswirkungen im Verhalten und in der Psyche spiegeln sich ebenfalls negativ in der Arbeitsleistung wider. Die Befragten bestätigten, dass unter hohem Stress die Anfälligkeit für Fehler im Projektablauf größer ist, da die Konzentrationsfähigkeit nachlässt.

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Entspannung-Resilienz-Stress-Arbeit-Büro-Kollegen
Je länger die Stressphase, desto länger dauert es, das Stresslevel wieder auf eine normale Basis zurückzubringen. (Bild: Shutterstock / fizkes)

Bedeutung von Entspannungsphasen und Puffern

Positiv vermerkten die Interviewten, dass die meisten Änderungen im Verhalten und Beeinträchtigungen in der Psyche nachlassen, sobald das Projekt beendet ist und man wieder entspannen kann. Dabei kommt es darauf an, wie lange die Projektphase gedauert hat und wie lange die letzte Entspannungsphase her ist. Je länger die Stressphase, desto länger braucht der/die Mitarbeiter:in, um seinen Stresslevel wieder auf eine normale Basis zurückbringen zu können.

Des Weiteren gaben die Befragten an, dass in ihrer Agentur bereits einige puffernde Ressourcen vorhanden sind. Hierzu gehören eine gute Atmosphäre im Team, das positive Feedback durch den/die Chef:in und die Kunden sowie ein stabiles Privatleben. Viele Ressourcen unterscheiden sich jedoch sehr stark von Agentur zu Agentur. So wirkt zum Beispiel die Homeoffice-Möglichkeit sehr entspannend, da die Zeit individuell eingeteilt werden kann und gleichzeitig weniger Stress im Privatleben aufkommt. Zwei andere Interviewte gaben an, dass Incentives oder kleine Boni sehr motivierend wirken, da dies eine Wertschätzung für die Mitarbeiter:innen zeigt.

Im Allgemeinen deuten die Daten auf einen Zusammenhang zwischen den Arbeitsanforderungen und den gesundheitlichen Beeinträchtigungen in der Eventbranche hin, die sich in Änderungen im Verhalten und Beeinträchtigungen in der Psyche zeigen. Die Verhaltensänderungen unterscheiden sich von Mitarbeiter:in zu Mitarbeiter:in in ihrer Intensität und in ihrer Auswirkung. Dennoch lassen sich ähnliche Muster hinsichtlich Anforderungen, Beeinträchtigungen und Ressourcen bei den Agenturen und ihren Mitarbeiter:innen beobachten, die in Folgeuntersuchungen auf weitere Agenturen ausgeweitet werden müssen.

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Ressourcen zur Stressbewältigung

Zusammenfassend zeigt die Studie, dass Stress in der Veranstaltungsbranche ein aktuelles Thema ist und negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Mitarbeiter:innen haben kann. Damit verhindert wird, dass Verhaltensänderungen und psychische Beeinträchtigungen auf Dauer chronisch werden und zu einer hohen Fluktuationsrate oder kranken Mitarbeiter:innen führen, sollten Arbeitgeber ihren Mitarbeiter:innen angemessene Ressourcen zur Bewältigung der Stressauswirkungen anbieten und den Arbeitnehmer:innen darin unterstützen, mit seinen Arbeitsressourcen umzugehen und sie entsprechend zu nutzen. Nur wenn die Nutzbarkeit der Arbeitsressourcen durch den Mitarbeiter gewährleistet ist, wird das Stressniveau sinken.

Obwohl viele externe Aspekte den Stress eines Mitarbeitenden beeinflussen können, wie z.B. das Arbeitsumfeld, der Kunde oder die Subunternehmer, kann der Arbeitgeber bereits viele Möglichkeiten zur Stresspufferung anbieten, wie unter anderem Homeoffice, Boni, klare Überstundenregelungen und Teamaktivitäten, und der/die Mitarbeiter:in kann diese Ressourcen angemessen nutzen.

Daher sollten Agenturen das, was sie ihren Mitarbeiter:innen bereits anbieten, systematisch entlang des JD-R Modells überprüfen und gezielt Maßnahmen entwickeln, die als Ressourcen fungieren. Auch Schulungen zur Nutzung von Arbeitsressourcen können langfristig das Stressniveau reduzieren und eine stressreduzierende Arbeitskultur in Agenturen etablieren.

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Bewertung der Professur:

Der wirtschaftliche Druck in der Arbeitswelt nimmt permanent zu, da sich Produkte, Dienstleistungen und Prozesse ständig dynamisch verändern und gleichzeitig komplexer werden. Diese Veränderungen bringen Chancen und Risiken für den Einzelnen mit sich, da seine Fähigkeit zur Bewältigung und zum Umgang mit Unsicherheiten und zur Anpassung an diese für sein Wohlbefinden und seine Gesundheit immer wichtiger werden. Die Arbeit von Liza Funke leistet hier einen wichtigen Beitrag, indem sie modellgestützt mögliche Stressfaktoren in der Eventindustrie strukturiert und Wege aufzeigt, wie Agenturen Stress proaktiv entgegenwirken können, indem sie Arbeitsressourcen und Bewältigungsstrategien mit jedem einzelnen Mitarbeiter entwickeln und im Arbeitsalltag implementieren.

Prof. Dr. Susanne Doppler und Prof. Dr. Burkhard Schmidt, Hochschule Fresenius Heidelberg

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Über die Autorin:

Liza Funke
Liza Funke (Bild: privat)

Liza Funke (23 Jahre), geboren in Ulm und aufgewachsen in Stuttgart, erwarb 2018 ihren doppelten Abschluss, den Bachelor of Arts für International Business with Event Management von der Hochschule Fresenius Heidelberg und der Open University in Großbritannien. Seit 2018 ist sie im Team der Eventagentur audience communication GmbH im Süden Münchens angestellt und realisiert mit ihrem Team internationale Produktpräsentationen, Symposien und Firmentagungen von großen Pharma- und IT-Kunden.

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Sehr interessantes Thema. Kann man sich die Arbeit irgendwo im Original anschauen?

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    1. Lieber Lars,
      nach Rücksprache mit der Autorin ist eine Offenlegung der Arbeit leider nicht möglich, aber die Professorin kann Ihnen gerne zu dem Thema weitere Informationen zukommen lassen: susanne.doppler@hs-fresenius.de

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