Garstige Events oder Business-Modell?

Kommentar: Die Event-Zora über Polit-Events

„Ein garstig Lied! Pfui! Ein politisch Lied!“, der hessisch-thüringische Freiherr hat es schon vor über 200 Jahren gewusst. Politik und Poesie vertragen sich nicht. Man könnte das auch auf die Marketingevents übertragen.

Die Event Zora

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Lange hielt sich die deutsche Eventagenturszene zurück für Parteien zu arbeiten, anders als die Werber. Kunden aus der Wirtschaft und Politik schienen sich nicht zu vertragen, obwohl die meisten Inhaber wahrscheinlich Sympathien für CDU oder FDP hatten. Daran hat sich wenig geändert. Die etablierten Parteien greifen bei der Klassik auf etablierte Partner zurück: Heimat (FDP), Jung von Matt (CDU) oder KNSK (SPD). Die Grünen haben den Goldenen Hirschen in den Wald gejagt und eine eigene Agentur zusammengestellt, die ZBA heißt: „Ziemlich beste Antworten“. Hm, ob angesichts der Umfrageergebnisse die Resultate stimmen? Aber es ist wie bei den Events: Nicht immer haben Agenturen, Kreative und Konzepte die Verantwortung, wenn es schief geht. Marke, Produkt, Botschaft, Motivation, das alles muss stimmen. Und da trugen und tragen die Parteien selbst, wie die Kunden, die Mitverantwortung für das Gelingen oder Scheitern ihrer Kommunikation.

Wechselstimmung passé, Bots olé

Ich habe mal auf Anregung des Event-Zorros in alten Ausgaben der EVENT PARTNER geblättert. 1998 waren Wahlkampf und Politik das letzte Mal ein großes Thema. Da war ich auf die Gesamtschule gewechselt und habe mich mehr für All Saints oder die Spice Girls interessiert. Opa sagt aber, das war spannend damals. Wechselstimmung lag in der Luft, der damals ewige Kanzler Kohl endlich angreifbar. Kein Vergleich, denn die Kanzlerin ist alternativlos. Die Wechsel-Atmosphäre gab es diesmal nur ganz kurz im März mit der Würselener Wahlkampflokomotive. Aber mit der ist es wie mit der Deutschen Bahn: Es fährt ein Zug nach nirgendwo ….

Also, was erwartet uns? Brauchen wir mit Bots, Likes und Tweets überhaupt noch Wahlkampf-Events? Der unlustige Donald mit der Hamsterfrisur hat es vorgemacht: Klare Inszenierung bei den Events, simple Botschaften und der richtige Mix mit Social Media macht aus einem totalen Außenseiter den Mr. President. Aber wollen wir das?

An die kamerawirksam hochgehaltenen Pappschilder aus den US-Wahlkämpfen haben wir uns schon gewöhnt – recyceln die Grünen eigentlich ihre? „Mutig“ war übrigens die Inszenierung auf deren letzten Parteitag – oder war es zum Fremdschämen? Da stehen dutzende Bundestagskandidaten eine Stunde lang lächelnd hinter ihren redenden Spitzenkandidaten als Kulisse auf der Bühne. Und müssen deutsche Politikerinnen und Politiker wirklich auf offener Bühne zu Nena tanzen? Hallo ZBA – Ziemlich Beste Antworten, das war wohl eine ZBI, eine ziemlich bescheuerte Idee. Geht mal zu treibhaus 0.8, da lernt ihr für 2021, was gute Konzepte sind.

Braucht Politik Inszenierung?

Was wird jetzt auf uns zukommen? Die heiße Wahlkampfphase hat ja gerade erst begonnen. Überraschungen wird es wohl keine geben. Wenn man auf die vergangenen Parteitage blickt, setzt die CDU auf eine Rauminszenierung à la Volkskongress in China. Einzig die große Watchout-Panorama-Leinwand macht einen kleinen Unterschied. Die FDP-Bühne ist etwas kleiner, aber hat eine ähnliche Leinwand und Bespielung. Bei den einen Blau, bei den anderen Gelb. Die SPD war immerhin so mutig, ihre Wahlkampflokomotive auf einer Rundbühne zu inszenieren. Bei der AfD ist viel Copy-and-Paste. Das Bühnenbild so frisch wie Gaulands dritte Zähne. Und auch der Commitment Act, das gemeinsame Abgesinge des Deutschlandlieds am Schluss, ist von CDU/CSU geklaut.

Muss sich Politik überhaupt inszenieren? Sollte nicht die Sache im Vordergrund stehen? Wäre nicht ein Wahlkampf ganz ohne Plakate, Events und minusintelligente Hashtags wie #fedidwgugl spannend? Der Zorro sagt, ich solle weiter träumen. Also hoffe ich auf Martin Sonneborn und seine „Die Partei“.

G20, das teuerste Event ever

So, jetzt aber zum Schluss noch zu einem anderen Polit-Event, das eine unglaubliche Wirkung hatte. Hamburg 2017, der G20-Gipfel. Das hatte was von spätrömischer Dekadenz. Mit geschätzt einer Milliarde so teuer wie die Elbphilharmonie. Aber die steht wenigstens da wie die Pyramiden. Wie schrieb es sinngemäß jemand auf Facebook so schön: Das teuerste Event ever, bei dem Beethovens Neunte gespielt wurde. Und was man mit dem Budget alles hätte machen können … 50 Millionen Krisenpakete von UNICEF oder 666.666 Bewässerungsprojekte finanzieren. Giga-Aufwand, keine Resultate und schlechte PR. Wer so einen Job vergeigt … Vielleicht spreche ich auch mal mit meiner Chefin, ob wir da nicht mal unterstützen wollen. Aber die ist eh nur in den Lindner verknallt.

Ich mache jetzt mal das Zora-Experiment: Ich besuche von allen Parteien eine Veranstaltung. Ehrlich! Mal schauen, was das aus mir macht.

 

Tschüssi

Eure Event-Zora

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