Auf Augenhöhe

Interview mit Regisseur Andreas Ammer

Die Kamera bewegt sich oft bei Ihnen.

Das haben wir nicht erfunden. Wieso es sonst so wenig gemacht wird, weiß ich auch nicht. Ich kann eine schöne Anekdote dazu erzählen: Wir hatten, kurz vor dessen Tod, Oskar Pastior im Interview. Die ARD hat dann, weil wir das letzte Interview mit ihm geführt hatten, eine Sondersendung ausgestrahlt: 15 Minuten nur „unser“ Oskar Pastior. Diese Sendung wurde von einer öffentlich-rechtlichen Schule für den Einsatz im Unterricht angefordert. Aber von wegen tolle Ehre. Sie wollten zeigen, wie viele Achsensprünge man in einer Sendung machen kann und wie schlimm das ist. Bei diesem Interview sitzen zwei Menschen eine Viertelstunde an einem Tisch. Selbst ein Mensch, der nicht filmsprachlich begeistert ist, hat diese Situation nach zwölf Sekunden verstanden. Das heißt, dass man ab diesen zwölf Sekunden irgendetwas machen muss, damit es noch nach etwas anderem aussieht. Sonst hat man Schnitt – Gegenschnitt, Schnitt – Gegenschnitt und so weiter. Deshalb haben sich bei uns die Kameras rundherum bewegt. Da pfeif’ ich doch auf den Achsensprung und schaue, dass ich den Raum und die Menschen, wie sie interagieren, mit inszeniere. Auch auf dieses angebliche Negativbeispiel bin ich stolz!

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Und wenn der Kameramann mit ins Bild kommt, ist es auch nicht tragisch.

Das ist sogar Pflicht. Die Produktionsbedingungen zu zeigen, das ist praktizierter Marxismus im Fernsehen.

Sind Ihnen in den Interviews Antworten genauso wichtig wie die Fragen?

Schwer zu sagen. Eine gute Frage ist schon schön in einem Interview. Manchmal geht es auch ohne. Das hängt vom Gast ab. Es gibt Gäste, da helfen die besten Fragen nichts. Und manchmal sind einfache Fragen gerade die besten. Weil die Leute auf die doofen Fragen gerne intelligente Sachen sagen. Dann fangen sie an zu überlegen. Es gibt Regeln, wie man ein gutes Interview führt. Aber ob gute Fragen sein müssen? Sie stören jedenfalls nicht.

Andreas Ammer
Andreas Ammer: “Die Produktionsbedingungen zu zeigen, das ist praktizierter Marxismus im Fernsehen.” (Bild: Hilmar B. Traeger )

Musik ist für Ihre Sendung wichtig. Sie geben für jede Sendung eine Trackliste heraus.

Im Gegensatz zu den Drehorten, die wir nicht bekannt geben. Auch da gab es viele Anfragen und ich veröffentliche gern Musiktitel, die ich mag oder die sich in der Sendung bewährt haben. Die Musik spielt in unserer Sendung eine absolut große Rolle, um Emotionen zu erzeugen. Das habe ich von Alexander Kluge gelernt und der hat fast immer recht: Musik ist der schnellste Weg zu den Gefühlen. Bei uns gibt es so ein komisch-ungeklärtes Verhältnis zwischen Musik und Moderator. Da, wo normalerweise der Moderator ist, ist bei uns Musik bzw. Mood, kein neunmalkluger Off-Text und stattdessen schon mal der Aufbau vom Set oder der stumme Gast oder gar nichts. Da ist das Magazin-Format ein bisschen auf den Kopf gestellt, dekonstruiert. Statt Moderationen haben wir nichts als Musik.

Magie entsteht ja immer nur dann, wenn ein Geheimnis vorhanden ist.

Das ist das Furchtbarste im deutschen Fernsehen inzwischen: dass alles sofort erklärt wird. Das Fernsehen hat eine immense Angst und kommt immer mit dem Großmutter-Argument: „Da versteht meine Großmutter nicht, was jetzt gerade los ist. Aber das ist ja unsere Zuschauerin und die schaltet dann angeblich weg.“ Ich glaube das nicht. Die schaltet eher weg, wenn ihr langweilig ist.

Andreas Ammer
Andreas Ammer ist der Meinung, dass das Fernsehen mehr Geheimnisse braucht, denn bei Langeweile schalten die Zuschauer weg. (Bild: Hilmar B. Traeger)

Ein Geheimnis möchte ich noch lüften. Wie kam der Feuerlöscher ins Spiel?

Zufällig. Es gibt interne Regeln bei „Druckfrisch“, die ganz absurd sind. Eine davon ist, dass wir nie Requisiten mitnehmen. Ich hasse es zu planen. Ich finde das übrige Fernsehen auch deshalb oft so furchtbar, weil jede Ironie, jeder Witz wochenlang vorher ausgedacht ist. Und dann hat ein Redakteur noch dran gekürzt. Einen Feuerlöscher nehmen wir zum einen, weil er schön rot ist und auffällt, das ist ja auch seine Aufgabe. Am Anfang dachte ich an „heiße Themen“. Aber nein. Feuerlöscher deshalb, weil wir dieses Requisit überall auf der Welt, wo wir drehen, finden. Wir haben mit Umberto Eco auf dem Dach des Kölner Doms gedreht, da würden wir niemals einen Feuerlöscher hoch tragen bei all unserem Equipment. Aber tatsächlich: Oben war ein Feuerlöscher.

Vielen Dank für das Gespräch.

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Das unglaublich dilettantische Kameragewackel in der Sendung “Druckfrisch” nervt mich schon seit langem. Anscheinend steht dahinter ein grobes Missverständnis: Die Kameraführung soll nicht auf sich selbst aufmerksam machen, sondern den aufgenommenen Inhalt gut vermitteln. Das kann originell geschehen, inwieweit das in so einer Sendung wesentlich ist, darüber kann man streiten. Dieses unmotivierte Verschwenken und Danebenfokussieren ist aber nicht originell, sondern einfach nur deppert.

    Tut mir leid …

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