Weitreichende Konsequenzen für die Eventbranche

Das müssen Eventplaner und Veranstalter beim neuen Gesetz zur Zeitarbeit und Scheinselbstständigkeit beachten

Zum 1. April 2017 ist das neue Gesetz zur Arbeitnehmerüberlassung (AÜG) in Kraft getreten, das erstmalig im November 2015 als Referentenentwurf vorlag. Es bringt einige Änderungen mit sich, die vor allem die klassischen Zeitarbeitsbranchen, also Industrie und Pflege, aber auch die Eventbranche betreffen. Anpassungen in der Höchstüberlassungsdauer sowie Fingierung von Arbeitsverhältnissen bei unrechtmäßiger oder nicht gesetzeskonformer Überlassung sind hier zwei der zentralen Themen.

Arbeit-Arbeiter-Team-Zusammen-Gruppe(Bild: Pexels)

Scheinselbstständigkeit am Beispiel eines Promoters – analog Messehostessen und andere Event-Helfer

Der bisherige klassische Anwendungsfall behandelt einen Promoter stets als Gewerbetreibenden/Selbstständigen, der auf Rechnung arbeitet. Viele (große) Unternehmen und Agenturen haben diesen Behandlungsgrundsatz noch als festen Bestandteil ihrer Marketing- und Vertriebspraxis. Leider ist in den meisten Fällen diese Selbstständigkeit aus rechtlicher Sicht aber nicht gegeben, es handelt sich um Scheinselbstständigkeit, definiert in § 1 SchwarzArbG.

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Die Praxis hält sich aus verschiedenen Gründen hartnäckig. Zum einen sind Arbeitnehmer aus rechtlicher Sicht natürlich viel heikler und mit mehr finanziellen Unsicherheiten verbunden, Stichwort Kündigungsschutz, Befristung, Krankheit, usw. Zusätzlich sind die unmittelbaren Einsparungen an Sozialbeiträgen auch nicht unerheblich. Diese Ersparnisse erscheinen im Nachhinein aber dann in der Regel als doppelte Kosten, wenn Nachzahlungen an die Sozialversicherung zu leisten sind. Als dritter Punkt ist der bürokratische Aufwand der Abrechnung von Mitarbeitern nicht unerheblich. Am Ende münden all diese Punkte in eine nur vermeintliche Kostenersparnis.

Vermittlungsagenturen und Portale leben natürlich vor allem von der bürokratischen Vereinfachung und halten deswegen ebenso an der Praxis fest. Da sich das Risiko fast ausschließlich auf die Kunden überträgt, haben Agenturen wenig Anlass, daran etwas zu ändern. Fachlich sind sie in der Regel nicht der Lage, ein anderes Modell anzuwenden. Sind jedoch die Voraussetzungen für eine Selbstständigkeit tatsächlich nicht gegeben, wird es für die Auftraggeber teuer.

Die Unterscheidung – wann ist man als Promoter selbstständig?

Der Hauptgrund, dass Promoter als Selbstständige eingeordnet werden, liegt in der Fehlannahme, dass das Vorhandensein von Gewerbeschein und wechselnden Auftraggebern als Voraussetzung reicht.

Als selbstständiger Promoter muss man jedoch:

  • unternehmerisches Risiko tragen
  • unternehmerische Entscheidungsfreiheit tragen (= weisungsungebunden)
  • eigenständig Kunden akquirieren
  • eigene Preiskonditionen haben
  • eigene Arbeitsgeräte verwenden (Kleidung, iPad etc.)

Das bedeutet, dass ein selbstständiger Promoter neben freier Zeiteinteilung auch eine freie Arbeitsortwahl haben muss. Er darf keine lohnähnliche, erfolgsunabhängige Vergütung erhalten und keine kostenlosen Arbeitsmaterialien zur Verfügung gestellt bekommen. Ist einer dieser Punkte nicht erfüllt, liegt bereits eine Scheinselbstständigkeit vor. Als gutes Beispiel illustriert ein Urteil vom Landesarbeitsgericht Köln aus dem Jahre 2004 diese Einordnung (5 Ta 187/04 – Stichwort Tourenplanung, Arbeitsgerät, Weisungsgebundenheit, usw.). Anders werden freie Berufe (Künstler etc.) behandelt, zu denen Promoter allerdings nicht gehören.

Als Merksatz gilt: Wenn ein Promoter Anweisungen bezüglich Ort des Einsatzes, Zeitraum, bzw. Zeitpunkt des Arbeitseinsatzes, oder der Art der Durchführung der Promotion bekommt, ist er nicht selbstständig. Dabei reichen schon einzelne erfüllte Kriterien aus, z. B. das Tragen gebrandeter Kleidung. Auch ein erfolgsunabhängiges Grundgehalt ist nicht mit einer selbstständigen Tätigkeit zu vereinbaren. Das klassische Gegenbeispiel ist eine Person die Kundenumfragen gestaltet und durchführt und ausschließlich pro erfolgreiche Umfrage bezahlt wird.

Messehostessen auf dem Maserati Stand der Mondial de l’Automobile de Paris 2012 | Foto: Thesupermat / Lizenz: CC BY-SA 3.0

Die Folgen – Promoter werden rückwirkend als Arbeitnehmer behandelt

Was passiert also, wenn ein Promoter tatsächlich hätte angestellt werden müssen? Im Grunde betrifft das zwei Parteien: die Promoter und die Behörden. Erstere sind weniger problematisch, da sich nur wenige Promoter die Mühe machen, juristisch vorzugehen und damit Probleme zu verursachen – so zumindest in der bisherigen Realität. Promoter hätten die Möglichkeit, Forderungen beim Kunden einzuklagen, wenn die vermittelnde Agentur nicht zahlt, außerdem könnte es Einklagen in eine Festanstellung geben. Ggf. würden Zusatzansprüche wie Mindestlohn, Krankheitsfortzahlung, Auftragsausfallvergütung usw. anfallen. Also alles Dinge, auf die ein Angestellter Anspruch hätte. Wie gesagt, der Fall ist selten und daher nicht so problematisch.

Die größere Problematik liegt in behördlichen Ansprüchen und Forderungen. Das Umdenken zum Thema Selbstständigkeit hat in den letzten zwei Jahren seit Einführung des Mindestlohns stark zugenommen, da Unternehmen im Rahmen der Betriebs- und/oder Zollprüfung z. T. hohe Nachzahlungen leisten müssen – je nach Umfang der Personaleinsätze. Zusätzlich zu den ursprünglich für Arbeitnehmer fälligen Beiträgen fallen die Arbeitnehmeranteile an, je nach Einschätzung des Beschäftigungsverhältnisses vier bis zehn Jahre rückwirkend, also bis zu 50% Nachzahlung der Promoter-Vergütung.

Durch den Mindestlohn wird das Ganze zusätzlich ein Fokusthema beim Zoll, da die Zuständigkeit der Kontrollen um einen weiteren Prüfbestand erweitert wird. Dabei sind bei Angestellten nämlich zusätzlich zur Arbeitszeitdokumentation die Einhaltung des Mindeststundensatzes von 8,50 zu beachten. Mit Vorsicht ist hier die Grenze zwischen Ordnungswidrigkeit und Straftat zu beachten. Die drohenden Strafen reichen bis zu 500.000 Euro inkl. einer Eintragung ins Gewerbezentralregister. Wichtiges Stichwort ist hier zusätzlich die Geschäftsführerhaftung bei Vorsatzannahme.

Fazit

Das Thema ist nicht trivial und auf gar keinen Fall auf die leichte Schulter zu nehmen. Arbeits- und Sozialversicherungsrecht gehören aus gutem Grund zu den unbeliebtesten und heikelsten Rechtsgebieten für in Deutschland agierende Unternehmen und müssen unbedingt auch im Rahmen des Eventmanagements mitbedacht werden.

Die Alternativen – Arbeitsbedingungen anpassen oder Anstellungsverhältnis eingehen

Es gibt immer die Möglichkeit, einen Promotion-Auftrag so auszugestalten, dass er den Regelungen entspricht und damit als selbstständige Tätigkeit behandelt werden darf. Die Hürden hierbei sind zahlreich, aber nicht unüberwindbar. Wichtigster Punkt ist mit Sicherheit die ausschließlich erfolgsabhängige (also nicht Arbeitszeit) Vergütung und die Eigenverantwortung in der Ausübung von Promotionsaufträgen (Ort, Zeit, Umfang, usw.).

Nächste naheliegende Alternative wäre der Einsatz von Agenturpersonal über Dienstverträge. Hier läuft zwar arbeitsrechtlich auf Kundenseite alles unproblematisch, jedoch darf auf keinen Fall die Weisung durch den Kundenbetrieb übernommen werden. Das heißt Auftrag, Briefing, Betreuung etc. können nur von der Agentur vorgenommen werden. Auch gebrandete Kleidung des Kundenunternehmens ist nicht möglich. Andernfalls liegt verdeckte Arbeitnehmerüberlassung vor (gemäß AÜG), welche ebenfalls je nach Fall als Ordnungswidrigkeit oder Straftat mit hohen Strafen geahndet werden kann. Die Überlassung ist erlaubnispflichtig und mit hohem bürokratischem Aufwand verbunden, weswegen auch hier viele Agenturen den einfachen (wenn auch illegalen) Weg vorziehen.

Die sicherste Möglichkeit für viele Anforderungen besteht in der

  • offiziellen Überlassung von anderen Agenturen
  • eigenen Anstellung und Abrechnung (aufwendig).

Je nach Volumen und Anforderung empfiehlt sich die Zusammenarbeit mit einer oder mehreren Agenturen klar gegenüber der eigenen Anstellung, da hier Arbeitsvertragliches, Abrechnung und Rekrutierung auf Grund mangelnder Spezialisierung fast immer teurer ist. Wie bereits weiter oben beschrieben, arbeiten viele Agenturen jedoch nicht gesetzeskonform. Glücklicherweise reichen drei einfache Prüfindikatoren, um sicherzugehen, dass man rechtlich sorgenfrei bleibt:

  1. Vorliegen einer Arbeitnehmerüberlassung bei der Agentur
  2. Überlassungsvertrag für jeden Auftrag (oder Rahmenvertrag)
  3. Damit verbunden die Versicherung der Arbeitnehmerbezahlung nach Tarif (d. h. inkl. Nacht-, Sonntags-, und Feiertagszuschläge)

Verkaufs-/Vermittlungsprämien und Ähnliches können einzelvertraglich nach wie vor vereinbart werden, sind aber als variabler Lohnbestandteil zu verstehen und abrechnungstechnisch dementsprechend zu behandeln.

Die Relevanz des neuen Gesetzes für Unternehmen im MICE-Sektor

Bisher galt beim Einsatz von Fremdpersonal der Grundsatz der Fallschirmlösung. Diese führt bei einer verdeckten Überlassung (also ohne Überlassungsvertrag bzw. ein Personaleinsatz, der nach Rechtseinschätzung eine Überlassung hätte sein müssen) zu einem sprichwörtlichen Fallschirm. Es wird angenommen, dass auf Grund der Art des Einsatzes eine Überlassung von dem abrechnenden zum einsetzenden Unternehmen „beabsichtigt gewesen sein muss“. Folglich haftet die Firma, welche Personen bzw. Personal zur Verfügung stellt für die korrekte Abwicklung der Überlassung inkl. Anstellung und Abgabenhaftung. Einzige Ausnahme findet sich durch eine klare Abgrenzung als Vermittlung. Diese liegt dann vor, wenn die vermittelnde Agentur lediglich Kandidaten für eine Provision zur Verfügung stellt. Diese müssen dann vom einsetzenden Unternehmen abgerechnet und angestellt werden. Auch die Haftung liegt dann beim einsetzenden Unternehmen.

Eine bittere Pille, ebendiese Fallschirmlösung wurde mit der Gesetzesänderung abgeschafft – Meiner Ansicht nach einer der für die MICE-Branche mit Abstand relevantesten Faktoren. Nicht selten läuft der Personalposten über mehrere Parteien bis zum tatsächlichen Einsatz – ein Umstand, der nun der Vergangenheit angehören dürfte. In Zukunft haftet nämlich zuvorderst die einsetzende Firma – konkret also: der Weisungsausübende – für sämtliche Abgaben und arbeits- wie sozialversicherungsrechtlichen Belange in Verbindung mit dem eingesetzten Personal, wenn keine rechtskonforme, vertraglich vereinbarte Arbeitnehmerüberlassung mit einer Zeitarbeitsfirma vorliegt. Natürlich werden auch Unternehmen und Agenturen durch Ordnungsgelder und Strafen sanktioniert, wenn diese mutwillig verdeckt überlassen. Der Gesetzgeber will jedoch scheinbar vor allem künftig erzwingen, dass die dienstleistungsbeziehenden Unternehmen mit in die Verantwortung genommen werden.


Zum nachlesen:

Zollauskunft, Bußgelder und Verstöße zum Mindestlohn: www.zoll.de

Urteil, Promotion keine selbstständige Tätigkeit: www.justiz.nrw.de

Fachartikel, Risiken für Unternehmen bei Scheinselbstständigkeit: www.wiwo.de

Fachartikel, Einordnung als Scheinselbstständiger: www.hensche.de


Über den Autor:

Amin-Guellil
Amin Guellil (Bild: Amin Guellil)

Nach seinem Studium des Wirtschaftsingenieurwesens in Karlsruhe und Stockholm gründete Amin Guellil im Alter von 25 Jahren das Personal-Start-Up ucm.agency in Berlin. Aufgrund seiner eigenen Erfahrungen in der Event- und Werbebranche kennt der Gründer die Herausforderungen des Personal-Managements aus beiden Perspektiven. Seine Mission ist es, Buchungsprozesse für Unternehmen und Kunden maximal zu vereinfachen und gleichzeitig eine faire und rechtskonforme Abwicklung des gebuchten Service-Personals zu gewährleisten.

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