Interview mit Glücksforscher Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel

Wie betriebliche Weihnachtsfeiern zum Glück beitragen

Weihnachten sollte in der Regel glücklich machen  – tut es allerdings nicht immer. EVENT PARTNER sprach mit Deutschlands bekanntestem Glücksforscher Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel, um die Untiefen rund um ein frohes Fest auszuloten und herauszufinden, ob betriebliche Weihnachtsfeiern zum Glücklich-Sein beitragen können…

Glücksforscher Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel
Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel: Gelernter Volkswirt und Glücksforscher. (Bild: Hilmar B. Traeger)

Der gelernte Volkswirt Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel forscht und unterrichtet an der Georg-Simon-Ohm-Hochschule in Nürnberg. Und zwar an der betriebswirtschaftlichen Fakultät. Das tut er dort seit dem Sommersemester 1995. Seine Lehrtätigkeit benennt er mit Makroökonomie, insbesondere Geld- und Währungspolitik, Psychologische Ökonomie (Behavioral Economics) und interdisziplinäre Glücksforschung. Ruckriegel betont gerne Flow-Erlebnisse fürs Glücklich-Sein, die – zumindest bei uns – wichtiger fürs Wohlbehagen sind als weiteres materielles Wachstum und weiterer Wohlstand. Zeit und Aufmerksamkeit sind die neuen Währungen. Darüber spricht er auch auf Einladung von Unternehmen.

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Was ist Glück überhaupt?

Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel: Die Glücksforschung ist ein Gebiet, auf dem insbesondere Psychologen, Soziologen, Ökonomen, Neurobiologen und Mediziner zusammenarbeiten. Sie beschäftigt sich mit Glück im Sinne des Glücklich-Seins, also mit dem subjektiven Wohlbefinden, nicht aber dem Glück-Haben, also dem Zufallsglück (z. B. der Wahrscheinlichkeit eines Lottogewinns). Subjektives Wohlbefinden hat zwei Ausprägungen: „emotionales“ und „kognitives“ Wohlbefinden. Mit emotionalem Wohlbefinden ist die Gefühlslage im Moment gemeint, wobei es im Wesentlichen auf das Verhältnis zwischen positiven und negativen Gefühlen im Tagesdurchschnitt ankommt. Es geht um das Wohlbefinden, das Menschen erleben, während sie ihr Leben leben. Beim kognitiven Wohlbefinden geht es hingegen um den Grad der „Zufriedenheit“ mit dem Leben. Es findet eine Abwägung zwischen dem, was man will (den Zielen, Erwartungen, Wünschen), und dem, was man hat, statt. Es geht also um das Urteil, das Menschen fällen, wenn sie ihr Leben bewerten, wobei es hier entscheidend auf die Ziele ankommt, die Menschen für sich selbst setzen. Emotionales und kognitives Wohlbefinden sind gleichermaßen wichtig, denn beide beeinflussen sich gegenseitig. Eine glückliche Person erfreut sich häufig (leicht) positiver Gefühle und erfährt seltener negative Gefühle im Hier und Jetzt. Sie sieht einen Sinn in ihrem Leben, verfolgt also sinnvolle (Lebens-)Ziele. Es geht darum, dass wir uns wohlfühlen mit/in unserem Leben. Und dieses Gefühl ist für alle gleich.

In der Volkswirtschaftslehre beschäftigen wir uns mit der Frage, wie man mit knappen Ressourcen umgehen soll, um die gesetzten Ziele am besten zu erreichen. Konkret gesprochen geht es letztlich also darum, wie wir mit unserer Zeit (Input) umgehen sollten, um ein gelingendes, glückliches, zufriedenes Leben leben zu können (GlücklichSein als letztes Ziel). Und dabei/dazu ist die Erzielung von Einkommen (das Materielle) nur ein Mittel zum Zweck. Einer der weltweit bekanntesten Glücksforscher, der Ökonom Angus Deaton von der Princeton University, bekam 2015 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften für sein Lebenswerk.

Auf der Grundlage der Erkenntnisse der Glücksforschung hat die OECD ihren „Better Life Index“ entwickelt. Sie hat eine Reihe von Indikatoren herausgearbeitet, an denen sich die Politik orientieren sollte, um die Voraussetzungen für ein glückliches Leben in einem Land zu verbessern. Bei diesen Indikatoren handelt es um Bildung, Gesundheit, (gute) Beschäftigung, Einkommen und Verteilung, Umwelt, Gemeinsinn, Zivilengagement, Sicherheit, Wohnverhältnisse und Work-LifeBalance. Auch die 17 Sustainable Development Goals der UN beruhen auf den Erkenntnissen der Glücksforschung.

Was macht uns glücklich, was sind die Glücksfaktoren?

Ruckriegel: Die Glücksforschung hat eine Reihe von Glücksfaktoren herausgearbeitet. Der wichtigste Glücksfaktor sind gelingende, liebevolle soziale Beziehungen: Partnerschaft, Familie, Kinder, Nachbarschaft, Arbeitskollegen. Ein weiterer Glückfaktor ist unsere psychische und physische Gesundheit. Eine bedeutende Rolle beim Glücklich-Sein spielt auch Engagement und eine erfüllende Tätigkeit. Das muss nicht zwangsläufig eine Erwerbstätigkeit sein. Sehr glücksfördernd ist auch das Ehrenamt. Auch brauchen wir ein gewisses Maß an persönlicher Freiheit. Man muss das Gefühl haben, auf sein Leben Einfluss nehmen zu können. Wichtig sind auch die Einstellungen, die wir haben: Sind wir optimistisch, sind wir dankbar? Daran können wir arbeiten. Schließlich geht es darum, dass man genug Einkommen hat, um die materiellen Grundbedürfnisse zu befriedigen, und man braucht eine gewisse finanzielle Sicherheit.

Wir wissen aus der Glücksforschung allerdings auch, dass – nachdem die materiellen Grundbedürfnisse gedeckt sind – mehr Geld/Einkommen (Wohlstand) das subjektive Wohlbefinden nicht mehr erhöht. Es deutet dabei einiges darauf hin, dass wir diese Situation in (West-) Deutschland im Großen und Ganzen schon in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts erreicht haben. Warum ist das so? Zum einen passen sich die Ansprüche und Ziele an die tatsächliche Entwicklung an, d. h. mit steigendem Einkommen steigen auch die Ansprüche, so dass daraus keine größere Zufriedenheit erwächst (sog. hedonistische Tretmühle). Zum anderen ist weniger das absolute Einkommen, sondern vielmehr das relative Einkommen – das heißt das eigene Einkommen im Vergleich zu anderen – für den Einzelnen entscheidend. Bei einem generellen Einkommensanstieg für alle: Es kommt einfach zu einer Erhöhung der sozialen Norm, so dass die Zufriedenheit nicht steigt, da alle mehr haben. Bei unterschiedlichen Einkommensveränderungen: Die Summe der Rangplätze in einer Volkswirtschaft ist fix – steigt einer auf, muss ein anderer absteigen – ein Nullsummenspiel. Der Beitrag des Materiellen zu unserem Wohlbefinden ist also begrenzt.


“Die Erzielung von Einkommen ist nur ein Mittel zum Zweck, um ein gelingendes, glückliches, zufriedenes Leben leben zu können.”

Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel


Unternehmen sollten daher auch die Voraussetzungen schaffen, damit ihre Mitarbeiter gerne auf die Arbeit gehen. Sie sollten ihre Arbeitnehmer als Menschen sehen und nicht als reine Produktionskraft. Fühlt man sich auf der Arbeit wohl, so steigt nachweislich auch das Engagement. Es geht um die Art der (Mitarbeiter-)Führung, der Arbeitsplatzgestaltung und um eine lebbare Work-Life-Balance. In letzter Zeit hat bereits ein Umdenken in vielen Unternehmen begonnen. Es gibt Schätzungen, wonach 50 % der Führungspositionen falsch besetzt sind. Es fehlt oft an Führungsethik und an sozialer Kompetenz. Menschen führen heißt auch Wertschätzung entgegenbringen, Mitarbeiter fördern und Entscheidungsspielräume schaffen. Und: Nicht jeder fachlich kompetente Mitarbeiter ist als Führungskraft geeignet oder will Führungskraft sein.

Auch die Arbeitsplatzgestaltung spielt eine wichtige Rolle. Es geht darum, Über- und Unterforderungen zu vermeiden. Ein Mitarbeiter muss eine bestimmte Aufgabe ganz, also vom Anfang bis zum Ende, erfüllen können. Er darf nicht nur eine untergeordnete Rolle spielen und muss das Gefühl haben, dass seine Arbeit für andere Menschen eine Bedeutung hat. Flow-Effekte spielen ebenfalls eine große Rolle: Hat man das Gefühl, in seiner Arbeit versinken zu können, wird sie auch nicht mehr als Arbeit wahrgenommen.

Glücksforscher Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel
“Menschen führen heißt auch Wertschätzung entgegenbringen, Mitarbeiter fördern und Entscheidungsspielräume schaffen”. Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel (Bild: Hilmar B. Traeger)

Die jüngsten Vorfälle in Deutschland (z. B. bei VW) zeigen aber auch: Es fehlt vielfach noch an einer gelebten Unternehmenskultur, die das richtige Handeln unterstützt. Vorbildhaft ist hier die Hotelkette Upstalsboom. Die Unternehmenskultur basiert auf einem von der Belegschaft und der Unternehmensleitung gemeinsam erarbeiteten Wertekanon. Zentrale Werte, die im Unternehmen auch gelebte werden, sind u. a. Fairness, Wertschätzung, Offenheit und Vertrauen. Angesichts der demografischen Entwicklung in Deutschland einerseits und der Wertevorstellungen der Generation Y andererseits müssen sich die Unternehmen darauf einstellen, wenn sie in naher Zukunft auf dem Arbeitsmarkt noch wettbewerbsfähig sein wollen – je schneller sie das tun umso besser.

Was kann jeder selbst tun, um glücklich(er) zu werden?

Ruckriegel: Subjektives Wohlbefinden ist durch unser Verhalten beeinflussbar. Wir nehmen negative Gefühle in der Regel stärker wahr als positive. Deshalb ist es wichtig, die positiven Gefühle zu stärken, indem man beispielsweise ein Dankbarkeitstagebuch führt und sich so das Positive bewusst macht. Außerdem sollte man darauf achten, nicht alle negativen Gefühle mitzunehmen – wenn ich mich aufrege, weil ich im Stau stehe, macht das keinen Sinn. Es ändert nichts an der Situation. Man sollte sich andererseits sinnvolle Ziele setzen und im Alltag umsetzen. Diese können durchaus ambitioniert sein. Sie müssen aber zumindest eine gewisse Realisierungschance haben. Bei bloßen Luftschlössern ist Frustration vorprogrammiert. Inhaltlich sollte man bei diesen Zielen die „Glücksfaktoren“ im Auge haben. Und das lohnt sich: Fühlt man sich wohl in seinem Leben, so hat dies auch positive Auswirkungen auf Gesundheit und Lebenserwartung und auf den Umgang mit anderen.

Was bedeutet Weihnachten für das Glücklich-Sein?

Ruckriegel: Weihnachten wird bei uns in Deutschland in der Familie gefeiert und gilt als Zeit der Ruhe und der Einkehr. Diese Zeit kann man nutzen, um an seinem „Glück“ zu arbeiten. Einerseits hat man Zeit, um zu sich zu finden, um über das Leben nachzudenken. Man kann der Hektik des Alltags entfliehen und sich Gedanken machen, welche Ziele man im nächsten Jahr angehen möchte, und zwar vor dem Hintergrund der Glücksfaktoren, die ich bereits angesprochen habe. Als Anregung schlage ich hier etwa die Lektüre des Buches „Glücklich sein“ der US-amerikanischen Psychologin Sonja Lyubomirsky vor.

Unser wichtigster Glücksfaktor sind gelingende, liebevolle, soziale Beziehungen. Und dafür lässt Weihnachten andererseits besonders viel Raum. Man sollte viel Zeit mit anderen verbringen und gemeinsam etwas tun und erleben. Es geht um Zuwendung und Zuneigung.

Wie kommt man möglichst glücklich durch die Weihnachtszeit?

Ruckriegel: Indem man sich um andere kümmert.

Können (Betriebs-)Weihnachtsfeiern zum Glücklich-Sein beitragen?

Ruckriegel: Weihnachtsfeiern können einen wichtigen Beitrag zu einer guten Unternehmenskultur leisten. Man hat Gelegenheit, sich mit Kollegen jenseits des – oft stressigen – Alltags zu treffen, sich über Privates zu unterhalten und sich kennenzulernen. Es sollte klar werden, dass im Unternehmen auch das Menschliche, der Mensch einen wichtigen Platz hat. Gut gemachte und organisierte Weihnachtsfeiern zeigen auch, dass dem Unternehmen an seinen Mitarbeitern gelegen ist. Solche Feiern können ein echtes „Weihnachtsgeschenk“ an die Mitarbeiter sein. Aber wie es bei Geschenken nun einmal so ist: Sie werden aus Sicht des Beschenkten umso wertvoller, je mehr Mühe und Gedanken sich der Schenkende bei der Auswahl des Geschenks gemacht hat. Unternehmen sollten also besonders viel Wert auf die Vorbereitung legen. Der Ort sollte wechseln. Man sollte Ausschau nach interessanten „Locations“ halten.

Aber auch das Programm selbst sollte mehr bieten als firmeninterne Weihnachtsansprachen. Die Mitarbeiter sollten sich vielmehr immer auch auf ein inhaltliches Highlight freuen können. Und hier sollte man schon etwas kreativ sein. Dieses Highlight sollte eine „Take-away“-Botschaft enthalten und über das rein Geschäftliche hinausgehen. Es sollte auch etwas „hängen bleiben“ und so die Bindung an das Unternehmen verstärken. Um es auf einen Punkt zu bringen: Weihnachtsfeiern können – vorausgesetzt, sie sind gut „gemacht“ und werden nicht als langweiliges „Muss“ mit immer den gleichen Ritualen empfunden – einen sehr guten Beitrag zum Glücklich-Sein bei den Mitarbeitern leisten. Die Erinnerung daran schafft dann auch immer wieder positive Gefühle. Es muss aber die Gesamtkonzeption stimmen. Solche Weihnachtsfeiern sind eine Investition in ein gutes Betriebsklima. Ein gutes Betriebsklima aber führt zu mehr Engagement, Loyalität und Produktivität der Mitarbeiter – das zeigen viele Studien. Natürlich kann man auch übers gesamte Jahr gesehen hier noch das eine oder andere machen („investieren“).

Welche besonderen Fehler kann man Weihnachten begehen?

Ruckriegel: Wie schon gesagt: Der wichtigste Glücksfaktor sind gelingende, liebevolle Beziehungen. Zum einen sollte man sich daher sehr wohl überlegen, welche Geschenke man wem macht. Geschenke sind ein Ausdruck dafür, dass uns an einer Beziehung gelegen ist. Zum anderen sollte man bewusst und aktiv Zeit mit denen verbringen, die einem nahe stehen. Soziale Beziehungen lassen sich nicht mit Geld kaufen. Die Währung ist hier Zeit.

Vielen Dank für das Interview!

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