Künstliche Intelligenz hat den Bereich der Event Analytics erreicht. Tools wie xKPI von These Guys und deren Partnerschaft mit N&M bringen neue Möglichkeiten bereits jetzt in die Praxis. Ein Blick auf die Idee, die Technik und deren Vorteile.
Künstliche Intelligenz ermöglicht eine neue Qualität der Erfolgskontrolle von Events. Die neue Technologie erlaubt Emotions- und Bewegungsdaten in Echtzeit und punktgenau auszuwerten. (Bild: Shutterstock/ Gorodenkoff; These Guys)
Wie lässt sich der Erfolg eines Events messen? Bisher setzen Eventplaner:innen auf Umfragen und KPIs – ein mühsamer Prozess. Doch Künstliche Intelligenz (KI) bietet nun die Möglichkeit, Bewegungs- und Emotionsdaten direkt vor Ort auszuwerten. In einer neuen Partnerschaft erproben das Start-up These Guys und Neumann & Müller Veranstaltungstechnik (N&M) das innovative Tool xKPI für die Praxis.
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Emotionen in Echtzeit ablesen
In Event Analytics geht es um den Einsatz von Daten und Technologien, um Veranstaltungen zu messen, zu analysieren und zu optimieren. Traditionell wurden Events durch subjektive Bewertungen, Umfragen und Beobachtungen analysiert. Auch wurden KPIs aus beispielsweise Ticket-Daten oder Social Listening Tools abgeleitet. Diese Methoden sind allerdings oft ungenau und liefern nur begrenzte Erkenntnisse. KI-basierte Event Analytics zielt darauf ab, genauere Einblicke zu liefern, um die Besucherströme, Emotionen und das Verhalten in Echtzeit zu messen.
Eines dieser neuen KI-basierten Event Analytics Tools ist xKPI von These Guys. These Guys beschreibt sich selbst als Experiential Lab, Software Developer und Strategic Experience Consultants. Das Start-up ging aus der Agentur Schachzug hervor und konnte bereits erste öffentlichkeitswirksame Aufträge in der EU, UK und in den USA ergattern. xKPI ermöglicht Veranstaltern eine datenbasierte Analyse, Entscheidungsfindung und langfristige Optimierung von Events, Messen und Konferenzen. So können Unternehmen nicht nur den Erfolg einzelner Events steigern, sondern auch Erkenntnisse für zukünftige Projekte nutzen.
Hinter xKPI stecken im Grunde zwei Lösungen. In Flow lassen sich Besucherströme anhand von Punkt-zu-Punkt-Bewegungen messen. Die KI erkennt einzelne Personen und kann beispielsweise so Besucheranzahl und Verweildauer bestimmen. So lässt sich ablesen, ob Exponate auf einem Messestand optimal platziert sind, oder wo Botschaften am besten wahrgenommen werden. Neural ergänzt die Analyse von Emotionen wie Freude, Aufregung, Zweifel oder Exit Emotions.
Diese Daten werden in einem Dashboard aufbereitet, in dem Punkte bei Auftreten einer Emotion erscheinen und zu den KPIs aus Flow und Neural wandern. Eine weitere Ansicht erlaubt aber auch den Abgleich von Video-Footage mit den Ausschlägen der gemessenen Emotionsgraphen. Dabei lässt sich das Dashboardganz einfach auf einem Laptop öffnen. Mittels Benutzerprofilen kann eingestellt werden, wer im Team welche Daten einsehen darf.
In einer weiteren Ansicht des xKPI poppen je nach Auftreten von Emotionen und Besucherbewegungen Punkte auf, die sich dann zu den gemessenen KPIs bewegen. (Bild: These Guys)
Diese neuen Möglichkeiten der Event Analytics haben damit also auch für Marketing- und Eventverantwortliche, und damit die Auftraggeber, wichtige Vorteile. Neben dem Return-on-Investment, der sich aus festgelegten Parametern berechnet, lässt sich nun der ROE, oder auch ROX (Return-on-Experience), messen. Dieser ROE ergibt sich aus selbst definierten Faktoren wie Emotionen, Aufmerksamkeit und Benutzerverhalten. Die Messwerte des ROE erlauben schließlich, zielgenau in ein Event oder eine Messe einzugreifen, sie zu optimieren und im Anschluss präzise auszuwerten. Es lässt sich nun genau nachverfolgen, welche Produkte wie von Besuchenden gesehen und emotional bewertet werden. Eine Analyse, die zuvor nur über viel Aufwand mit komplexen Messsystemen, Bauchgefühl und Erfahrung und etwa Probanden möglich war.
Besucherverhalten mit Kameras messen
xKPI greift in der Regel auf Kameratechnik zurück. Für die Emotionsanalyse braucht Neural eine Gesichtserkennung und daher ein Kamerabild. Flow kann hingegen auch mit anderen Sensoren konfiguriert werden kann. Aus der technischen Perspektive kommt hier der Technikdienstleister N&M ins Spiel. Um das neue KI-System in die Praxis einzubringen, haben These Guys und N&M eine strategische Partnerschaft geschlossen. Die Zusammenarbeit mit N&M bringt für These Guys vor allem Vorteile im technischen Bereich. Das Start-up profitiert von der Erfahrung und dem Einsatzspektrum des Eventdienstleisters, insbesondere bei der Auswahl und Integration geeigneter Technikkomponenten wie Kameras, Sensoren oder Access Points. Zudem finden regelmäßig gemeinsame Tests statt, bei denen das System auf verschiedene Anforderungen hin überprüft und weiterentwickelt wird. Auf diese Weise kann flexibel auf unterschiedliche Kundenbedürfnisse und sich wandelnde Rahmenbedingungen im Veranstaltungsbereich reagiert werden.
Martin Schöning, Business Developer bei N&M, (l) und Karin Schneider, Co-Founder und Head of Innovation bei These Guys, erzählen über ihre Partnerschaft und die neuen Möglichkeiten von KI in Event Analytics. (Bild: Neumann & Müller Veranstaltungstechnik; These Guys)
Aber auch N&M zieht Nutzen aus der Partnerschaft. Die von These Guys entwickelte Software ergänzt das bestehende Technik-Portfolio in mehreren Leistungsbereichen. So entstehen beispielsweise neue Möglichkeiten für die Gestaltung von Vortrags-Setups mit dem System Neural oder für die Netzwerkanalyse mit Flow. Im Messebereich und im Fachbereich Digital Media ergeben sich durch zusätzliche Sensorik erweiterte Einsatzszenarien.
Darüber hinaus lassen sich Angebote für Rahmenvertragspartner, etwa Messegesellschaften oder Veranstaltungsorte, durch die Integration der Software um weitere Analyse- und Auswertungsfunktionen erweitern. „Für uns als Technikdienstleister, die mit Kunden im Vorfeld schon beratend tätig sind, ist ein Event Analytics Tool ein totaler Mehrwert. Wir haben hier eine Möglichkeit, dieses Tool zum Monitoring eines emotional Scores direkt mit in Bühnenkonzeptionen und technische Konzepte einfließen zu lassen,“ erklärt Martin Schöning, Business Developer bei N&M. Schöning betont, dass das System auf jedes Event und auf die Bedürfnisse der Kunden individuell eingerichtet wird. Nicht zuletzt spielen Lichtverhältnisse und sonstige Gegebenheiten bei der Ein- und Ausrichtung der Technologie vor Ort eine entscheidende Rolle.
Karin Schneider, Co-Founder und Head of Innovation bei These Guys, berichtet weiter, dass geübte Redner:innen jetzt schon auf das System von xKPI auf- merksam werden. „Sehr erfahrene Speaker äußern den Wunsch, direkt aufs Ohr gesagt zu bekommen, dass eine Botschaft nicht richtig verstanden wurde, oder dass das Publikum eine Pause braucht, weil das System viel Müdigkeit feststellt.“
Auf Grundlage von Live-Daten Events optimieren
Schon mit kleinen Eingriffen konnte mittels der neuen KI-basierten Event Analytics Tools der Messeauftritt eines Auto-Herstellers erfolgreicher gestaltet werden. Auf der Veranstaltung merkte das Team, dass ein Fahrzeug so stand, dass es aufgrund des vor Ort gemessenen Besucherstroms weniger wahrgenommen wurde. Nachdem das Auto umplatziert war,konnte die Aufmerksamkeit für das Fahrzeug um etwa 10 % gehoben werden.
35 Einspieler liefen vor dem Main-Event auf dem Kubus. xKPI ermittelte die aufmerksamkeitsstärksten Clips, die dann später gezeigt wurden. So konnte die Aufmerksamkeit des Publikums beim Event um 28 % gesteiegert werden. (Bild: Schachzug)
Der Nutzen von KI-gestützten Event Analytics zeigt sich auch am Beispiel eines Presse-Events im Zuge der Weltpremiere des Škoda Elroq Ende letzten Jahres in Prag. Während einer Testphase noch vor dem eigentlichen Event erfasste die Sensorik, welcher Video-Content besonders viel Aufmerksamkeit auf sich zog. So ließ sich datenbasiert genau argumentieren, welche Video-Clips während des Presse-Events laufen sollten. Mit Erfolg – denn so wurde die Aufmerksamkeit für die Einspieler um 28 % und die Verweildauer vor den Screens um über 60 % gesteigert.
Aus den ersten Einsätzen konnten These Guys bereits eventübergreifende Erkenntnisse ziehen. So haben sie zum Beispiel festgestellt, dass häufig, wenn ein großer Ausschlag von Freude gemessen wurde, sich der Graph von Fokus spiegelbildlich verhält. Laut Karin Schneider findet sich der gleiche Effekt auch in der Psychologie-Literatur. Übersetzt heißt das für Eventprofessionals konkret: Wichtige Botschaften sollten nicht unbedingt in Highlight-Momenten platziert werden, die große Freude hervorrufen – sonst werden sie nicht richtig in den Erinnerungen verankert. Da sich der Fokus streut, sinkt die Konzentration und es wird eher das kreative Denken aktiviert.
Emotionslandkarten von Gesichtern erstellen
Obwohl xKPI in vollem Umfang auf Kameratechnik angewiesen ist, soll dasSystem keine Gesichtsdaten sichern. „Es werden nur die Emotionsdaten in aggregierter, anonymisierter Form gespeichert. Wir haben dann auch keine einzelnen Daten und können sie zum Beispiel nicht der Person in der dritten Reihe links zuordnen,“ so Karin Schneider. Die KI erstellt also viel mehr eine Landkarte der Emotionen im Gesicht und speichert diese zusammengefasst ab – ohne, dass das zugehörige Gesicht als solches gespeichert wird. Eventteilnehmende brauchen also keine Angst davor haben, dass sie personalisiert analysiert werden und ein Nutzerprofil angelegt wird.
Das Dashboard von xKPI ermöglicht die Nachverfolgung von aufgetretenen Emotionen anhand einer Zeitachse und einem Videofeed. So ist eine genaue Analyse möglich, wie Inhalte von Eventteilnehmenden aufgenommen wurden. (Bild: These Guys)
Dennoch wirft der Einsatz Frage zum Datenschutz auf. Der neue EU AI Act von Februar besagt zum Beispiel, dass der Einsatz einer Erkennungs-KI von Emotionen im öffentlichen Raum verboten ist. Dies führt zu Herausforderungen, die es im Vorfeld einer Veranstaltung zu klären gilt. Wie werden etwa Teilnehmende auf den Einsatz von Kamera-Technik hingewiesen? Was passiert, wenn sie sich gegen die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten aussprechen? Lösungen können zum Beispiel trackingfreie Bereiche oder das Informieren der Teilnehmenden vor der Veranstaltung sein. Die Verantwortlichen von xKPI haben diesbezüglich vielfältige technische Maßnahmen ergriffen, bieten Opt-In und Opt-Out Optionen und beraten zu einer transparenten Kommunikation in Richtung der Teilnehmenden. Grundsätzlich sollen die Systeme so ausgerichtet sein, dass sie nicht in die Persönlichkeitsrechte der Besuchenden eingreifen, und daher auch der DSGVO Rechnung tragen.
Ausblick
Event Analytics stehen mit dem Einzug von KI vor einem neuen Zeitalter. Neben einfachen Beobachtungen und Umfragen lassen sich in Zukunft Bewegungs- und Emotionsdaten in Echtzeit erfassen. Darauf basierend können Events zum einen direkt vor Ort optimiert werden. Zum anderen fußen die Erkenntnisse für zukünftige Veranstaltungen auf validen, umfangreichen Datensätzen. „Ich glaube, die Zeit für Event Analytics ist gekommen und sie wird bleiben. Insbesondere dann, wenn wir Daten nicht nur erheben und in der Schublade verschwinden lassen, sondern sie auch analysieren und so einen Mehrwert herausziehen. Du würdest ja auch nicht mehr eine Website bauen und sie dann nicht mit einem Analytics Tool ausstatten,“ schließt Karin Schneider mit einem kleinen Appell. Die Partnerschaft von These Guys und N&M stößt jedenfalls auf großes Interesse, wie Martin Schöning erklärt. Noch will er nicht zu viel zu den kommenden Projekten verraten. Er freut sich aber auf den strukturellen Fortschritt in der Eventanalyse und das Interesse von vielen Fachabteilungen und Marketern, deren Ziele es sind, ihre Events durch technische Innovationen effizienter zu machen und ihre Eventkommunikation direkter zu gestalten.