Virtual Reality für das Gehör

3D-Audio: Immersion für die Ohren

Nach einhelliger Meinung sind Virtual Reality und Augmented Reality die aktuellen Megatrends im Marketing. Doch wie ist es um den Sound für die immersiven Bildeindrücke bestellt?

3D-Recording in der Berliner Nicolaikirche
3D-Recording in der Berliner Nicolaikirche – wer genau hinschaut, erkennt den besonderen 3D-Mikrofonaufbau auf hohen Stativen. (Bild: Jörg Küster)

VR-Brillen wie Oculus Rift und HTC Vive befinden sich in aller Munde und bald sicher auch vor sehr vielen Augen. Keine Frage: Virtual und Augmented Reality sind die Themen der Stunde und werden ohne jeden Zweifel Einfluss auf die Gestaltung von Events und andere Marketingmaßnahmen nehmen. Bei aller Begeisterung für die innovativen Head-Mounted Displays wird gerne vergessen, dass eine überzeugende Immersion nur dann möglich ist, wenn auch das Gehör mit einbezogen wird – wer schon einmal für ein paar Minuten einen Film ohne Ton geschaut hat, weiß, was gemeint ist.

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Mehr als nur Surround
Die Wiedergabe in Stereo ist bewährt und in vielen Zusammenhängen ausreichend. Mehr Spaß bereitet die Audioreproduktion in Surround, bei der sich statt zwei gleich fünf (oder mehr) Lautsprecherpositionen rund um den Hörer gruppieren. Beiden Verfahren ist gemeinsam, dass sich die Lautsprecher bei einer korrekten Aufstellung auf Ohrhöhe befinden oder zumindest auf selbige zielen; die Anordnung ist somit zweidimensional. Kommt eine weitere Lautsprecherebene hinzu (der Fachmann und die Fachfrau sprechen von elevierten Lautsprechern), ist das Setup dreidimensional und eröffnet bei der Mischung deutlich mehr Optionen, um einzelne Signale zu positionieren. Es sind unter – schied liche Aufbauten möglich, die unter dem Oberbegriff 3D-Audio zusammengefasst werden.

Lautsprecher
Erst durch Höhenlautsprecher wird eine wirklich dreidimensionale Audiowiedergabe erreicht. (Bild: Jörg Küster)

In gängigen Konstellationen wird bei 3D-Audio ein 5.1-Lautsprecher setup gemäß ITU-R BS.775-1 durch vier elevierte Lautsprecher in einer Quadrophonie-Anordnung ergänzt. Die Idee zu „Höhenlautsprechern“ ist dabei nicht neu, wird seit einiger Zeit jedoch von diversen Marktteilnehmern mit Verve vorangetrieben: Erste A/V-Verstärker, die parallel sowohl das Atmos-Verfahren der Dolby Laboratories als auch Auro-3D von Auro Technologies (Wilfried van Baelen) unterstützen, sind im Consumer-Segment verfügbar.

Die Gaming-Industrie zeigt schon länger ausgeprägtes Interesse, und auch Entwickler von Augmented- wie Virtual-Reality-Technologien sind für das Thema sensibilisiert. Private Fernsehsender planen – parallel zum Bewegtbild bei Großereignissen – eine akustische Übertragung in 3D-Audio anzubieten, was natürlich Sport-Events, insbesondere aber auch Live-Musikveranstaltungen betrifft. Corporate Events, bei denen Filme in Panoramaformaten oder mit 3D-Brillen zu sehen sind, werden folgen. Installationen in Brand Worlds ebenfalls.

Raum-Reise
„Die 5.1-Surround-Wiedergabe ist 2D. Erst durch Höhenlautsprecher wird eine wirklich dreidimensionale Audiowiedergabe erreicht, und die Auswirkung auf das individuelle Klangerleben ist für jeden Hörer unmittelbar nachvollziehbar“, sagt Diplom-Tonmeister Gregor Zielinsky. Der Grammy-Preisträger ist „International Recording Applications Manager“ beim Audiospezialisten Sennheiser und ein glühender Verfechter von 3D-Audio, das von seinem Arbeitgeber unter dem Label AMBEO vermarktet wird.

Gregor Zielinsky
Diplom-Tonmeister Gregor Zielinsky, Grammy-Preisträger und „International Recording Applications Manager“ beim Audio – spezialisten Sennheiser. (Bild: Jörg Küster)

Zielinsky hat bereits mehrere Konzerte aufwändig für eine spätere Reproduktion in 3D-Audio aufgezeichnet. Zum Einsatz kam in diesem Zusammenhang ein spezieller Mikrofonaufbau („Zielinsky Cube“), der wesentlich für den räumlichen Eindruck ist und lediglich dezent durch die üblichen Stützmikrofone ergänzt wird. Ziel ist eine Aufnahme, die den Zuhörer akustisch glaubhaft in den Konzertsaal (oder eine beliebige andere Location) hineinversetzt.

Besondere kreative Freiheiten eröffnen Kompositionen, die speziell für eine Wiedergabe in 3D-Audio geschrieben wurden und von den neuartigen Möglichkeiten zur Signaldistribution ausgiebig Gebrauch machen. Prädestiniert für derlei Szenarien ist elektronische Musik, deren Ideenvielfalt bei Vorführungen stets für offene Münder (und nicht selten für sich drehende Köpfe) sorgt.

Bekanntes neu erleben
Nicht unerwähnt bleiben soll die Möglichkeit, vorhandenes Mono- oder Stereo-Audiomaterial per Upmix-Algorithmus auf 3D „aufzublasen“. Die Ergebnisse fallen dabei zwar nicht so differenziert wie bei dezidierten 3D-Produktionen aus, eröffnen jedoch sogar bei bestens bekannter Musik ganz neue Klangeindrücke – zu erleben u. a. schon 2014 in der vom Londoner Victoria and Albert Museum kuratierten David-BowieAusstellung im Berliner Martin-Gropius-Bau.

Schenkt man der Gerüchteküche Glauben, werden schon bald diverse Fahrzeughersteller für den 3D-Upmix ausgelegte DSP-Chips in die Musiksysteme ihrer Oberklasselimousinen integrieren, was angesichts definierter Lautsprecher- und Sitzpositionen auch bei konventionellem Audio Content zu durchaus hörenswerten Ergebnissen führen sollte.

Fazit: Die 3D-Audio-Technik ist da und entwächst dem experimentellen Stadium. Sofern man an der Entwicklung partizipieren (und von ihr profitieren) möchte, sollte man sich in Startposition bringen. Die Claims – auch für Eventanwendungen – werden jetzt abgesteckt.

 

Selber hören
Wer sich per Kopfhörer einen ersten Eindruck zum Thema 3DAudio verschaffen möchte, kann die Demo-Seite von Tom Ammermann besuchen. Hier sind als Hörbeispiele u. a. Originalaufnahmen von David Bowie und Count Basie verfügbar, die sowohl in Stereo als auch in 3D gemischt wurden und zwischen denen unterbrechungsfrei umgeschaltet werden kann. Tipp des Autors: Verwenden Sie für maximalen Klanggenuss, wenn möglich, ein Kopfhörermodell mit offener Bauform!

http://newaudiotechnology.com/demoplayer/en/

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