Arbeitsschutzregeln in Großbritannien, Frankreich & Italien

Messen, Ausstellungen & Events: Arbeitsschutz-Fallen im Ausland

Ein Messebesuch, eine Ausstellung oder ein Event im Ausland sind geplant? Dann insbesondere Achtung bezüglich der vor Ort geltenden Arbeitsschutzregeln. Hier einige Tipps, damit Sie in Großbritannien, Frankreich oder Italien nicht sofort in die ersten Arbeitsschutz-Fallen treten.

Marken machen Markt und präsentieren sich auch auf den Märkten im Ausland auf Messen, Ausstellungen und Events. Für den Erfolg einer Marke ist u. a. ausschlaggebend, dass permanent ermittelt wird, welche eventuell abweichenden Bedürfnisse in Design, Kundenansprache oder Darstellung in den Zielmärkten vorhanden sind und ob es dort unterschiedliche Rechtsgrundlagen bei Vertrieb und Herstellung zu beachten gilt.

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Veranstaltungstechnik made in Spain
(Bild: Falco Zanini )

Ein in den letzten Jahren reichlich strapaziertes Stichwort dazu ist „Compliance“, was letztendlich nichts anderes bedeutet, dass alle Rechtsgrundlagen und das gesamte geltende Regelwerk beachtet werden. Was bei den oben genannten Bereichen gilt, sollte umso mehr Beachtung finden, wenn es darum geht, die Vorleistungen zu einem hoffentlich erfolgreichen Messeauftritt oder Event zu erbringen; also bei der Planung und der Ausführung der notwendigen Dienstleistungen der Messebauer, Veranstaltungstechnik und anderer technischer Gewerke. Hier kann eine Nachlässigkeit sehr schnell Verzögerungen und teilweise erhebliche Mehrkosten, im „besten“ Fall „nur“ eine 22-Stunden Schicht der Kolleginnen und Kollegen Techniker bedeuten.

Wie so oft befindet sich die mögliche Fehlerquelle beim ungeliebten Thema „Arbeitssicherheit“. Häufig wird angenommen, dass wir in Deutschland ja einen sehr, sehr hohen Standard haben und die Beachtung der bei uns geltenden Regeln im Ausland vollkommen ausreichend ist. Leider stimmt diese Annahme doppelt nicht, und das „davon ausgehen“ ist eine schlechte Leitlinie.

Sicher ist die Einhaltung der deutschen Regelwerke zum Arbeitsschutz ein guter Anfang, doch erfahrungsgemäß hält sich gerade mal ein Drittel aller KMU in Deutschland tatsächlich an die Regeln, wenn sie denn überhaupt bekannt sind. Außerdem gelten in allen Staaten eigene Regelwerke, die es selbstverständlich vor Ort anzuwenden gilt.

Veranstaltungstechnik made in Spain
Veranstaltungstechnik made in Spain. (Bild: Falco Zanini)

Strenge Health & Safety Officers in Großbritannien

Ein Klassiker in allen Gesprächen über Begegnungen mit ausländischen Arbeitsschutzregeln sind die Erzählungen über extrem strenge Health & Safety Officers in Großbritannien. Dort ist es in der Tat so, dass die vom Location-Betreiber beauftragte Security gleich die Einhaltung der Arbeitsschutzvorgaben mit kontrolliert. Da der Auftrag klar ist (wenn „x“ nicht erfüllt wird, dann kein Zutritt), wird das oft genau so umgesetzt. Sollte also der eigene Dienstleister z. B. Kettenzüge nach UK mitgenommen haben, deren Prüffrist offensichtlich überschritten ist, kann es passieren, dass diese Geräte nicht benutzt werden dürfen. Ein deutscher Halleninspektor hätte das vielleicht nicht bemerkt. Doch auf der Insel ticken die Uhren anders, und dieses auch in Deutschland so gesehene Pflichtversäumnis kann den geplanten Beginn der Veranstaltung gefährden.

Eine heftige Diskussion wurde in den letzten zwei Jahren im Eventbereich geführt. Die englische Arbeitsschutzbehörde wollte die Bestimmungen zu Construction, Design and Management, also das englische Pendant der Baustellenverordnung, auch ausdrücklich und generell für die Eventindustrie einführen und war nach harten Diskussionen letztendlich erfolgreich damit. Somit sollte sich jeder Planer für Veranstaltungen in England unbedingt mit den CDM-Regulations auseinandersetzen und sie beachten. Für fliegende Bauten, die Temporary Demountable Structures, wurde mit Unternehmen der Eventindustrie ein eigener Leitfaden entwickelt und in Kraft gesetzt.

Frankreich nimmt deutsche Standards zum Vorbild

Die Kollegen Messebauer haben in Frankreich sicher auch immer wieder Diskussionen, die sich um die Benutzung bzw. das Verbot der Nutzung von Leitern drehen. Vollkommen zu Recht: Der Code du Travail, das französische Arbeitsschutzgesetz, schreibt ganz klar vor, dass eine Leiter kein Arbeitsplatz ist. Grade im deutschen Messebau jedoch ist die Leiter eben genau das: ein unverzichtbares Arbeitsmittel. Dabei sehen es die deutschen Berufsgenossenschaften prinzipiell genauso und als Stand der Technik, dass für Arbeiten länger als zwei Stunden Leitern NICHT benutzt werden sollen, sondern andere sicherere Zugangsmethoden, wie z. B. ein Gerüst oder eine Hubarbeitsbühne. So kann aus der Vorstellung vom französischen „Laisser-faire“ schnell ein „Ne laisser pas“ werden.

Auch in Frankreich – für viele Deutsche der Ausbund an mediterraner Lebensfreude und Lässigkeit – wurde in den letzten Jahren unter Mitwirkung dortiger Verbände und offizieller Stellen ein Leitfaden für temporäre Strukturen, das „Mémento Matériels et Ensembles Démontables“, entwickelt und diesen April herausgegeben. In diesem wird sogar auf den deutschen Stand der Technik verwiesen, indem auf der Homepage zum Mémento auf die igvw-Standards der Qualität zu Traversen (SQP1) und Elektrokettenzügen (SQP2) Bezug genommen wird. In dem Mémento werden (hoffentlich) bekannte deutsche Vorgehensweisen zu Materialien, Prüfung, Dokumentation, befähigten Personen und Stand der Technik auf Frankreich adaptiert und in diesem Dokument einheitlich zusammengefasst.

Auch wenn der eine oder andere Freund des Frankreichurlaubs liebevoll konstruierte Bühnen und inspiriert umgesetzte Kulturveranstaltungen von dort kennt, wird sich mit Sicherheit bald einiges ändern, da die Kontrollbehörden westlich von uns auch nicht zimperlich sind.

Bis ins Detail ausformuliert: der italienische „Einheitstext“

Vom Westen in den Süden, nach Italien. Seit Goethes Zeiten hat sich dort einiges getan und im Arbeitsschutz kann zumindest auf offizieller Seite kein „Dolce Vita“ festgestellt werden. Im Gegenteil: Das italienische Arbeitsschutzgesetz, der „Testo Unico“ oder auch „Einheitstext“, umfasst ca. 600 Seiten und schreibt vieles sehr detailliert vor, was in deutschen Landen erst nach Ableitungen von Vorschriften und dem Studium mehrerer Quellen klar wird. Kollegen berichteten z. B. empört, dass von ihnen verlangt wurde, sie mögen einen Arbeitssicherheitskurs nachweisen, bevor sie in die Mailänder Messe gelassen würden.

Auch hier ist die Lage vollkommen eindeutig: In Italien ist für Arbeitnehmer je nach Unfallrisiko vorgeschrieben, dass sie verpflichtende Grundausbildungen in Arbeits- und Brandschutz absolvieren, die zwischen 6 bis 16 Stunden dauern können. Glücklich, wer die in Deutschland ebenfalls vorgeschriebenen Unterweisungen erhalten hat und dies auch schriftlich nachweisen kann. Ein gutes Mittel für die Nachweise ist beispielsweise der SCC-Sicherheitspass, der im Bereich der chemischen und Großindustrie nahezu verpflichtend ist. Für alle Interessierten, die des Italienischen nicht ausreichend mächtig sind, steht der Einheitstext auch in einer deutschen Variante auf der Homepage der Südtiroler Bezirksregierung zur Verfügung.

Equipment auf einem Boot in Venedig
In Venedig kommt die Technik per Boot. (Bild: Falco Zanini )

Besonders interessant im italienischen Arbeitsschutzrecht ist das für temporäre und mobile Vorhaben verpflichtende „Documento Unico“. In diesem Dokument müssen alle für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz notwendigen Dokumente und Nachweise zusammengestellt werden. Sollte also ein Vorhaben/ein Event über mehrere Dienstleister verfügen, müssen alle Informationen eingeholt und zentral zusammengetragen werden. Dies sind u. a. Adressen, Qualifikationen, Zeichnungen, Gefährdungsbeurteilungen, Bauzeitenpläne, Unterweisungen, Arbeitsanweisungen und vieles mehr, je nach Projektumfang. Auch hier handelt es sich nicht um neue Erfindungen, sondern diese Dinge müssen auch in Deutschland von den Arbeitgebern erstellt und gepflegt sowie umgesetzt werden.

Verschärfung der Arbeitsschutz-Regelwerke in Europa

Die Verpflichtung auf die Erstellung eines Documento Unico findet sich nun auch in dem neuen, oben genannten, französischen Mémento für temporäre Strukturen. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis man in Frankreich danach gefragt wird. Etwas Ähnliches ist übrigens im deutschen Baurecht bzw. in den Versammlungsstättenverordnungen der Länder möglich. Dort nennt sich das Dokument „Gastspielprüfbuch“ und findet sich im Anhang der jeweiligen VStättVO.

Abschließend kann festgestellt werden, dass die Arbeitsschutz-Regelwerke in Europa sich einerseits nicht sehr stark unterscheiden, doch einige Länder in den letzten Jahren massiv angezogen haben. Es gilt, besondere schärfere Vorschriften zu kennen oder zu erfragen und v.a. die Hausaufgaben zu erledigen, die in der Heimat schon lange aufgegeben sind.

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Das ist wirklich mal eine Top-Info, grosses Lob an den kompetenten Autor!

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  2. Gibt es in Frankreich/Paris auch eine Versammlungsstättenverordnung (VStättVO)? Und falls ja, wie heißt diese?

    Danke & LG!

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