Rechtstipps und Umfrage

Materialmangel & Preissteigerungen in der Eventbranche

Engpässe in den Lieferketten oder inflationär steigende Materialpreise sind auch in der Veranstaltungswirtschaft leider keine Seltenheit mehr. Unser Rechtsexperte klärt über die Folgen bei geschlossenen Verträgen auf. Drei Technikdienstleister schildern die Verhältnisse aus ihrem Berufsalltag.

Materialmangel, (fast) leeres Regal(Bild: Shutterstock/ Marko Aliaksandr)

Die Zero-COVID-Strategie in China führt zu drastischen Lockdowns, beispielsweise in Shanghai. Der Hafen dort ist der Größte der Welt – unzählige Frachtschiffe stauen sich, weltweite Lieferketten sind seit Wochen und vermutlich noch auf längere Zeit massiv gestört. Auch der Krieg in der Ukraine führt zu massiven Beeinträchtigungen in internationalen Lieferketten. Derlei Störungen wirken sich zwischenzeitlich auch auf die Veranstaltungsbranche aus. Die Folgen: Material kann nicht mehr rechtzeitig beschafft werden oder nur zu horrenden Kosten.

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Wer ist verantwortlich, wenn schlimmstenfalls eine Veranstaltung abgesagt werden muss? Kann ein Auftragnehmer die Preisexplosion an seinen Kunden weitergeben? Kann er den Vertrag kündigen, wenn es ihm zu teuer wird?


Übersicht:

Vor Vertragsschluss

Nach Vertragsschluss

Vertragsgestaltung ist das A & O

Über den Autor

Umfrage: Wie wirkt sich der Materialmangel auf deutsche Technikdienstleister aus?


Vor Vertragsschluss

Scheitert ein Vertrag vorzeitig, spielt oftmals eine Frage eine wichtige Rolle: Hat der Vertragspartner gewusst, dass es zu Schwierigkeiten in der Lieferkette kommen kann? Gab es Anhaltspunkte für den Vertragspartner, dass es Schwierigkeiten geben könnte? Hat er seinen Kunden ordnungsgemäß über mögliche Probleme aufgeklärt?

Gefährlich kann es werden, wenn bei Vertragsschluss so getan wird, als ob es die Probleme gar nicht geben würde. Das bedeutet: Werden die Vertragspartner von den Störungen überrascht, dann gibt es einige gesetzliche Möglichkeiten, die Probleme zu lösen. Dazu weiter unten mehr. Für den Dienstleister kann es jedoch kritisch werden, wenn es an dem Überraschungsmoment fehlt. Mangelt es dann auch noch an einer vertraglichen Vereinbarung bezüglich solcher Störungen, kann es sein, dass er am Ende den Schaden tragen muss bzw. seine Vergütung nicht erhält.

Aus vielerlei Gründen ist es empfehlenswert, vorsorglich eine Klausel zur Preissteigerung in den Vertrag aufzunehmen. Insbesondere aus Sicht desjenigen, der leisten – und damit oftmals zuvor seine Leistung anderswo beschaffen muss –, können steigende Preise oder gar ausbleibende Lieferungen existenzbedrohend werden.

Allerdings: Man kann in einen Vertrag nicht einfach reinschreiben: „Wenn es teurer wird, zahlt der Kunde.“ Man muss unterscheiden: Wenn ein Festpreis vereinbart ist, dann muss ausdrücklich eine Anpassung vereinbart werden. Das Gesetz erlaubt dabei grundsätzlich nur Formulierungen, die u.a. eine Anpassung erst ab vier Monaten zulassen.

Nun wird es aber auch passieren, dass sich Vertragsschluss, Preissteigerung und Veranstaltung innerhalb von diesen vier Monaten abspielen. Also muss für den Vertrag auch hierfür nach einer Lösung gesucht werden. Dabei muss man aufpassen: Es muss sehr präzise formuliert sein, in welchen Fällen genau Preise erhöht werden dürfen und wann nicht. Dabei sind nicht nur Lieferstörungen zu berücksichtigen, sondern auch beispielsweise klimatische Extreme (z.B. hohe Temperaturen), wenn dadurch mehr Energie für Klimatisierung bzw. Kühlung notwendig wird. Wir haben in den vergangenen zwei Jahren gelernt: Man muss kreativ sein, in die Zukunft voraussehen und mit Ereignissen rechnen, die die meisten von uns bislang noch nicht kennengelernt haben.

Eine Alternative ist, keinen Festpreis zu vereinbaren, sondern Tagespreise. Das ist auch in den meisten Fällen die einfachste Alternative, vom bestellenden Auftraggeber natürlich ungern gesehen. Letztlich obliegt es den Vertragspartnern, eine faire und angemessene Lösung zu finden.

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Lagerhalle mit drei Mitarbeitern, Logistik(Bild: Shutterstock / Gorodenkoff)

Nach Vertragsschluss

Schauen wir uns die Situation an, wenn der Vertrag geschlossen ist, und dann die Probleme auftreten – oder wenn man für den Vertrag keine Lösung gefunden hatte. Die Kosten können nun derart extrem ansteigen, dass entweder der Lieferant Verluste machen würde oder der bestellende Auftraggeber so viel bezahlen müsste, dass er Verluste macht. Eine Grenze wird jedenfalls dann erreicht, wenn es wirtschaftlich an eine unerträgliche Höhe gelangt und es für den betroffenen Vertragspartner unzumutbar und unverhältnismäßig wird. Dann spricht man von einer wirtschaftlichen Unmöglichkeit. In diesem Fall wird der Vertrag rückabgewickelt, beide Vertragspartner müssen nicht leisten, bekommen aber auch nichts.

Es kann aber auch Fälle geben, in denen sich ein Vertragspartner schadenersatzpflichtig macht: Nämlich dann, wenn man ihm vorwerfen kann, sich nicht ausreichend früh und intensiv um die Beschaffung des Materials gekümmert zu haben. Wenn man also anfangs trödelt und hinterher die bestellten Materialien nicht mehr oder nur noch zu hohen Preisen beziehen kann, bekommt man die Preisdifferenz nicht erstattet. Schlimmstenfalls, wenn mangels Materials die Veranstaltung oder Teile davon ausfallen müssen, muss man dem Veranstalter sogar seinen Schaden ersetzen.

Wichtig ist also nicht nur, sich frühzeitig um die Beschaffung zu kümmern, sondern auch frühzeitig seinen Vertragspartner vorzuwarnen: Achtung, es wird teuer oder knapp. Außerdem sollte man die Bemühungen, Material zu beschaffen, schriftlich festhalten. Denn nur so kann man später im Streitfall nachweisen, wann man was getan hat, um den Schaden zu vermeiden.

Bahnt sich das Problem an, ist aber auch der andere Vertragspartner gefragt: Er darf sich nicht zurücklehnen, sondern muss seinerseits versuchen, den drohenden Schaden klein zu halten. Ein Beispiel: Der Veranstalter beauftragt einen Zeltbauer und einen Bühnenbauer für Zelte und Bühnen in einer bestimmten Dimension. Beide warnen nun den Veranstalter, dass Stahl kaum noch zu bekommen ist. Nun sollte der Veranstalter überlegen, ob er gegebenenfalls die Veranstaltung kleiner dimensionieren kann und nicht ohne Not auf der ursprünglich vereinbarten Dimension beharren.

Ich kann nur empfehlen: Für Lieferengpässe können die Vertragspartner im Regelfall nichts. Aber spätestens, wenn sich solche Engpässe anbahnen, sollte transparent miteinander gearbeitet werden. Die Erfahrung der vergangenen zwei Jahre hat hinreichend deutlich gemacht, dass Zögern und Schweigen („läuft alles“) schneller im Gerichtssaal enden, als wenn beide Vertragspartner sich gegenseitig frühzeitig informieren und gemeinsam nach Lösungen suchen. Auch hier wieder der Tipp: dokumentieren, dokumentieren, dokumentieren…

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Vertragsgestaltung ist das A & O

Spätestens seit Beginn der Pandemie wissen wir, dass wir uns auf krasse Ereignisse vorbereiten können und müssen. Höhere-Gewalt-Klauseln und Anpassungsklauseln für Preise und Liefermengen hatte man früher stiefmütterlich behandelt, heute spielen sie eine wichtige Rolle.

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Über den Autor:

Thomas Waetke
Thomas Waetke (Bild: Schutt, Waetke Rechtsanwälte)

Thomas Waetke ist Rechtsanwalt und spezialisiert auf das Veranstaltungsrecht. Er ist Dozent, Buchautor und Herausgeber des Internetportals eventfaq.de. Schreiben Sie Thomas Waetke an info@eventfaq.de: Seine Kanzlei berät und unterstützt Auftraggeber wie Auftragnehmer bei der Formulierung von Klauseln ebenso wie bei Verhandlungen mit potenziellen Vertragspartnern.

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Umfrage: Wie wirkt sich der Materialmangel auf deutsche Technikdienstleister aus?

Preissteigerungen und Materialmangel machen auch vor der Veranstaltungsbranche nicht halt. Inflation, höhere Gehaltsforderungen, steigende Rohölpreise wirken sich direkt auf die personal- und logistikintensive Eventwirtschaft aus. Obendrein steht ein Super-Event-Sommer bevor, der – abgesehen von Lieferschwierigkeiten aus Fernost und aufgrund des Ukraine-Kriegs – alles Material aus den Lagern vereinnahmen wird. Wer zuletzt ordert, steht vor leeren Regalen.

Wir fragen nach: Mussten deutsche Technikdienstleister in ihrem Betrieb auch schon Preisanpassungen nach oben vornehmen? Wie haben die Kunden darauf reagiert? Und wie steht es um den Lagerbestand: Wird alle Technik im Sommer im Dauereinsatz sein, können überhaupt noch alle Kunden bedient werden? Welche Erfahrungen mussten die Firmen bei der Neubestellung von Material machen (Kosten, Lieferzeiten)?

Daniel Haasbach, Geschäftsführer AVE Audio Visual Equipment GmbH:

Daniel Haasbach
Daniel Haasbach (Bild: Photostudio Alte Schmiede/Guido Broich)

Daniel Hasbach„Wir haben schon letztes Jahr im November die Preise für unser Personal angepasst und zugleich die Stundenbasis eines Tagessatzes von zehn auf acht Stunden geändert. Dieser Schritt war aus mehrerlei Gründen notwendig. Zum einen sind die Personalpreise in unserer Branche seit je her deutlich zu niedrig. Die Gründe sind hinlänglich bekannt. Zum anderen sind durch die Corona-Pandemie viele Fachleute in andere Bereiche abgewandert. Und nun kommt die entstandene personelle Unterdeckung am Markt zusammen mit generellen Preissteigerungen, was eine Anpassung der Preispolitik zwingend erforderlich macht.

Die Reaktion der Kunden ist grundsätzlich verständnisvoll. Es gibt ja auch keine Schwierigkeiten, den Sachverhalt zu erklären. Aber natürlich hat niemand Geld zu verschenken und daher versuchen wir natürlich, maßvoll zu agieren. Uns kommt bei diesem Thema nun zugute, dass wir in Corona-Zeiten unser Personal gehalten und in Teilen sogar ausgebaut haben.

Im Bereich der Vermietung haben wir bisher – bezogen auf Material – eigentlich kaum Probleme, sowohl was unseren eigenen Stock anbelangt als auch Material im Zugriff.

Was die Materialverfügbarkeit im Installationsbereich betrifft, ist die Situation schon eher problematisch. Manche Hersteller geben mittlerweile Lieferzeiten von mehr als einem Jahr für ihre Produkte an. Spezialisiert wie unsere Brache ist, gibt es dann häufig auch kaum Alternativen bzw. die Projekte lassen keine zu. Aus demselben Grund macht hier auch eine ausgeprägte Lagerhaltung für die meisten Unternehmen keinen Sinn. Viele Produkte werden ja auch aufgrund ihrer Individualität erst auf Bestellung produziert. Alles in allem eine sehr unbefriedigende Situation, was die Systemintegration betrifft. Leider wird sich das Thema Verknappung aus meiner Sicht so schnell nicht ändern, da die geopolitische Lage einfach zu verfahren ist.“


Melanie Schobel, Geschäftsführerin Media Spectrum GmbH & Co. KG:

Melanie Schobel
Melanie Schobel (Bild: Media Spectrum)

Melanie Schobel„Auf dem Eventmarkt steht nicht mehr ausschließlich der Preis, sondern viel eher die Verfügbarkeit im Mittelpunkt. Wir beobachten die Verschiebung von einem stark nachfrageorientierten zu einem angebotsorientierten Geschäft. Gleichzeitig spüren auch wir den großen Nachholbedarf an Präsenzveranstaltungen und sehen ein Produktions-Peak in den Sommermonaten.

Aus unserer Erfahrung schafft eine transparente und offene Kommunikation gegenüber dem Kunden über die aktuellen personellen und materiellen Engpässe Akzeptanz für die Situation der Event- und Technikdienstleister. Es ist nun wichtiger denn je, Kunden zu sensibilisieren und zu motivieren, frühzeitig zu planen und seine Dienstleister zu beauftragen.“


Torsten Jacobs, Geschäftsführer Neumann&Müller Veranstaltungstechnik GmbH:

Torsten Jacobs
Torsten Jacobs (Bild: Alexandra Beier)

„Die Problematik zu niedrig angesetzter Personalkosten innerhalb der Gesamtkalkulation von Projekten beschäftigt uns bereits seit vielen Jahren. Jetzt ist es durch die Pandemie zusätzlich zu einer erheblichen Personalverknappung gekommen, die auch mittelfristig nicht auszugleichen sein wird. Hintergrund: Viele – insbesondere freiberuflich tätige – Techniker:innen sind auf andere Branchen oder andere Beschäftigungsverhältnisse umgeschwenkt. Da unser Unternehmen eine Tendenz hierzu mit Pandemie-Beginn schon erkannt hat, haben wir schnell gegengesteuert – durch eine massive Ausweitung der Festanstellungen.

N&M-Crews werden nunmehr verstärkt aus festangestellten (und nicht freiberuflich tätigen) Techniker:innen zusammengestellt. Unsere Kunden haben in den meisten Fällen dafür Verständnis, dass wir die somit angestiegenen Personalkosten im Rahmen von Projekten auf sie umlegen müssen, selbst wenn das Kostensteigerungen zwischen 30% und 40% ausmacht. Allerdings gibt es einen harten Gegenwert: Wir können qualitativ noch besser sein und Zeitvorteile ausschöpfen, weil die Festangestellten optimal in die Teams integriert sind.

Auch die Engpässe im Equipment-Bereich, die durch globale Lieferprobleme sowie den Materialmangel in Folge der Pandemie und des Ukraine-Krieges deutlich zu spüren sind, werden zu einem Umdenken auf Kundenseite führen müssen. Nur wenn Auftragsvergaben mit ausreichendem Zeitfenster erfolgen, können wir eine Ausführung mit Sicherheit zusagen – und diese Projekte dann sogar ressourcenschonend realisieren. Im Umkehrschluss heißt das: Projekte mit einem Volumen von zehn oder 20 Trailern Equipment sowie 50 bis 100 Beschäftigten, die mit einem Vorlauf von nur drei Wochen beauftragt werden – das wird es in Zukunft nicht mehr geben können.“

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Kommentar zu diesem Artikel

  1. Vielen Dank für den guten Artikel.
    Besonders gefallen haben mir die Stellungnahmen am Ende. Alle deckten sich irgendwo und haben meine Erfahrungen am berliner Markt absolut bestätigt.

    Schön, dass auch erwähnt wurde, dass Preissteigerungen beim Personal schon lange notwendig gewesen wären. So lapidar das dahingesagt wurde, so schlecht lässt es aber die Arbeitgeber der Branche aussehen. Da musste also erst eine Pandemie um die Ecke kommen, bis das bemerkt wurde? Nein, es wurde einfach sehr lange zuwenig gezahlt. Ich finde soviel Ehrlichkeit darf dann auch sein…
    Herzliche Grüße aus Berlin
    Michael Weiß

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