Interview mit Lutz Sonius, Brot für die Welt

Events für die gute Sache: Wie werden Veranstaltungen bei Brot für die Welt eingesetzt?

Lutz Sonius ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit und bei „Brot für die Welt“ der Eventzuständige. Der evangelische Entwicklungsdienst in Berlin handelt werteorientiert: „Glaube, Liebe, Hoffnung, Würde“ steht auf seinem Banner.

Lutz Sonius von Brot für die Welt
(Bild: Markus Rock)

Lutz Sonius bildet als Referent für Veranstaltungen zusammen mit einer Kollegin das Team Eventmanagement bei „Brot für die Welt“. Die beiden betreuen ca. zwölf größere, regelmäßig stattfindende und weitere aktuell anfallende Events und unterstützen die mehr als vierhundert Kollegen im Haus bei der Durchführung weiterer Veranstaltungen. Zudem beraten sie ihre regionalen Vertretungen in den jeweiligen Landeskirchen und sind für die Organisation der umfangreichen Event- und Ausstellungslager nebst Verleihservice im kirchlichen und schulischen Bereich mit verantwortlich. Dazu kommt die Entwicklung und Produktionsbetreuung themenspezifischer interaktiver Ausstellungen und Lernstationen, z.B. aktuell zu Flucht und Migration oder zum ökologischen Fußabdruck.

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Welche Events veranstaltet „Brot für die Welt“?
Wir veranstalten Messepräsenzen, z. B. im Bereich Fair Trade, Slowfood, auf Heldenmärkten. Auch auf genuss- und konsumorientierten Messen wie der Internationalen Grünen Woche und der Berlin Food Week oder Bildungsmessen wie der Didacta. Hinzu kommen Veranstaltungen gemeinsam mit anderen Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit und zunehmend Kooperationen mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, hauptsächlich im Bildungsbereich. Wir organisieren die bundesweite Eröffnung unserer jährlichen Spendenaktion mit Festakt und Fernsehgottesdienst. Ergänzt wird dies durch die Planung und Koordination unserer vielfältigen Aktivitäten auf Deutschen Evangelischen Kirchentagen, Katholikentagen und Ökumenischen Kirchentagen, Benefiz-Konzerten und Gottesdiensten, die ja auch Events sind. Schließlich gibt es noch verschiedene Veranstaltungen im Politikbereich und mit unseren internationalen Projektpartnern Fachkonferenzen, Symposien, Podien, Seminare, und nicht zuletzt statten wir unsere Mitarbeitenden mit Branding und Spruchbändern aus, wenn wir auf Demonstrationen Flagge zeigen.

Lutz Sonius von Brot für die Welt
(Bild: Markus Rock)

Was sind Ihre strategischen Ziele?
Natürlich wollen wir unsere große Bekanntheit und unser gutes Renommee stützen. Wir flankieren ebenfalls unser Fundraising. Doch Events sind bei uns weder Selbstzweck noch Publikumsbespaßung. Zusammen mit Maßnahmen in den Bereichen Werbung, Medienarbeit, Publikationen, der Kooperation mit Kirchengemeinden sowie dem Fundraising arbeiten wir an folgenden Zielen: Wir wollen Verständnis und Verstehen gegenüber den Anliegen und Nöten unserer Partner im Globalen Süden wecken, fördern und festigen. Wir wollen die notwendigen Mittel generieren, die für die Arbeit unserer Projektpartner nötig sind und deren Botschaften hierher weitertragen. Wir wollen den fairen und ökologischen Handel fördern und Menschen in Deutschland zu tätigem Mitgefühl, aber auch zu einem verantwortlichen und nach – haltigem Lebensstil ermutigen. Wir wollen politische und kirchliche Entscheidungsprozesse zugunsten der Menschen im Globalen Süden beeinflussen. Und wir wollen die Vision einer gerechteren Welt und eines Lebens in Würde für alle Menschen wachhalten und möglichst viele Menschen auf diesem Weg mitnehmen.

Events kommt hierbei eine wichtige Funktion zu. Hier können wir Menschen direkt und auf Augenhöhe begegnen, können unserer Organisation ein Gesicht geben und so Vertrauen erzeugen, Informationen vermitteln und zum Handeln motivieren.

Welche Mittel verwenden sie?
Ich arbeite grundsätzlich mit interaktiven Elementen und will damit Menschen über das Tun mit Schicksalen, Informationen und Möglichkeiten des eigenen Engagements vertraut machen. So wird Live-Kommunikation zu Erlebniskommunikation, fördert Bindung, Sympathie und Erinnerung an aktiv erlebte Information. Nach meiner Erfahrung macht es dabei aber wenig Sinn, Menschen mit einem medialen Bildgewitter zu blenden oder sie durch digitale Technik zu beeindrucken. Der solcherart „Bespaßte“ wird innerlich sein Fell schütteln und das alles schnell vergessen, egal wie intensiv es gewesen oder empfunden sein mag. Wir setzen aufs Händische, aufs Spielen, Machen, Tun, aufs Fragen lösen oder im Tun Schicksalen und Situationen begegnen. Das schafft Gesprächsanlässe schon während des Tuns, stellt direkten menschlichen Kontakt her, und der ist immer noch das beste Instrument, was Events zu bieten haben.

“Der direkte menschliche Kontakt ist immer noch das beste Instrument, was Events zu bieten haben”.


Wie definieren Sie Nachhaltigkeit?

Ohne Nachhaltigkeit keine Glaubwürdigkeit. Wenn ich ein Projekt beispielsweise aus Brasilien vorstelle, in dem Menschen von Recycling leben und jeden Fitzel auf Nutzbarkeit prüfen. Oder eines in Burkina Faso, wo Bauern auf genmanipulierte Pflanzen und chemischen Pflanzenschutz zugunsten von Bio-Anbau und Naturschutz verzichten. Dann kann ich diese Informationen nicht auf ein Trägermedium ziehen, das den inhaltlichen Aussagen fundamental widerspricht. Wir müssen unsere Eventformate und -module genauso sorgsam und nachhaltig auswählen und behandeln, wie dies in unseren Partnerprojekten geschieht. Das bedeutet konkret: Langlebiges und wiederverwertbares Material, so wenig Print-Produkte wie möglich, keine Roll-ups, Displays, Counter etc. aus Aluminium und Kunststoff. Zudem bemühen wir uns, unseren CO2-Abdruck so niedrig wie möglich zu halten.

Lutz Sonius von Brot für die Welt
(Bild: Markus Rock)

Komplette Nachhaltigkeit ist nicht erreichbar. Aber es ist eine Vision, der wir folgen. In den letzten Jahren haben wir ein aufwändiges eigenes Messe- und Ausstellungssystem entwickelt, das fast komplett aus Holz, Eisen und Textil besteht. Statt Alu-Roll-ups arbeiten wir jetzt mit einem in Deutschland handwerklich hergestellten Displaysystem aus Holz mit problemlos austauschbaren Bannern. Unsere Eventmitarbeitenden reisen mit der Bahn an und wir greifen, wo möglich, auf regionale Partner und deren Material zurück.

Setzen Sie nur technische Mittel oder auch künstlerische Inszenierungsmittel ein?
Eine der überraschendsten Erfahrungen, die ich in zehn Jahren bei „Brot für die Welt“ gemacht habe, ist, dass Kunst und Kultur in der Zivilgesellschaft unserer Partnerländer eine richtig große Rolle spielen. Und zwar nicht als l’art pour l’art, sondern als Mittel, um soziale, gesellschaftliche oder politische Missstände zu artikulieren. Deshalb graust es mich ehrlich gesagt oft bei Events in Deutschland, die Kunst und Kultur eher als Makeup aufklatschen, als diese zum fundamentalen Bestandteil nicht nur der Inszenierung, sondern auch der Aussage zu machen. Im Eventbereich arbeiten wir mit Musikschaffenden zusammen, die unsere Botschaft in ihren eigenen Formaten weiter vermitteln. Deutsches entwicklungsbezogenes Theater nervt mich – da lade ich lieber Gruppen aus dem Globalen Süden ein oder, ganz aktuell, arbeite mit geflüchteten Künstlern. Aber es geht mir dabei nie um das „Aufpeppen“ meiner Formate, sondern darum, den künstlerisch zum Ausdruck gebrachten Anliegen eine geeignete Plattform zu verschaffen.

Lutz Sonius von Brot für die Welt
(Bild: Markus Rock)

Bei welchen Kosten liegen Sie durchschnittlich pro Gast und haben sie Höchst- oder Richtwerte?
Das ist von Event zu Event sehr verschieden. Ich bin auch kein Freund der „Kosten pro Gast Rechnung“ außerhalb klar umrissener, selbst organisierter Events. Im öffentlichen Raum und als Gast auf Messen und auf Megaevents wie den Kirchentagen mit bis zu 150.000 Besucherinnen und Besuchern arbeiten wir ja auch mit Werbung und PR, so dass wir eher mit Kontaktzahlen als mit Gastzahlen kalkulieren. So gerechnet kostet uns der Kontakt rund um einen großen Kirchentag ca. ein bis zwei Euro, der Gast auf einem Empfang zwischen 20 und 50 Euro, je nach Bedeutung des Events und der Gäste. Klar definierte Höchstgrenzen gibt es nicht, wir setzen diese für jedes Event immer wieder neu.

Gibt es einen Code of Conduct?
Wir haben keinen ausschließlich für uns bzw. unsere Öffentlichkeitsarbeit formulierten Code of Conduct. Doch ein solcher Verhaltensrahmen ergibt sich zwingend aus der Arbeit von „Brot für die Welt“ und dem Gebot der gleichen Augenhöhe in Kontakt mit unseren Projektpartnern im Globalen Süden. Als christliche Organisation sind wir natürlich den grundlegenden Geboten der Bibel verpflichtet. Als Spenden sammelnde Organisation der Entwicklungszusammenarbeit betonen wir die Würde eines jeden Menschen und sein Recht auf eine faire Chance. So verzichten wir in unserer Bildsprache auf jegliche Zurschaustellung von Not und Elend. Wir zeigen die Menschen als die, die sie sind: Als von politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Systemen Benachteiligte, die sehr wohl wissen, was es braucht, um ein gutes und sinnvolles Leben zu führen. Zudem legen wir Wert auf die Vermeidung auch noch so harmlos erscheinender Rassismen und auf eine gendergerechte Sprache im Berichten über Aktivitäten und Projekte, aber auch im Umgang mit Gästen und untereinander.

Lutz Sonius von Brot für die Welt
(Bild: Markus Rock)

Wie sieht Ihr Traumevent für „Brot für die Welt“ aus?
Mein „Traumevent“ hat keine bestimmte Form und kein bestimmtes Budget. Jedes Event, das Menschen emotional berührt, zum Nachdenken bewegt und zur Überprüfung des eigenen Lebensstils motiviert, ist für mich ein Traumevent. Jedes Event, das den Menschen hier Respekt und Mitgefühl für Benachteiligte sowie ein Verständnis grundlegenden Unrechts in der globalen Verteilung von Ressourcen und Möglichkeiten vermittelt, ist für mich ein Traumevent. Jedes Event, das sowohl die Kraft entwickelt, vorgefasste Meinungen aufzuweichen als auch Menschen ihre eigenen guten Seiten fühlen lässt, ist für mich ein Traum – event. So gesehen habe ich einen Traumjob, denn mit den meisten Formaten können wir dies zumindest bei einigen Gästen erreichen. Und das ist doch schon mal was!

Vielen Dank für das Interview!

 

Zur Person: Lutz Sonius
Lutz Sonius kam über seine Liebe zur Live-Musik zum Eventmanagement. Mit Anfang Zwanzig hatte er begonnen, selbst in Bands zu singen und gleichzeitig in seiner Heimatstadt Solingen kleinere Live-Konzerte für andere Bands zu organisieren. Musik reichte ihm irgendwann nicht mehr und er begann, ehrenamtlich als Regieassistent für Off- Theater-Produktionen zu arbeiten. Auch während seines Studiums in Köln blieb er der Konzertorganisation treu. Nach einer mehrjährigen Pause, in der er sein Ethnologie-Studium abschloss, um anschließend in Tansania und Namibia Feldforschungen zu unternehmen, zog er nach Berlin und bildete sich zum PR-Referenten fort. Einige Umwege und, wie er selbst sagt, „mäßig an- bis unangenehmen Agentur-Engagements“ später, wurde er organisatorischer Leiter der „48 Stunden Neukölln“, Berlins größtem kommunalen Kunst- und Kulturevent.

Lutz Sonius von Brot für die Welt
(Bild: Markus Rock)

Inzwischen Familienvater wechselte er zu „Brot für die Welt“ nach Stuttgart. Dort war er Koordinator aller Aktivitäten rund um das Jubiläum „50 Jahre Brot für die Welt“. Neben klassischen Eventformaten wie einer Roadshow durchs Land, einem internationalen Theaterfestival oder dem großen Jubiläumsfestakt im Admiralspalast in Berlin, produzierte er Bücher und ein Hörspiel und verantwortete weitere PR- und Werbemaßnahmen. Nach einem fünfjährigen Intermezzo im Fundraising ist er nun seit knapp drei Jahren wieder als Eventmanager tätig, immer noch für „Brot für die Welt“.

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