Serielles erzählen wiedererlernen

Storytelling: Was Eventprofis von Serien lernen können

Jetzt wird ausländisch seriell geguckt. On demand! Wie ist das mit dem neuen Erzählen und Erzählt bekommen? Unser Kolumnist guckt seit Weihnachten fast nur noch digitale Serien im Netz und zuweilen DVDs. Er ist abgetaucht in das Reich der angloamerikanischen Serien, des Reiches von Carrie Mathison, Dr. Joan Watson und des Earl und der Countess von Grantham. Aber auch die Israelis oder die Skandinavier packen den Zuschauer. Kann das alte Brot-und-Butter-Fernsehen einpacken und von welchen Serien können wir Event-Profis noch was lernen?

Downton Abbey
Szene aus “Downton Abbey” (Bild: Universal Pictures Germany )

Einer der größten Serienerfolge, „Homeland“, wurde in Israel erfunden, aber von den neuen Kapitänen in Hollywood schnell kopiert. Fernsehen ist nicht mehr „Pfui“ für die Filmindustrie, sondern das neue Geschäftsmodell, in das neben den Öffentlich-Rechtlichen, Kabel- und Sat-Sendern längst die Internetriesen eingestiegen sind. Nicht mit Masse, sondern mit Qualität. Woher kommt der neue Erfolg des langsamen, epischen Erzählens? Ist das nur eine Gegenbewegung zur Games-Welt mit dem schnellen Zack-peng? Während sich die üblichen Fernsehmacher*innen darüber Gedanken machten, wie kurz die Zuschauer*innen an der Antenne hängen, bevor sie umschalten, machte sich die erzählerische Avantgarde auf den Weg, stundenlange Geschichten zu erzählen. Ohne zu langweilen. Junge Zuschauer sind geradezu süchtig. Ich auch.

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Ich kenne noch die Sternstunden des deutschen TV wie die fassbindersche „Welt am Draht“ oder den „Berlin Alexanderplatz“, die den Bildschirm sprengten. Das „Millionenspiel“ oder „Smog“ waren Stra- ßenfeger wie Aufreger. Lange ist das her. Das deutsche Fernsehen, ob „ÖR“ oder privat, serviert nur noch Eintopf oder die ewig gleichen Hackfressen. Aber noch aus einem anderen Grund ist das einmal mutige deutsche Fernsehen zum „Hackfressen-TV“ verkommen (in dem ein Til Schweiger kommen muss, um zu beweisen, dass man auch über Bilder und nicht nur über den Dialog erzählen kann). Ein befreundeter Kameramann erzählte mir, dass die Sender nur noch Close-ups mit unscharfem Hintergrund haben wollen: „Freigestellt“ nennt man das dann. Geschichten werden ohne bildnerische Tiefe mit der Nahaufnahme der Gesichter mit schnellem Schnitt und Gegenschnitt erzählt. Die Bilder haben keine epische, keine bildnerische und selbst keine optische Tiefe mehr. Mit entsprechend langen Brennweiten wird gearbeitet. Nur noch vereinzelt leistet man Widerstand, wie Andreas Ammer (hier geht es zum Interview mit Andreas Ammer) mit dem frischen und frechen „Druck frisch“. Einer Literatursendung! Er dreht mit Kinokameras und Kinooptiken, schert sich auch mal nicht um den Achsensprung, erzählt abseits der Protagonisten noch vom ganzen wunderschönen Drumherum.

„Die Stadt und die Macht“ oder „1983“ sind hilflose Versuche, Event-Fernsehen zu machen. Aber schon die Drehbuchautoren bleiben im Klischee hängen. Wer sich über die Politwelt amüsieren wie augenzwinkernd informieren will, muss auf „House of Cards“ (übrigens im englischen Original mit Sir Ian Richardson noch exquisiter) umschalten oder, wie ich, zum Internetriesen Amazon auf Prime umsteigen. Jeff Bezos hat nicht nur die erfolgreichste Verkaufsplattform für jegliche Art von Content erfunden, er macht ganz in der Tradition der Soaps auch selbst sehenswerten Content. Um das Angebot abzurunden, kauft er dazu. Die Eigengewächse wie die Politsatire „Alpha House“ mit John Goodman (sic!) oder „The Man in the High Castle“, eine glaubwürdige wie spannende Anderwelt-Dystopie, in der die Nazis siegten, waren meine Einstiegsdroge. Woody Allen dreht demnächst für Bezos, und der John-le-Carré-Spionagethriller „The Night Manager“ mit Tom Hiddleston und Hugh Laurie läuft gerade an. Serien wie „Elementary“ und „Downtown Abbey“ werden dazugekauft.

The Hour
Szene aus “The Hour” (Bild: BBC Germany/Polyband Medien )

Exzellente Drehbücher und großartig besetzte Nebenrollen
Was alle diese Werke auszeichnet, sind exzellente Drehbücher von einzelnen Autoren oder großen Teams, von denen wir Eventgeschichtenerzähler noch viel lernen können. Denn es muss um was gehen. Julian Fellowes gelingt das durch sechs Staffeln als Einzelkämpfer der „Upstairs-Downstairs“-Geschichten auf dem fiktiven Landsitz in Yorkshire. Nächstes Erfolgsgeheimnis: hervorragende Zutaten und ein ganz sorgfältiges Casting, das die Nebenrollen nicht zur Nebensache erklärt. Sophie McShera ist eine wunderbar intelligente Schauspielerin, auf „Downtown Abbey“ spielt sie „nur“ das Küchenmädchen. Es müssen also nicht die üblichen zwanzig „Hackfressen“ sein, die immer auftauchen, wenn großspurig Eventfernsehen verkündet wird.

An „Elementary“ schreibt dagegen ein großes Autorenteam. Die bekannte Geschichte um Sherlock Holmes (ja, es gibt nicht nur den tollen Hecht Cumberbatch) wurde zeitglich in New York neu aufgezäumt und zwar mit einer weiblichen Dr. Watson (gespielt durch die wunderbar zurückhaltende Lucy Liu). Allein damit gelingt es den Autoren um Serienvater Robert Doherty, immer wieder Wendungen abseits der augenzwinkernden Homoerotik bei „Sherlock“ einzuschlagen und zu überraschen. Apropos überraschen: Das wollen wir doch alle, auch im Eventbusiness. Es lohnt sich, bekannte narrative Elemente noch mal kräftig durchzuschütteln und damit zu neuen Konstellation zu kommen.

Wir sollten uns immer um überraschende Wendungen bemühen. Was immer wir an fiktionalen Storys erzählen. Und wir sollten auf unerwartete Gesichter setzen und nicht auf den Otto-Katalog. Was macht die Stärke der unterschätzten BBC-Serie „The Hour“ aus? Man sieht „echten“ Menschen in ihrem Leben zu und nicht Schauspielern in Kostümchen bei ihrer Arbeit. Es ist eine Fernsehen-im-Fernsehen- Geschichte, die auch vom liebevollen Zeitkolorit der 50er Jahre lebt. Aber nicht nur. Romola Garai und Ben Whishaw spielen ein junges Journalistenpaar auf der Suche nach der Wahrheit, die nicht nur eine journalistische, sondern auch eine kriminalistische ist. Was wir von denen und der Dramatikerin und Drehbuchautorin Abi Morgan lernen können, ist, dass man eine Story nicht mal eben vordergründing abfackelt, sondern dass eine zweite Bedeutungsebene eine Offenbarung für das Publikum sein kann, die lustvollen Erkenntnisgewinn verspricht. Und um den geht es schließlich auch bei unseren Events!

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