Kontroverser Kommentar von Tom Koperek

Basisdemokratie für die Eventbranche

Wie muss zukünftig die politische Interessenvertretung der Veranstaltungswirtschaft aussehen und wie kann die breite Basis stärker in den Willensbildungsprozess eingebunden werden? Tom Koperek, Mit-Initiator der Initiative #AlarmstufeRot und Geschäftsführer der LK AG, sucht Antworten.

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Tom Koperek (Bild: LK AG)

Die Zukunft der Veranstaltungswirtschaft muss auf breiter Basis partizipativer gestaltet werden und es ist keine Frage, dass unsere Interessenvertretungen im 21. Jahrhundert Wege und Formen anbieten müssen, die eine stärkere Einbindung der Basis in den Willensbildungsprozess ermöglichen. Die politische Interessenvertretung für die Branche sollte zukünftig zudem durch eine über alle Spezialdisziplinen hinweg strategisch angelegte und orchestrierte Lobbyarbeit vorangetrieben werden: Sie muss die übergeordneten Agendapunkte der gesamten Branche im Fokus haben und diese viel stärker als bisher durchsetzen.

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Unser Wirtschaftszweig ist groß und sehr heterogen aufgestellt: Laut einer Meta-Studie des R.I.F.E.L. Instituts sind wir der sechstgrößte Wirtschaftszweig in Deutschland mit weit über 1 Million direkt beschäftigter Menschen in über 150 Spezialdisziplinen und einer Bruttowertschöpfung von über 100 Mrd. Euro. Ein Wirtschaftszweig mit einem derartigen Gewicht muss den Anspruch haben, im Koalitionsvertrag der nächsten Bundesregierung verankert und mit einem eigenen Ansprechpartner vertreten zu sein. Beispiel könnte die Position des Tourismusbeauftragten der Bundesregierung sein, der im BMWi angesiedelt ist.

Keine breit abgestimmte gemeinsame Arbeitsbasis

Die Corona-Krise hat unsere Branche in eine tiefe existenzielle Notlage geworfen. Wie es so unsere Art ist in der Veranstaltungswirtschaft, haben viele von uns nach einer kurzen Schockstarre die Initiative ergriffen und vielfältige Lösungen für die sich stellenden Herausforderungen entwickelt. Neue Bündnisse, Initiativen, Verbände und Vereine haben sich gegründet, um die Aufgabe der Interessenvertretung gegenüber der Öffentlichkeit, den Medien und vor allen Dingen der Politik zu übernehmen. Sind die einen nur regional oder kommunal vernetzt und aktiv, haben andere wiederum den Anspruch, für die gesamte Branche zu sprechen.

Offensichtlich wollen zwar alle das Gleiche, aber viele agieren für sich allein. Es gibt keine breit abgestimmte gemeinsame Arbeitsbasis, es fehlt an einer übergeordneten und strategisch ausgerichteten Zusammenarbeit. Zwar gibt es auch Arbeitsgemeinschaften, um die dringend notwendige Interessenvertretung gegenüber der Politik abzustimmen – aber in Anbetracht der Tatsache, dass es bundesweit mehr als 100 Verbände und eingetragene Vereine mit mehreren zehntausenden Mitgliedern gibt, kann von einem vielbeschworenen und zitierten „Sprechen mit einer Stimme“ leider noch immer nicht die Rede sein.


„Wir dürfen nie wieder die abgehängte und vergessene Branche sein!“

Tom Koperek


Die Verbände, Vereine und Initiativen unserer Branche haben bisher gute und wichtige Arbeit geleistet. Sie arbeiten seit Beginn der Krise sicherlich härter als je zuvor, damit wir gehört, gesehen und unsere Probleme in der gegenwärtigen Notlage in der Politik wahrgenommen werden. Es werden Lösungen entwickelt und vorgetragen, was dann hoffentlich auch dazu führt, dass sich unsere Rahmenbedingungen verbessern oder Hilfen so zugeschnitten werden, dass sie nicht nur richtig wirken, sondern auch bei denen ankommen, die sie dringend benötigen.

Dieser Arbeit gebühren unser Dank und Anerkennung – verbunden mit der Aufforderung an alle Akteure unseres Wirtschaftszweigs, die noch nicht in einem unserer Branchenverbände Mitglied sind, dies schnellstmöglich nachzuholen. Je höher unser Organisationsgrad ist, desto wirkungsvoller können unsere Interessen gegenüber der Politik vertreten werden.

Eine „Bundeskonferenz der Veranstaltungswirtschaft“ als Thinktank

Es ist an der Zeit, ein partizipatives und basisdemokratisches Veranstaltungsformat zu entwickeln und zu etablieren, in dem die für die gesamte Branche zentralen Themen sondiert, sortiert, diskutiert, aggregiert und daraus dann über die Vertreter:innen unserer Verbände in die Entscheidungsprozesse der Politik überführt werden.

Seit Beginn der Krise wird vielfach gewünscht, mit einer Stimme zu sprechen, einen Dachverband zu gründen, die von vielen empfundenen Grenzen innerhalb unserer Branche zu überwinden, da wir alle gemeinsam in einem Boot sitzen. Einen Dachverband wird es wohl nach Lage der Dinge zurzeit nicht geben. Zu unterschiedlich sind die – zugegebenermaßen auch legitimen – Partikularinteressen der jeweiligen Spartenverbände.

Gleichzeitig müssen wir uns fragen, wie es gelingen kann, auch diejenigen Menschen in einen Meinungsbildungsprozess zu den relevanten Zukunftsfragen einzubeziehen, die (noch) nicht Mitglieder eines Branchenverbands sind. Eine gemeinsame Zielsetzung aller Verbände und Vereine in der Veranstaltungswirtschaft sollte darin bestehen, ein Modell zu entwickeln und zu etablieren, dass eine möglichst breite Basis an Akteuren zum Mitdenken, Mitreden und Mitgestalten motiviert. Dies könnte eine zukünftige „Bundeskonferenz der Veranstaltungswirtschaft“ leisten. Jährlich ausgerichtet durch einen oder mehrere Verbände bzw. Vereine – mit wechselnden Leitmotiven – als Thinktank, Zukunftswerkstatt und Kraftzentrum zur Identifikation und Ausformulierung der für alle Akteure in der Branche relevanten übergeordneten Themen.

Wir müssen die gegenwärtige Situation zum Anlass nehmen, kritisch zu reflektieren, wie wir zukünftig noch besser gesehen und gehört werden. Und wie es für alle Menschen in unserem Wirtschaftszweig möglich wird, an Entscheidungsprozessen zur Identifikation unserer übergeordneten politischen Ziele teilzuhaben, deren Durchsetzung dann in die Hände der Vertreter:innen unserer Verbände gelegt werden kann.

Kommentare zu diesem Artikel

  1. sehr gut! mittlerweile gibt es aber die InteressenGemeinschaft der VeranstaltungsWirtschaft IGVW, die alle anderen Verbände vereint. fast alle. Und die AUMA, der Verband der MesseVeranstalter hat mittlerwile auch kapiert, daß es nicht ausreicht, nur die GROßEN zu vertreten, sondern daß die Basis eben auch vertreten sein muss. Die Masse macht’s. Deshalb wird dieser kleine aber gewichtige Verband sich auch für die kleinen Akteure in unsere Branche öffnen. Das selbe müssen wir nun auch von der IGVW erwarten können, und diesem ”Bundesverband” der Verbände nahelegen, jeden aufzunehemen, der/die/das in der Veranstaltungswirtschaft professionell tätig ist. Vom Soloselbständigen bis zur Aktiengesellschaft. Denn nur die Masse macht’s! Je mehr Mitglieder, desto mehr Wirtschaftsmacht und Einflussnahme auf die Politik und unsere ahnungslosen Regenten.

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  2. Dann hoffen wir dass endlich geschafft wird uns zu organisieren. Vereinigt als eine Stimme für so viele Beteiligte!

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