Chancen und Risiken von Event-Apps

Warum Event-Apps die Macht haben, die Budgetgrenzen zu verschieben

Jeder Anbieter einer Event-App weiß: Der Eventmanager muss wollen, was seine App kann. Denn die App stellt eine endliche Zahl an Möglichkeiten bereit, denen der Nutzer spielend verfällt, ohne tatsächlich eigene Ziele zu setzen. Dabei lässt sich die Philosophie des Medienphilosophs Vilém Flusser für die Fotografie auch auf Smartphones und Apps übertragen. Sie sind mächtige Spielzeuge. Frei nach Flusser erringen daher nur die Eventmanager Macht, sind erfolgreich, die die Event-App als Werkzeug zur Erreichung selbstgesetzter Ziele nutzen. Diese besteht nicht im Besitz von Information, sondern in ihrer Erzeugung. Soweit Flusser en miniature.

Mitarbeitertagung der LEG Management GmbH
Mitarbeitertagung der LEG Management GmbH

Digitalisierung bedingt Information. Durch sie gewinnt, wer die Erzeugung von Information beherrscht. Das gilt auch für die Eventbranche. Begriffe wie „Event-App“ oder „Conference-App“ sind Kofferworte für die Bereitstellung von Informationen oder für deren Abfrage im Dialog mit Teilnehmern einer Veranstaltung. Sei es beim Ticketing und Einlassmanagement, sei es als digitales Programmheft, als Marketingplattform, als Networking- oder Interaktionstool. Selbst das Catering erhält die Bestellorder mit Tischnummer und Namen des Gasts per App.

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Diese neuen Möglichkeiten bedeuten neue Unübersichtlichkeit für das Eventmanagement. Funktionsumfänge einzelner Lösungen fallen weit auseinander. Ebenso die Preise. Mashups, in denen ich die Interaktionstools der einen App mit dem Content einer anderen App und dem Einlassprozess einer dritten Anwendung kombiniere, sind anspruchsvoll. Standardware scheitert daran, speziellen Kundenwünschen nicht zu genügen. Vor allem seitdem das Bewusstsein für Datenschutz und Datensicherheit geschärft ist. Die Entscheidung für die jeweils richtige Lösung fällt zwischen den Ansprüchen des Eventkonzepts, den Compliance-Anforderungen des Kunden, den Gegebenheiten der Location sowie der Kosten- und Amortisationslogik des Events. Dabei spielt besonders die Digitalisierung von Moderation eine immer wichtigere Rolle. Sie kommt zum Einsatz, wenn der Ertrag des Events auf dem inhaltlichen Beitrag der Teilnehmer beruht.

Smartphone mit Event-App(Bild: teambits GmbH)

Digitale Moderation mithilfe von Event-Apps

Konventionelle Moderation arbeitet mit Saalmikrofonen, Flipcharts und Pappkarten, um Textbeiträge von Teilnehmern zu sammeln, darzustellen, zu priorisieren und Ergebnisse zu visualisieren. Sie bemüht sich, zwischen Plenar- und Teilgruppenphasen zu variieren, um den Informationsfluss beherrschbar zu machen. Formate wie die Zukunftskonferenz, das World Café, Open Space oder der Fish Bowl entstammen der konventionellen Moderation. Ihre Digitalisierung steigert den Mehrwert durch die digitale Modellierung des Informationsflusses zwischen Teilnehmern, Moderatoren und dem Veranstalter. Die digitale Verarbeitung der von Teilnehmern erarbeiteten Inhalte sprengt dabei die alten Limits bei Gruppengröße und Prozessgeschwindigkeit. Teilnehmergenerierter Content steht sofort zur Verfügung. Publika von mehreren Hundert bis zu mehreren Tausend Teilnehmern agieren live als schreibende Inhaltelieferanten. Beispielsweise in Führungskräftekonferenzen, in Change-Prozessen, in Verkaufstrainings oder bei Innovationsprozessen. Es stellen sich durch die Technik Effekte ein, die analog nicht existieren. Im Schutze einer DSGVO-konform anonymen Beteiligung per App entsteht in dokumentierter Form das Zigfache dessen, was ein Saalmikrofon oder eine Pappkarte leisten kann.

Die aktuellste Form der Teilnahme geschieht ad-hoc per „Web-App“ über eine im Browser geöffnete Adresse, die ich bequem per QR-Code, E-Mail oder SMS mitteilen kann. Die Akzeptanz einer installationspflichten App ist dagegen statistisch nachweisbar gering. Sie spielt nur dort eine Rolle, wo ich Teilnehmer zentral mit geliehenen Geräten ausstatte oder spezielle Gerätefunktionen nutzen möchte.

Strategiekonferenz im Estrel Berlin
Strategiekonferenz im Estrel Berlin (Bild: Axel Guicking)

Alles ganz einfach?

Planer und Veranstalter sollten sich bei der Arbeit mit einer Event-App jedoch nicht verführen lassen, den zu bewältigenden Abstimmungs- und Beratungsbedarf durch das Versprechen zu unterschätzen, alles sei „ganz einfach“. Eine Ursache für Einfachheits-Versprechen könnte darin liegen, dass die Geschäftsmodelle von Event-App-Softwareanbietern darauf ausgelegt sind, das Angebot flankierender Dienstleistungen nach Möglichkeit zu vermeiden, um eine maximale Skalierbarkeit ihres Geschäftsmodells zu erreichen. Event-Apps erscheinen preiswert, weil sie sich über die noch notwendige Arbeit ausschweigen.

Bietet der Anbieter keine flankierenden Dienstleistungen, hat der Eventmanager alle mit der Vorbereitung der Nutzung der App verbundenen Arbeiten selbst zu erledigen. In solchen Event-Apps bewegt man sich dann in den sehr engen Grenzen, die funktional und grafisch im Zuge von Standardisierungen gesetzt sind. Dies betrifft nicht nur die Features der App oder die Aufgabe der steten Aktualisierung der in der App hinterlegten Informationen. Viel wichtiger noch bleibt der Eventler in der Pflicht, die Qualität und Verfügbarkeit der zum Funktionieren der App notwendigen Netzwerk- und Internetkonnektivität am Veranstaltungsort zu prüfen. Gerade die Nutzung interaktiver Event-App-Funktionen wie etwa Push-Notifications, Live-Updates, Teilnehmerchats oder digitaler Moderationen erfordern eine für die Teilnehmerzahl ausreichend leistungsfähige Netzwerkinfrastruktur. Hier blauäugig zu agieren, rächt sich bitter, sobald das WLAN überlastet ist oder sich die Location als Funkloch erweist. Spätestens bei Compliance-Prozessen stellen sich Probleme ein, falls App-Anbieter keinerlei Unterstützung hinsichtlich technischer Beratung anbieten.

Ausprobieren der App auf der Tagung
Mitarbeitertagung der LEG Management GmbH (Bild: LEG Management GmbH)

Chancen von Event-Apps

Wer Technik als „necessary evil“ behandelt, ist versucht, Event-Apps hintanzustellen. Im Interesse der Aufweitung des Eventbudgets ist es jedoch empfehlenswert, das genaue Gegenteil zu tun. Event-Apps eröffnen die Chance, den aus Kundensicht gewünschten Wertschöpfungsprozess in einen dramaturgisch gestalteten Informations- und Interaktionsprozess innerhalb des Publikums zu übersetzen. Die ausgereiften Regieoberflächen heutiger Event-Apps erlauben es, einer Content- und Interaktionsregie im Front of House (FoH) ebenso viele Gestaltungs- und Steuerungsmöglichkeiten an die Hand zu geben, wie man es von Licht, Ton und Bild gewohnt ist. Dabei steht es dem Planer frei, die hierfür notwendige Server-Infrastruktur in Absprache mit seinem Kunden on-site, im per VPN-Tunnel erreichbaren Firmennetzwerk on-premises oder in der veranstaltungsexklusiven Cloud zu betreiben.

Am Ende sind es die Event-Apps, die die Budgetgrenzen verändern, sobald das Eventkonzept in Informationsprozesskategorien zu denken beginnt. Wo Planer mit Hilfe einer Event-App Aufgabenstellungen ihres Kunden lösen, die das im beplanten Event bereits gegenwärtige Publikum adressiert, jedoch ohne Digitalisierung weitere Events notwendig gemacht hätten, verschieben sie die Grenzen zwischen Unternehmensberatung, Eventagentur und Digitalagentur zu ihren Gunsten.


Zum Autor:

Portraitfoto Florian Dieckmann(Bild: teambits GmbH)Florian Dieckmann studierte Politikwissenschaften in Leipzig und ist auf politische Kommunikation spezialisiert. Nach verschiedenen Stationen im Verkauf von Investitionsgütern verantwortet er seit 2015 die Geschäftsentwicklung bei teambits und vertritt das Unternehmen als Geschäftsführer. Als erfahrener Anwender digitaler Moderation unterstützt er Industriekunden bei digital transformierten Beratungsprozessen und Veranstaltungen.

teambits GmbH

Die teambits GmbH digitalisiert seit 2008 die Moderation und informationelle Prozesse in Live-Events und hybriden Veranstaltungen. Zu den Anwendern zählen Führungskräfte und Unternehmensberater sowie Eventkonzepter, Ablaufregisseure und Eventmoderatoren. Neben der Softwareentwicklung erbringt teambits veranstaltungsbezogenen Full-Service.

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Kommentare zu diesem Artikel

  1. Schwachsinn die Aussge – native Apps werden nicht downgeloaded – wenn ich mehrere Events habe die in einer app stattfinden lade ich doch gerne die app herunter .

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    1. Die Aussage ist, dass im Vergleich zu Web-Apps wesentlich weniger Leute native Apps für Events installieren und ich kann das 100% bestätigen!

      Der Ansatz eine native App für alle Events zu haben klingt eigentlich sehr im Sinne des Nutzers. Aber am Ende hat jedes Event einen anderen Event-App-Anbieter und viele Teilnehmer haben nur wenige Events im Jahr, so dass der Wert einer solchen App verfliegt oder man einfach diese Apps beim “Aufräumen” schnell wieder löscht.

      Event-Apps werden in erster Hand genutzt, um schnell Informationen zum Event zu bekommen, also liegt es auf der Hand, dass Web-Apps bei der kurzen Nutzungsdauer viel mehr Wert für den Teilnehmer bringen. Die Einstiegshürde ist einfach nicht da und ich bekomme alles sofort ohne Installation.

      Das heisst aber nicht, dass es nicht auch Leute gibt die eine native Event-App bevorzugen!

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