Unter welchen Bedingungen ist Emotionserkennung mit KI rechtssicher möglich? Rechtsanwalt Leif-Erik Wilhelm gibt Klarheit und erklärt die Grundlage für einen wirtschaftlich sinnvollen und nachhaltigen Einsatz.
(Bild: Shutterstock / Master1305)
Die Diskussion um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) auf Veranstaltungen ist aktueller denn je. Technologien wie die Sentiment-Messung ermöglichen es, Publikumsreaktionen in Echtzeit sichtbar zu machen, ein wertvolles Instrument zur Bewertung von Formaten und zur Optimierung zukünftiger Events.
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Die naheliegende Frage lautet daher: Wie lässt sich dieser Einsatz mit den Anforderungen der neuen Verordnung über Künstliche Intelligenz (KI-VO) und der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vereinbaren?
KI-VO
Art. 5 Abs. 1 lit. f KI-VO verbietet den Einsatz von KI-Systemen zur Emotionserkennung am Arbeitsplatz und in Bildungseinrichtungen. Ziel dieser Regelung ist der verständliche Schutz natürlicher Personen vor Überwachung, Verhaltensdruck oder manipulativen Eingriffen in abhängigen Machtverhältnissen. Das Verbot richtet sich daher gezielt gegen Konstellationen mit strukturellem Ungleichgewicht – insbesondere im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten.
Bei der Evaluation einer Veranstaltung fehlt es aber an einem solchen Machtungleichgewicht. Wenn ein Veranstalter die Stimmung seines Publikums misst, geht es nicht um die Kontrolle einzelner Beschäftigter, sondern um eine aggregierte Rückmeldung zur Wirkung von Inhalten. Die Analyse erfolgt anonymisiert und dient der Verbesserung zukünftiger Formate etwa durch die Identifikation besonders wirkungsvoller Vorträge oder Präsentationsformen.
Selbst wenn ein Arbeitgeber ein solches System einsetzt, greift das Verbot nur dann, wenn die erfassten Emotionen einzelner Beschäftigter zur Leistungskontrolle oder Bewertung etc. in das Arbeitsverhältnis einfließen. Fehlt dieser Bezug, etwa weil die Daten ausschließlich anonymisiert und statistisch verarbeitet werden und auch kein Re-Engineering der Daten möglich ist, ist der Anwendungsbereich des Verbots nicht eröffnet. So anonymisiert beispielsweise der Anbieter knw. die Daten direkt bei Erstellung und sorgt technisch dafür, dass ein Reverse Engineering nicht möglich ist.
DSGVO
Während die KI-VO Emotionserkennung sehr weit versteht, setzt die DSGVO enger an. Als biometrische Daten gelten nur Informationen, die eine eindeutige Identifizierung einer Person ermöglichen. Werden die Daten sofort anonymisiert und ausschließlich aggregiert verarbeitet, liegt diese Schwelle in der Regel nicht vor. Wichtig bleibt aber, dass schon die Erhebung der Daten der DSGVO unterliegen, deshalb müssen Anonymisierung, Datensparsamkeit und Transparenz konsequent umgesetzt werden.
Als Rechtsgrundlage kommt regelmäßig das berechtigte Interesse des Veranstalters (Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO) in Betracht. Dieses liegt nicht nur in der Optimierung zukünftiger Veranstaltungen, sondern auch in einer effizienteren und nachhaltigeren Planung. Sentiment-Messung hilft, Formate besser auf die Bedürfnisse des Publikums zuzuschneiden, unnötige Ressourcen zu vermeiden und Veranstaltungen insgesamt wirksamer und nachhaltiger zu gestalten.
Fazit: Rechtssicher bei vorausschauender Umsetzung
Auch wenn die KI-VO neu ist und ihre Auslegungspraxis sich noch entwickelt, bleibt festzuhalen: Es handelt sich nicht um ein pauschales Verbot von Emotionserkennung, sondern bei differenzierter Betrachtungsweise um eine Regelung mit klar umrissenen Schutzbereichen.
Verglichen mit klassischen Methoden der Evaluation ist die Eingriffsintensität geringer. Während „Strichlisten“ durch Mitarbeitende oder ausführliche Feedbackbögen eher personenbezogene Daten erzeugen, liefert die Sentiment-Messung aggregierte Ergebnisse ohne Bezug zu einzelnen Teilnehmenden. Gerade durch die sofortige Anonymisierung reduziert sich das Risiko erheblich, die Methode ist damit nicht nur effizient, sondern auch datenschutzfreundlicher als viele herkömmliche Alternativen.
Wer die Sentiment-Messung so gestaltet, dass keine personenbezogene Identifikation erfolgt, die Daten sofort anonymisiert und keine Folgen für Arbeitsverhältnisse entstehen können, schafft damit die Grundlage für einen rechtssicheren, wirtschaftlich sinnvollen und nachhaltigen Einsatz. Damit steht die Technologie nicht im Gegensatz zum Gesetz, sondern im Einklang mit dessen doppeltem Ziel: Schutz und Innovation.
(Bild: Nico Haase)
Über Leif-Erik Wilhelm
Rechtsanwalt Leif-Erik Wilhelm, LL.M. berät als Inhouse Counsel seit über 15 Jahren international tätige Teams in der Veranstaltungsbranche. Mit seinem Verständnis für rechtliche und operative Anforderungen entwickelt er Lösungen, die Entscheidungen erleichtern und das Tagesgeschäft wirksam unterstützen. Der Fokus liegt auf der präventiven Beratung, um rechtliche Risiken frühzeitig zu vermeiden und die Grundlage für reibungslose Abläufe und belastbare Partnerschaften zu schaffen.