Interview mit Sabine Loos, Westfalenhallen und Jan Kalbfleisch, FAMAB

Wie sieht die Eventmesse der Zukunft aus?

Das Messegeschäft hat sich im Laufe der Jahre verändert: Neue Formate erweitern die Branche, traditionelle Aspekte fallen weg. Um zu überleben, muss sich die Messe anpassen und Besuchern wie Ausstellern einen effektiven Mehrwert bieten. Wir haben mit Sabine Loos, Hauptgeschäftsführerin der Westfalenhallen, und Jan Kalbfleisch, Geschäftsführer des FAMAB, gesprochen und gefragt, was eine zukunftsfähige Messe mitbringen muss.

Sabine Loos, Hauptgeschäftsführerin der Westfalenhallen, und Jan Kalbfleisch, Geschäftsführer des FAMAB
Sabine Loos, Hauptgeschäftsführerin der Westfalenhallen, und Jan Kalbfleisch, Geschäftsführer des FAMAB (Bild: Sylvia Koch )

Während Roadshows und Hausmessen als die neuen Erfolgsgaranten gefeiert werden und Content Marketing in aller Munde ist, stehen klassische Messen immer öfter auf dem Prüfstand. Wie muss eine Messe aber aussehen, um zukunftsfähig zu bleiben? Was wünschen sich Aussteller und Besucher von einer Messe, wo liegen die Vorteile gegenüber den neuen Formaten und wie steht es um neue Vermarktungsmöglichkeiten?

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Das Messegeschäft bestand früher hauptsächlich darin, Standfläche zu verkaufen, mittlerweile hat sich der Schwerpunkt jedoch zum People-Business gewandelt. Wie haben sich in dem Bezug auch die Ansprüche der Aussteller gewandelt?
Sabine Loos: Der Anspruch an eine Messe steigt natürlich. Früher ging es darum, sich zu präsentieren, heute ist Messe im weitesten Sinne Networking. Das Geschäft ist komplexer geworden, gerade was Events anbelangt. Schließlich sind Veranstaltungen nicht gerade einfache Produkte! Die Erwartungen der Besucher steigen stetig und genauso steigen auch die Ansprüche der Aussteller, dass eine Messe eben die Community zusammenbringt, die für die Branche wichtig ist, um Informationen auszutauschen, Netzwerke zu bilden, weiterzuentwickeln und zu intensivieren.

Es gibt viele Besucher auf B2B-Messen, die gar keine Produkte mehr sehen wollen – die würden sie schließlich schon vorher im Netz sehen können. Viel wichtiger sei das Networking, um Kollegen zu treffen, Entwickler und auch Auftraggeber. Sehen Sie das genauso?
Jan Kalbfleisch: Diese Ansicht ist natürlich relativ extrem. Grundsätzlich glaube ich schon, dass das Thema Netzwerken mehr in den Vordergrund rückt, aber in der Regel gibt es schon noch eine ganze Menge Aussteller, die tatsächlich auch etwas auszustellen haben. Ich glaube auch ehrlicher Weise, dass die Besucher, sehen wollen, was es Neues gibt. Nehmen wir als Beispiel die BOE (Best of Events): Ich kann mir kaum vorstellen, dass ein Zeltverleiher sein Produkt nicht ausstellen will oder dass ein Besucher abgeneigt wäre, ein solches Produkt einmal live zu erleben. Grundsätzlich geht der Trend in diese Richtung geht, aber nicht in dieser Extreme.
Sabine Loos: Letzten Endes ist es schließlich das Produkt, um das es auf einer Messe geht. Es gibt viele Bereiche, wie beispielsweise auf der BOE das Thema Catering, die man live erleben möchte – das Internet kann nicht annähernd vermitteln, was es im echten Leben zu erfahren gibt. Natürlich ist das Internet eine wichtige erste Informationsquelle, um die technischen Details eines Produktes zu erfahren, aber um Geschäfte abzuschließen, braucht es mehr: Denn ein gutes Geschäft ist nach wie vor ein Vertrauensthema. Gerade bei einem Event muss jedes Mosaiksteinchen und jedes Gewerk perfekt zusammen spielen, denn in der Eventbranche geht ein Geschäftsverhältnis über die reine Produktinformation hinaus – es geht um das Verhältnis zum Gegenüber.

Catalogna Catering auf der BOE 2017
Eines der zentralen Themen auf der BOE 2018: Die Culinary Stage. (Bild: Sylvia Koch )

Wie ist Ihre Erfahrung: Ist viel Überzeugungsarbeit notwendig, um die Aussteller zu akquirieren oder sehen die meisten die Messe noch als Must-Have an und gehen aktiv auf Sie zu?
Sabine Loos: Wir kontaktieren die Unternehmen natürlich, um neue Aussteller zu gewinnen und neue Trends auf die Messe zu holen, die wir in Bezug zur BOE für die Eventbranche als wichtig erachten. Was wir in der Branche fühlen, ist, dass die Unternehmen nach einer Branchenplattform suchen. Es ist einfach etwas anderes, ob ich Produkte in einem luftleeren Raum auf einer Internetseite präsentiere oder ob ich mich wirklich in der Branche befinde und einen Marktüberblick bekomme. Da ist das persönliche Erleben schon wichtig. Wir sehen es bei den Acts on Stage auf der BOE: Dieser Aspekt wird bei den Besuchern als sehr wichtig empfunden, weil man sich vor Ort von einem Produkt überzeugen lassen kann – oder eben auch nicht. Das ist sozusagen der Moment der Wahrheit.
Jan Kalbfleisch: Die Resonanz der Aussteller für die BOE ist allgemein sehr positiv. Die Branche sieht immer mehr die Professionalisierung der BOE und auch wir versuchen immer neue Zielgruppen zu eröffnen – branchenspezifisch, national und international.

Durch Roadshows und Hausmessen haben die klassischen Messen eine Menge Konkurrenz bekommen. Inwieweit spüren Sie diese Art von Konkurrenz? Oder sehen Sie diese Formate vielleicht gar nicht als Konkurrenz?
Sabine Loos: Allgemein sehe ich die Gefahr der Hausmessen und Roadshows als nicht allzu groß an. Man muss sich überlegen, welchen Zweck diese unterschiedlichen Eventformate verfolgen: Hausmessen dienen dem Ziel, eine stärkere Kundenbindung zu ermöglichen und binden gleichzeitig ausgewählte Lieferanten eines einzelnen Anbieters ein. Eine Hausmesse gibt einen Einblick auf ganz spezifische Aspekte, die aus Veranstaltersicht sinnvoll sein mögen – einen Marktüberblick geben sie allerdings nicht. Ein Besucher, der sich dagegen über die gesamte Branche informieren möchte, bekommt diese Gelegenheit nur auf einer richtigen Messe. Neue Trends, zukunftsfähige Techniken, neue Player und Entwicklungen in der Branche und die Möglichkeit neue Kunden und Kontakte zu generieren: Das ist der Kernaspekt einer Messe.
Jan Kalbfleisch: Sicherlich ist die Konkurrenz durch Hausmessen bedenklich und ein Unternehmen wie Mercedes wird sich eine solche Veranstaltung auch leisten können. Ob eine Hausmesse aber für den klassischen Aussteller sinnvoll ist, sei mal dahin gestellt. In der Regel werden Hausmessen aber nicht als Konkurrenz zu den Messen gesehen, da sie eben eine völlig andere Zielgruppe und Themenstellung beinhalten. Ich glaube deshalb nicht, dass sich da ein großer Wettbewerb etabliert. Zumal sich bei einer Hausmesse wieder die Frage stellt, was man denn eigentlich ausstellen würde. Ich weiß, dass einige Agenturen bereits versucht haben und immer wieder versuchen, etwas Eigenes zu etablieren, aber man muss auch einmal aus Kundenseite denken. Wenn alle Unternehmen anfangen, Kunden zu Hausmessen einzuladen, dann wird es für den Rezipienten auch nicht besser: Schließlich wird kein Kunde drei Mal die Woche auf eine Hausmesse gehen, um sich jeweils nur mit einen Unternehmen zu treffen. Der große Vorteil einer Messe besteht tatsächlich darin, dass man einen umfangreichen Überblick bekommt und alle Branchenteilnehmer treffen kann – und das in messbarer Zeit. Für mich als Messebesucher hätte eine Messe sehr viel mehr Vorteile als eine Hausmesse mit einem einzelnen Aussteller.

Sabine Loos, Hauptgeschäftsführerin der Westfalenhallen, und Jan Kalbfleisch, Geschäftsführer des FAMAB
Sabine Loos und Jan Kalbfleisch sehen das Format der Messe auch in Zukunft nicht bedroht. (Bild: Sylvia Koch )

Wie sieht es mit interaktiven Modulen aus, besonders AR und VR – wie schätzen die Aussteller den Nutzen solcher Module ein?
Jan Kalbfleisch: Da gibt es mittlerweile zwei ganz klare Lager: Wir haben einige Mitglieder, darunter Messebauunternehmen, die Virtual und Augmented Reality in der Akquisition nutzen, indem potentiellen Kunden die Produkte via AR und VR begehbar gemacht werden. Diese Mitglieder nutzen die Module vorwiegend als technische Hilfsmittel im Vertrieb. Die allermeisten geben jedoch zu, dass Virtual und Augmented Reality auf dem Messestand selbst nicht viel mehr sind als eine Spielerei. Vielleicht weil die Technik auch einfach noch zu beschränkt ist. Von einem Aussteller weiß ich, dass er sich für die Zukunft überlegt, ob er anstelle von drei großen Maschinen nur noch eine große Maschine auf dem Messestand ausstellt und die anderen beiden via Virtual Reality für die Besucher erlebbar macht. Das könnte tatsächlich ein vitales Beispiel für eine VR-Anwendung sein, das zudem die Kosten eines Messeauftritts um ein Vielfaches reduzieren kann. Insgesamt glaube ich aber, dass noch irgendetwas passieren, damit VR und AR sich für den Messeeinsatz qualifizieren.
Sabine Loos: Im Hinblick auf Event-Konzepte sind AR- und VR-Ansätze derzeit natürlich besonders in der Diskussion. Daher bieten wir auf der BOE auch regelmäßig ein eigenes Digital-Forum an. Ein Event lebt allerdings vor allem davon, dass es emotional ansprechend ist und sich damit nachhaltig in der Erinnerung der Besucher verankert. Diese emotionale Ansprache wird durch verschiedene Elemente kreiert. Wenn darunter ein tolles VR- bzw. AR-Erlebnis dabei ist – umso besser. In der Investitionsgüterindustrie setzen einige Aussteller auf diese Anwendungen, aber ob das der richtige Weg ist, glaube ich auch noch nicht so ganz. Im Moment ist es eher Try & Error: Die Unternehmen testen einfach aus, was wie funktioniert.

Gibt es noch andere Module mit Trendpotential, die Sie entdeckt haben?
Jan Kalbfleisch: Module nicht unbedingt, aber interaktive Medien könnten ein weiterer Trend sein.
Sabine Loos: Genau. Wir hatten beispielsweise unsere Twitter-Wall auf der BOE, auf der wir zeitweise sogar auf Platz 1 der Trending Topics gerankt haben. Solche Neuerungen interessieren die Branche. Es gibt viele Bausteine, die da zusammen wirken.
Jan Kalbfleisch: Wobei die Interaktivität eigentlich viel weniger über elektronische Medien zustande kommt, als über die inhaltlichen Formate. Dazu zählen interaktive Workshops oder auch Vorträge wie der Career Hub auf der BOE 2017, der ebenfalls mit interaktiven Elementen punkten konnte. Wenn es tatsächlich nur um die Medien geht, glaube ich, dass es für eine Messe schlauere Möglichkeiten zur Interaktion gibt. Vor und nach einer Messe ist das natürlich wieder ein anderes Thema.

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Der Stand von Wunder Räume mutet an wie in einem Märchen. (Bild: Sylvia Koch )

Stichwort Rahmenprogramm: Workshops und Seminare werden immer wichtiger auf einer Messe. Zum einen um das Image und die Deutungshoheit einer Messe zu verbessern, zum anderen um den Networking-Gedanken weiterzuentwickeln. Sehen Sie das auch so?
Sabine Loos: Absolut. Es gibt immer mehr Faktoren – technische Trends, gesetzliche Vorgaben, Sicherheitsbestimmungen etc. – die die Anwendung von Produkten und Dienstleistungen komplizierter machen. Diesen Veränderungen müssen Messen u.a. mit Hilfe von Workshops Rechnung tragen. Trotzdem wollen Messen mit einem Rahmenprogramm keinen Kongress ersetzen! Vielmehr soll den Besuchern ein Überblick zu aktuellen Themen gegeben werden – quasi als Kompass für die Besucher, um die neuen Herausforderungen der Branche kennenzulernen.
Jan Kalbfleisch: Die Organisation solcher Workshops nehmen wir bei der BOE im Übrigen sehr ernst. Wir recherchieren und führen Experten-Interviews, um eben nicht nur auf ein neues Thema aufmerksam zu machen, sondern echte Hilfestellung bieten zu können. Auch in diesem Bereich ist die Messe auf einem guten Weg, eine Themenführerschaft zu erlangen, die dann auch mehrere Monate trägt. Schließlich wollen wir nicht, dass nur einmal im Jahr eine Messe ist, sondern dass man auch davor und danach im Gespräch bleibt.
Sabine Loos: Den Austausch mit der Branche haben wir natürlich immer schon gehabt, allerdings gestalten wir die Kommunikation heute schon bewusster, indem wir beispielsweise über das Jahr verteilt Content erstellen und Roadshows veranstalten. Besonders wichtig ist es zu wissen, welcher Trend passé ist, wo es hingeht und was die Zukunft bringt. Gleichzeitig liefern die Roadshows natürlich wieder Content, den wir für die Vermarktung der Messe einsetzen können.

Content Marketing gewinnt immer mehr Bedeutung. Wie sieht es aber aus mit dem Thema Influencer? Gibt es klassische Influencer in der Eventbranche, deren Reichweite man für sich nutzen könnte?
Sabine Loos: Grundsätzlich sind wir offen dafür, keine Frage. In anderen Branchen arbeiten wir oft mit Influencern, laden Blogger zu Messen ein und versorgen sie mit Informationen. Das Spannende an einem Influencer ist, dass er unabhängig ist bzw. sein soll. Allein durch diesen Aspekt fallen in unserer Branche aber schon die meisten Teilnehmer weg. Im Gegensatz zu Industrien aus dem B2C-Markt muss das B2B-Geschäft differenziert betrachtet werden:
Jan Kalbfleisch: Im B2B-Markt wären es prinzipiell die Hochkaräter großer Unternehmen, die sich über den aktuellen Stand der Branche informieren wollen und die allein durch ihre Anwesenheit weitere Besucher auf eine Messe locken. Keine Influencer im klassischen Sinn, aber dennoch Personen mit Einfluss.

Haben Sie ein kurzes Statement, wie die Messe der Zukunft aussehen wird?
Sabine Loos: Wie die BOE…  😉 Nein, im Ernst: Jung, dynamisch, innovativ, erlebnisorientiert, emotional und unterhaltsam. Die Messe der Zukunft macht Spaß und bedeutet gute Geschäfte – eine gelungene Kombination.
Jan Kalbfleisch: Eine barrierefreie Verknüpfung zwischen inhaltlichen Formaten, Ausstellungen sowie imageprägenden und sozialen Aspekten wie z.B. Networking. Diese drei Punkte zusammengefasst, ergeben das Konzept der Eventmesse der Zukunft.

 

Wir bedanken uns für das Gespräch und wünschen speziell für die BOE viel Erfolg!

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