Die digitale Audiogesellschaft und ihre Topologie

Age of Ears: Die Zukunft des Hörens

In einer Studie zeigt Facit Research aktuelle Audiotrends auf und wagt einen Blick in die Zukunft. Dabei hat Facit Research sieben zentrale Entwicklungen ausgemacht, die unser Hörverhalten dominieren werden. 

Terja Diava mit Kopfhörern
(Bild: Jörg Küster)

Bereits Ende 2015 legte die Facit Research GmbH & Co. KG unter dem Titel „Age of Ears“ eine erste Grundlagenstudie zur aktuellen Nutzung von Audio in Deutschland vor. Als eines der wichtigsten Ergebnisse vermeldete das Münchner Meinungsforschungsinstitut damals, dass sich die hiesige Bevölkerung (im Altersbereich zwischen 14 und 59 Jahren) in zwei große Gruppen einteilen lässt: Rund 23,1 Millionen Menschen hören traditionell ausschließlich UKW-Radio oder nutzen eigene physisch vorhandene Tonträger. Die verbleibenden 40,6 Millionen – und damit fast zwei Drittel der Bevölkerung – schätzen hingegen vor allem digitale Angebote wie Webradio, Radio-Apps oder Music-Streaming und hören Musik sowie andere Audioinformationen nicht nur stationär, sondern zunehmend auch mobil, zum Beispiel mit Smartphones. Facit Research betitelt die letztgenannte Gruppe als „digitale Audio-Society“.

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Auf dem Radio Advertising Summit in Düsseldorf stellte Facit Research jetzt Mitte April 2016 eine Fortsetzung der „Age of Ears“-Studie vor, die sich mit den Audiotrends der nahen Zukunft beschäftigt; als imaginärer Zielpunkt wird das Jahr 2025 genannt.

Sieben zentrale Entwicklungen hat Facit Research ausgemacht:

1) Konnektivität wird der zentrale Motor für alle künftigen Entwicklungen im Audiobereich.

2) Sozialer Austausch, gemeinsamer Genuss und Interaktion spielen im Audioumfeld zunehmend eine wichtige Rolle.

3) Die immer realistischere, dreidimensionale und immersive Audiodarstellung von virtuellen und realen Welten schafft Mehrwerte beim Nutzer und bietet auch Werbetreibenden völlig neue Möglichkeiten der Markeninszenierung.

4) Der allgegenwärtige mobile Zugang zum Internet und seinen Inhalten stärkt auch den mobilen Audiokonsum.

5) Der steigende Bedarf nach Individualisierung wird auch in Sachen Audio durch Mass Customization im Produktbereich und immer bessere Datenverfügbarkeit sowie Targeting-Möglichkeiten im Servicebereich bedient.

6) In einer immer hektischeren Welt dient Audiogenuss auch als Rückzugs- und Entspannungsmöglichkeit.

7) Mit steigender Digitalisierung der Audiowelt und ständiger Verfügbarkeit sämtlicher Inhalte wachsen Nischenmärkte für das Besondere. Mit High-Resolution-Audio oder auch der Rückbesinnung auf haptische Erlebnisse bedienen Marken die Wünsche anspruchsvoller Audioliebhaber

Sieben Audiotrend-Bausteine

Die sieben Audiotrend-Bausteine der „Age of Ears“-Studie wagen einen Ausblick auf das Jahr 2025 und fassen mögliche Tendenzen zusammen. Die Studie beruht auf der Analyse aktueller Entwicklungen sowie auf zahlreichen Experteninterviews. Konnektivität ist laut „Age of Ears“ der alles überstrahlende Trend, da das lange vorhergesagte Internet of Things inzwischen unübersehbar seine Schatten vorauswirft: Bis 2020 sollen 50 Milliarden (!) Geräte über das IoT miteinander verbunden sein, was aus unternehmerischer Sicht eine Vielzahl von Fragen aufwirft. Bei Konsumenten wird die umfassende Konnektivität voraussichtlich hohe Erwartungen schüren: So könnte es beispielsweise zur Normalität werden, dass beim Verlassen des Hauses die in der Wohnung gehörte Musik ohne weitere Maßnahmen automatisch im Auto fortgesetzt wird. Da das Fahrzeug „weiß“, wohin sein Besitzer fahren möchte, werden auf der Fahrt Informationen zum Zielort wiedergegeben und darüber hinaus Tipps zum Fahrverhalten sowie zur Stauvermeidung unterbreitet.

Sozialer Austausch und Interaktion, welche die Studie als zweiten Trend nennt, spielen bei Audioinhalten von jeher eine wichtige Rolle. Man denke an Zeiten, in denen man mit Freunden zum gemeinsamen Hören einer neuen Schallplatte zusammenkam. Das zugrundeliegende Verhalten passt sich den Gegebenheiten der Zeit an: Das lokale Zusammensein ist nicht mehr erforderlich, denn (virtuelle) Treffen und der Austausch über Vorlieben finden heute im Netz statt. Aus Sicht reiferer Leser möglicherweise skurril mutet der Gedanke an, sich zum gemeinsamen Anhören eines Konzerts im Internet zu verabreden. Playlists lassen sich über die Cloud austauschen. Wird gerade thailändisch gekocht, kommen passende Musik oder ein Audiobericht zu Land und Leuten aus den Lautsprechern.

Die dreidimensionale Audiowiedergabe befindet sich aktuell in den Startlöchern und kann als komplementäres Element zu Virtual und Augmented Reality verstanden werden. Barbara Evans sieht hier neue Möglichkeiten zur Markeninszenierung, da bei Hörern das Gefühl entsteht, sich mitten im Geschehen zu befinden. Bald schon wird sich das immersive Erlebnis ortsunabhängig realisieren lassen und den Konsumenten in aus Marketingsicht sehr vorteilhaften Zusammenhängen erreichen. Für Unternehmen könnte es attraktiv sein, sich als Sponsor einzubringen, wobei zu eruieren ist, in welchem Zusammenhang die Marke im Content sinnvoll zu platzieren ist. Interessante Perspektiven eröffnet „Affective Audio“: Wer beispielsweise unter Schlafstörungen leidet, kann sich geeignete Musik oder Hörbücher mit ins Bett nehmen, deren Wiedergabe je nach Bewusstseins- bzw. Schlafphase angepasst wird. Dass hier gezielten Manipulationen Tür und Tor geöffnet werden, mag Barbara Evans nicht in Betracht ziehen und weist darauf hin, dass Konsumenten ohnehin zunehmend kritischer werden: „Man muss es schaffen, dem Konsumenten authentische Inhalte mit Mehrwert zu bieten, die zu seiner Situation und zur Marke passen.“

Der vierte Trend, der eine stärkere mobile Audionutzung durch das überall verfügbare Internet prognostiziert, ist bereits heute real und wird sich künftig sicher noch ausweiten. Auch Trend 6, der Audiogenuss als Rückzugs- und Entspannungsmöglichkeit herausstellt, muss an dieser Stelle nicht weiter erörtert werden.

Smartphone mit Headphones
Konnektivität und Mobilität sind zwei der wichtigsten Faktoren, die unser Hörverhalten in Zukunft beeinflussen werden. (Bild: Jörg Küster)

Trend 5 rückt die Möglichkeiten von Big Data in den Fokus: Wer die Datenflut geschickt auswertet, kann sehr genau umreißen, mit wem er es auf der Gegenseite zu tun hat – Lokalisation, grundsätzliche Interessen sowie aktuelle Lebensumstände des Einzelnen werden zunehmend transparenter. Audioseitig wird es daher laut Evans einfacher werden, maßgeschneiderte Angebote zu unterbreiten und einen Mehrwert zu schaffen. „Eine der Stärken von Audio war und ist, dass es als ‚Nebenbei-Medium‘ genutzt wird“, erklärt Barbara Evans. „Audioinhalte stören in der Regel nicht bei anderen Tätigkeiten, bleiben im Hintergrund und integrieren sich perfekt.“

Dass jeder Trend einen Gegentrend erzeugt, manifestiert sich abschließend in der Aussage von Trend-Baustein Nummer 7: In Zeiten der allgegenwärtigen Verfügbarkeit digitaler Audiosignale erlebt die Schallplatte aktuell auch jenseits von DJ-Kreisen eine Renaissance, die wenigen verbliebenen Presswerke kommen mit dem Pressen von Vinylscheiben kaum nach. Auch HiRes-Audio findet mit Auflösungen von 24 Bit und 96 kHz Gehör unter Audiophilen Kundschaft, die sich mit der verlustbehafteten Datenreduktion der allgegenwärtigen MP3-Files nicht anfreunden können.

Audio-Emotionalisierung auf Events

„Ein Event ist eine Momentsituation, und die sieben Audiotrends werden sich fraglos auch in diesem Zusammenhang auswirken. Audio kann die vor Ort bei einem Event zu vermittelnden Inhalte sowohl unterstützen als sie auch über den Tag hinaus führen“, sagt Barbara Evans. „Ebenso wie Duft ist Audio ein sinnliches Thema und eignet sich perfekt, um das positive Momentum eines Events immer wieder aufs Neue hervorzuheben.“

Dass Entwicklungen wie Virtual Reality die reale Zusammenkunft von Menschen ablösen werden und sich Begegnungen zunehmend in den virtuellen Raum verlagern, glaubt die Marktforscherin nicht: „Das echte Aufeinandertreffen von Menschen würde ich nie ersetzen wollen. Virtual Reality in Verbindung mit einer dreidimensionalen Audiowiedergabe kann ein Baustein eines Events sein und besondere Inszenierungen ermöglichen. VR eignet sich allerdings definitiv nicht, um die Emotionalisierung einer gelungenen realen Veranstaltung zu erreichen.“


Facit Research

Wie Unternehmen, Marken und natürlich auch Sender ihre Hörer bzw. Kunden künftig erreichen können, beschäftigt Barbara Evans, Geschäftsführerin von Facit Research und Kopf hinter „Age of Ears“. Evans blickt in ihrer beruflichen Karriere u. a. auf eine Position im Bereich Media-Planung zurück und kennt die Praxis somit aus erster Hand.

Barbara Evans
Barbara Evans, Geschäftsführerin von Facit Research und Kopf hinter „Age of Ears“ (Bild: Marc Mueller)

Facit Research ist eine der vier Marken aus dem Haus der Kommunikation, das von Dr. Peter Haller (Serviceplan Gruppe) gegründet wurde, und versteht sich als unabhängige Marktforschungseinheit mit „Verlängerung“ in den Bereich Consulting: „Im Wesentlichen dreht sich alles um die vier Protagonisten, die man im Bereich der Werbung kennt: Wir beantworten Fragen von Kunden, die aus dem Bereich Consumer Understanding kommen, und decken alle Aspekte der Markenführung ab. Weiterhin geht es um Fragestellungen aus dem Bereich der Kreation, und schließlich untersuchen wir die Wirkung von Medien“, fasst Barbara Evans die vier „M“ (Mensch, Marke, Message, Medium) zusammen. Die M-Themen werden bei Facit Research bevorzugt ganzheitlich behandelt, auf Kundenwunsch jedoch auch als Einzelaspekte beleuchtet.

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