„Cool sein hilft.“

Wie stark verändert sich unsere Arbeitswirklichkeit?

Interview mit Dr. Stefan Rief vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO über die Zukunft der Arbeit in der Agenturszene und die Gestaltung von Büroräumen.

Office / Büro
(Bild: Jörg Bakschas Headroom Consult/Fraunhofer IAO)

Das Fraunhofer IAO in Stuttgart beschäftigt sich in unterschiedlichen Aspekten mit der Frage, wie die Menschen in Zukunft arbeiten (und leben) werden. Die Anforderungen an jeden Einzelnen sowohl im Privat- als auch im Arbeitsleben nehmen stetig zu. Megatrends wie Digitalisierung und Automation, Urbanisierung und der demografische Wandel verändern die Arbeitswirklichkeit rasant. In interdisziplinären Teams erforschen und gestalten Wissenschaftler aus Betriebs- und Wirtschaftswissenschaft, Informatik, Ingenieur- und Sozialwissenschaft sowie Naturwissenschaft Zukunftsthemen und bringen ihre Erkenntnisse zur Zukunft der Arbeit ergebnisorientiert in die Anwendung.

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Stefan Rief
EVENT PARTNER hat mit Dr. Stefan Rief gesprochen, dem Leiter des Competence Center Workspace Innovation am Fraunhofer IAO: (Bild: Privat )

Herr Dr. Rief, lassen Sie uns mit einer Frage beginnen, die uns alle bewegt und der sich Ihr Institut grundsätzlich verschrieben hat: Wie werden wir in Zukunft arbeiten?
Wir sehen da zwei ganz wesentliche Entwicklungen. Zum einen arbeiten und leben viele Menschen immer selbstbestimmter und freiheitlicher. Sie bestimmen, wann sie arbeiten und wo. Homeoffice, arbeiten von unterwegs und Videokonferenzen werden zur Normalität. Und zwar unabhängig davon, ob sie fest angestellt sind oder freiberuflich arbeiten. Seit Jahrzehnten fordern die Arbeitgeber immer größere Flexibilität von den Arbeitnehmern – jetzt fordern das auch die Arbeitnehmer, nicht immer zur Freude ihrer Arbeitgeber.

Scheinbar gegenläufig und doch eng damit verbunden ist der Trend zur Campus-Kultur. Unternehmen schaffen sich eigene Welten von hoher Attraktivität, um Arbeitnehmer zu binden. Nehmen sie das Beispiel Adidas: Eine eigene Welt, mitten in der fränkischen Provinz. Vom Silikon Valley bis zur Schwäbischen Alb lassen sich solche Tendenzen erwarten – die Förderung der physischen Zusammenarbeit in einer immer flexibleren und selbstbestimmteren Arbeitsgestaltung.

Welche Auswirkungen haben diese Entwicklungen auf die Agenturszene?
Wir leben – zumindest in einzelnen Regionen und Berufsgruppen – in einer Zeit der Vollbeschäftigung. Das muss man sich als Agenturchef vor Augen halten. Die Konzerne mit ihren vielfältigen Angeboten konkurrieren um dieselben Arbeitnehmer wie die Agenturen. Und auch die Freiberufler und die sogenannten „Cloud Worker“ werden sich zunehmend organisieren und Arbeitgeber bewerten. Das passiert heute schon informell, in Zukunft wird es dafür sicher organisierte Plattformen geben.

Büro / Office
(Bild: Jörg Bakschas Headroom Consult/Fraunhofer IAO)

Als Agenturchef würde ich mich also fragen, welche Freiheiten und Vorteile ich bieten kann, die die großen Konzerne nicht bieten können. Da spielen flexible Arbeitsmodelle sicher eine große Rolle. Dann geht es darum, Identifikation und Vertrauen zu schaffen. Das ist bei kleinen Organisationen viel wichtiger als bei großen (und auch einfacher herzustellen). Auch Kultur und Arbeitsumgebung sind sehr wichtig. Frisch und trendig zu sein, hilft, und ist für kleine urbane Einheiten sicher viel einfacher als für Konzerne in der Provinz. Und dann muss man Perspektiven bieten. Und zwar kurzund mittelfristige. Die Aussicht, in 25 Jahren vielleicht mal den Laden übernehmen zu können, motiviert heute niemanden mehr. Da braucht man andere kurzfristigere Bindungsmodelle, wie z. B. Sozietäten.


Und wie wird sich die Arbeit selbst in den Agenturen verändern? Wie entstehen in Zukunft Kreativität und Innovation?

Eines ist klar: Die Automatisierung wird auch in die mittel- und hochqualifizierten Berufe vordringen – und auch vor kreativen Berufen nicht Halt machen. Sehen wir der Wahrheit ins Auge: Nicht jeder Vorgang im Kontext einer kreativen Tätigkeit ist für sich genommen kreativ. Routinearbeiten und unterstützende Prozesse lassen sich problemlos automatisieren. Ein Beispiel: Warum sollte mir nicht ein Algorithmus aktuelle Trends für Farben und Formen aus Instagram und Pinterest exzerpieren und damit die Grundlage für das nächste Design schaffen? Mag sein, dass so nichts bahnbrechend Neues entsteht, aber wem gelingt schon jeden Tag eine Schöpfung, die die Welt verändert?

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(Bild: Jörg Bakschas Headroom Consult/Fraunhofer IAO)

Ein Schwerpunkt Ihrer Arbeit ist auch die Gestaltung von Büroräumen. Welche Trends können Sie hier beobachten? Aktuell hat man ja den Eindruck, alles muss bunt und fröhlich werden. Arbeiten wir bald alle im Spieleparadies? 
Man braucht zum Arbeiten keine Rutsche. Und auch kein Klettergerüst. Das sind aktuelle Gestaltungstrends, genauso wie die vielen warmen Farben, das viele Holz und die Pflanzen. Klar ist aber: Man wird nicht mehr acht oder zehn Stunden am selben Platz sitzen, das ist vorbei. Die Arbeitsräume der Zukunft bieten ganz unterschiedliche Arbeitsplätze und Aufenthaltssituationen an. Räume für informellen Austausch, Rückzugsmöglichkeiten, je unterschiedlicher, desto besser. Die Individualität der Menschen fordert diese Vielfältigkeit genauso wie die Individualität der Arbeitsanforderungen. Das in großen Büros früher tausendmal derselbe Tisch stand, war sicher für das Facility Management von Vorteil, für die Menschen nicht.

 


 

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